Kapitel 59 - Wenn nicht jetzt, wann dann?
Stumm stehe ich gefühlte Minuten einfach in der Tür, Severus' Augen ununterbrochen auf mir. In seinem Blick liegt eine eisige Kälte, die mich zusammenzucken lässt. Sein Gesicht besteht nur noch aus der undurchdringlichen Maske, die ich so verabscheue.
„Wieso, Hermine?", fragt er leise. Sein Tonfall ist wie ein Stich mitten in mein ramponiertes Herz. „Wieso?" Er leidet. Wegen mir.
Ungehindert laufen mir die Tränen über meine Wangen, verderben mein Make-Up und hinterlassen unschöne schwarze Spuren auf meiner Haut, doch es stört mich nicht. Ich wäre ein Narr, würde ich mich darum scheren, wo doch gerade meine Welt zusammenzubrechen scheint.
„I-ich...", stammle ich, nicht in der Lage eine zufriedenstellende Antwort zu finden.
„Du?!" Die Aggression in seiner Stimme lässt mich zittern. Meine Gedärme ziehen sich zusammen.
„I-ich we-eiß es ni-icht", schluchze ich haltlos. Ich sehne mich nach seiner Berührung. Nach seinen sanften Streicheleinheiten, die mich in solchen Situationen beruhigen. Doch er macht keine Anstalten auf mich zuzugehen. Ich fühle mich einsam und allein.
„Stammle gefälligst nicht!", brüllt er tief und laut und lässt mich zusammenzucken. „Ich will eine Antwort, weshalb du so auf mir herumtrampelst!"
„Severus, ich..." Erneut versagt mir die Stimme. Mein Körper bebt, geschüttelt von den vielen Schluchzern, die meinen Brustkorb verlassen. Mit wackligen Beinen versuche ich erneut einen Schritt auf ihn zuzugehen, doch mit einer harschen Handbewegung gibt er mir zu verstehen, stehenzubleiben.
„Gefällt es dir mich zu verarschen?!" Aufgebracht fährt er sich durch seine Haare, ehe er mit voller Wucht gegen den Bettpfosten schlägt und das gesamte Bett beben lässt. Erneut zucke ich, ob der lauten Geräuschkulisse, zusammen, doch etwas ist dieses Mal anders. Mut und Wille sammeln sich in mir, kämpfen gegen Leid und Trauer an.
„Nein!", schreie ich laut – verzweifelt. Mein Körper zittert unter dem Kampf der Emotionen in meinem Innern. „Severus, bitte..." Meine Stimme ist nun nicht mehr als ein Hauch, der durch der Raum schwebt.
„Was?", presst er zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch. Seine Kiefer mahlen; mein Herz blutet.
„Ich liebe dich doch", flüstere ich mit schmerzverzerrter Stimme. Meine Beine drohen unter mir wegzubrechen, als ich seinen Gesichtsausdruck sehe. Er hat seine Maske abgelegt und zeigt mir offen sein Leid. Sein Mund ist leicht geöffnet, er atmet schwer. Seine schwarzen Augen schimmern im Schein der Lampen und drücken furchtbar viel Leid aus. Leid. Trauer. Schmerz.
„Liebe", flüstert er verletzt. Ich schlucke hart, versuche tief Luft zu holen, doch mein Brustkorb zieht sich vor Leid so sehr zusammen, dass ich gerade genug bekomme, um nicht umzukippen.
In meinem Kopf rasen die Gedanken. Wie kann ich ihm klar machen, dass ich ihn liebe? Nur ihn? Dass ich einen schlimmen Verrat begangen habe und es mir leid tut?
Unaufhaltsam laufen die Tränen über mein Gesicht, meine Unterlippe bebt. Ziellos und hilflos blicke ich durch den Raum, in der absurden Hoffnung etwas zu finden, dass mich erwachen lässt. Denn all das hier kann nur ein schrecklicher Traum sein. Muss ein schrecklicher Traum sein.
Mein Blick bleibt am Kleiderschrank hängen. Ich schlucke den Kloß in meinem Hals herunter, als mich ein kleine Welle, nicht größer als Wasser, das über den Badewannenrand schwappt, Hoffnung erfasst.
So schnell es meine wackligen Beine erlauben, gehe ich zum Schrank, reiße ihn auf und suche.
„Was wird das?!", fragt Severus verzweifelt hinter mir. Ich antworte ihm nicht, suche immer weiter unter meinen alten Klamotten und atme erleichtert aus, als ich endlich die Schatulle in der Hand halte. Wann, wenn nicht jetzt, wäre der einzig richtige Zeitpunkt?
Langsam drehe ich mich zu ihm herum und schaue ihm direkt in die Augen. Noch immer atmet er schwer und hat sein Gesicht zu einer schmerzenden Grimasse verzogen.
