Kapitel 46 - Ein Severus Snape ist niemals nervös - oder doch?

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Kapitel 46 - Ein Severus Snape ist niemals nervös - oder doch?

*Severus' Sicht *

„Muss das wirklich sein?", frage ich gereizt, mich beinahe am Rand der Verzweiflung befindend, und fahre mir durch die Haare. An den Bettpfosten gelehnt, meinen Blick auf Hermines Rücken durch die geöffnete Badezimmertür gerichtet, seufze ich lautlos auf.
„Ja, das muss sein", gibt sie zurück, während sie versucht ihre Haarpracht zu bändigen. „Sie fragen schon ständig nach dir." Mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen dreht sie sich zu mir um und raubt mir den Atem. Sie ist wunderschön. Mein Herz macht einen Satz und eine angenehme Wärme durchflutet meinen Körper.
Ich stoße mich vom Pfosten ab und gehe auf sie zu. Als ich vor ihr stehe, umfasse ich mit beiden Händen ihre Taille und ziehe sie dichter zu