„Severus", hauche ich leise, „wir gehören zusammen." Meine Finger öffnen zitternd das edle Holz, während mein Herz mit der letzten Kraft, die es besitzt, gegen meinen Brustkorb hämmert. Kurz darauf wird der gesamte, sonst recht dunkle, Raum von einem hellen Schein erhellt. Severus' Gesicht wirkt in dem hellblauen Licht surreal. Wie gebannt starrt er auf das Glas.
Als er erkennt, was dort vor ihm liegt und – besonders – was es bedeutet, weiten sich seine Augen. Erleichterung macht sich in mir breit und ich atme mehrmals tief durch. Er hat begriffen.
Er hebt den Blick und sieht mir direkt in die Augen. Ich erkenne so etwas wie Faszination und Ungläubigkeit. Doch in einem Sekundenbruchteil ändert sich seine Miene. Sie ist hassverzerrt, eiskalt und wütend. Sehr wütend.
„Du hast mich also all die Zeit belogen?", knurrt er gefährlich leise. Vor Schreck wäre mir die Schatulle beinahe aus den Händen geglitten. Ehe das passieren kann, stelle ich sie vorsichtig zurück in den Schrank.
Als ich wieder gerade stehe und Severus erneut anschaue, schüchtert mich sein Blick unheimlich ein. Ich schrumpfe zusammen. Meine letzte Hoffnung, ihn zu überzeugen, hat genau das Gegenteil bewirkt. Wie ein geschlagenes Tier ziehe ich den Kopf ein, schlage meine Hände vor mein Gesicht und weine. Noch mehr, als ich es vorher getan habe. Alles wirkt verloren.
„Ich habe es getan, weil ich dich liebe", weine ich leise. „Um dir zu zeigen, dass wir zusammengehören." Langsam lasse ich meine Hände sinken und wage es einen Blick auf ihn zu werfen. Sein gesamter Körper ist zum Zerreißen angespannt, seine Halsschlagader pulsiert unter seiner fahlen Haut.
„Ich wollte nie, dass so ein beschissener Trank gebraut wird!", schreit er mich an, während er durch seine Haare fährt. „Und schon gar nicht, ohne mein Wissen! Du hast mich betrogen! Mich hintergangen!" Nicht in der Lage etwas zu antworten, stehe ich einfach nur da. All meine heimlichen Aktivitäten brechen über mich herein, jagen und verfolgen mich und strecken mich nun, nach langer Flucht, nieder. Ich hätte wissen müssen, dass ich all das nicht ewig hätte verheimlichen können. Dass ich es ihm früher hätte sagen müssen. Ich habe mir mein eigenes Grab geschaufelt.
„Du freundest dich mit dem Bastard, der uns Beide aus purem Egoismus hat leiden lassen, an. Vergibst ihm. Sagst mir nicht auch nur ein Sterbenswörtchen davon. Braust hinter meinem Rücken – mit meinen Zutaten – irgendeinen Trank, den ich nie wollte und hältst ihn mir jetzt – gerade jetzt – einfach unter die Nase." Sein Brustkorb hebt und senkt sich schwer, während er spricht. Mein Herz jedoch hat aufgehört zu schlagen. „Du bist ein naives Kind!"
„Severus bitte", wimmere ich. „Ich liebe dich." Meine Sicht ist inzwischen derart verschwommen, dass seine Konturen mit dem Hintergrund verschmelzen. Weshalb ich auch nicht sehe, dass er wütend eine Lampe in die Hand nimmt und sie mit voller Wucht auf den Boden wirft. Lediglich das entsetzliche Scheppern des Metalls und Klirren des Glases lässt mich zusammenzucken.
„Das reicht nicht, Miss Granger!" Seine Stimme lässt meinen Körper frieren. Eine eisige Hand legt sich um mein Herz. Jedes seiner Worte ist mit einer Mischung aus Verachtung und Wut aus seinem Mund getropft.
Ein kalter Luftzug erfasst mich und schlagartig wird mir klar, dass es Severus gewesen sein muss, der an mir vorbeigerauscht ist. Fahrig wische ich mit meinem Handrücken über meine zu gequollenen Augen, um wenigstens für etwas klare Sicht zu sorgen, und stolpere ihm hinter her.
Als ich das Wohnzimmer erreiche, muss ich zu meinem Schrecken feststellen, dass er an der Tür steht. Schmerzhaft krümmt sich meinen Oberkörper.
„Severus, es tut mir leid", schluchze ich leise und es zerreißt mir selbst das Herz. Er hält in seiner Bewegung inne, dreht sich zu mir um und blickt mich an. Die Emotionen, die sich in seinen Augen widerspiegeln, legen ihre eiskalten Hände um meinen Hals und drücken erbarmungslos zu. Ich drohe zu ersticken.
„Mir tut es auch leid." Der Sarkasmus in seiner Stimme ist nicht zu überhören. Meine Gedanken überschlagen sich.
„Wa-was hat das zu bedeuten, Severus?", frage ich mit brüchiger Stimme. Meine Knie wackeln immer heftiger und ich laufe langsam Gefahr, dass sie unter mir zusammenbrechen.
Ohne auch nur ein Wort zu sagen dreht er sich um, seine Robe bauscht sich um seinen Körper auf, und verlässt mit schnellen Schritten und geradem Rücken unsere Räumlichkeiten.
In meiner Brust bildet sich ein schwarzes Loch, das alles in sich hineinsaugt.
„Severus!" Mein schriller, verzweifelter Schrei hallt von den Wänden wieder und geht mir selbst durch Mark und Bein.
Endlich geben meine Knie nach und brechen unter mir weg. Mit meinem gesamten Gewicht schlagen sie hart auf dem kalten Steinboden auf. Mein Kleid rutscht über meine Oberschenkel, sodass ich deutlich spüre, wie meine nackte Haut an den Knien reißt und Blut aus den Wunden sickert. Doch all das nehme ich gar nicht bewusst wahr. Der einzige Schmerz, der sich allgegenwärtig um mich schlingt, ist der in meiner Brust. Der mich aufkeuchen lässt, wenn ich versuche zu atmen.
Die Wunden, die bereits lange verheilt waren, reißen auf und scheinen meinen Körper in zwei Hälften zu spalten. Es brennt, es reißt, es schmerzt.
Hilflos beuge ich mich vorn über, lege meine erhitze Stirn auf den Boden und heiße die Eiseskälte, die er ausstrahlt, willkommen.
Tränen rinnen meine Wangen entlang, tropfen auf den Boden und mein Kleid, vermischen sich mit dem kalten Schweiß, der jeden Zentimeter meines Körpers bedeckt.
Mein Körper bebt und wird von heftigen Schluchzern, die sich wie eine Traufe über mir ergießen, geschüttelt.
„Severus", wimmere ich immer wieder vor mich hin, „es tut mir leid." Geräuschvoll ziehe ich meine Nase hoch, wische mir erneut die grauen Tränen aus dem Gesicht.
Aus einem Impuls heraus, ziehe ich mich am Sofa auf meine wackligen Beine. So schnell es meine lädierten Extremitäten zulassen, verlasse ich die Gemächer. Ich muss ihn finden.
Dieser Gedanke treibt mich immer weiter an. Ich ignorieren die verwirrten und besorgten Blicke der Gäste, denen ich über den Weg laufe. Auch ihre Rufe und Versuche mich anzuhalten, schüttle ich ab. Immer weiter laufend, nichts um mich herum wahrnehmend.
Meine Beine lenken mich, wie mechanisch, auf die Ländereien. Eine winzige und leise Stimme in mir sagt, dass wenn er irgendwo sein könnte, er wohl dort wäre.Keuchend stolpere ich über das Gras. Minerva hat alles hier draußen schmücken lassen, damit auch das Feuerwerk heute Nacht in angemessener Atmosphäre genossen werden kann. Die schwebenden Lampions, die den Weg zu einem riesigen Pavillon säumen, erscheinen mir viel zu hell und brennen in meinen verweinten Augen. Doch ich kann allem um mich herum keine Aufmerksamkeit schenken, muss ich doch Severus finden.
„Severus!" Meine Stimme hallt über die dunklen Wiesen und den Schwarzen See, ehe sie sich in der Schwärze der Nacht verflüchtigt.
Die kühle Nachtluft friert die Tränen auf meinen Wangen ein, lässt mich zittern. Ich schließe die Augen und brülle erneut seinen Namen, stumme Gebete gen Merlin schickend, dass er sich mir zeigt.
Als ich an meinem Arm gepackt werde, rutscht mir mein Herz, ob der unerwarteten Berührung, in die Hose. Für einen kurzen Augenblick hoffe ich, dass es Severus ist, doch ich starre bloß in zwei wahnsinnige Augen, ehe ich einen lauten Knall höre. Ein spitzer Schrei – wahrscheinlich mein eigener – ertönt, daraufhin Stille.
Das letzte, das ich sehe, ehe alles um mich herum schwarz wird, ist ein grüner Blitz, der von einem irren Lachen begleitet wird.
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Komm, unsere Herzen zeigen uns den Weg
FanfictionHermines Karriere läuft nun doch anders, als bisher geplant. Aber das macht ihr nichts aus, denn immerhin hat sie ihre große Liebe an ihrer Seite. Severus Snape. Endlich können die beiden ein glückliches, gemeinsames Leben führen, oder doch nicht? M...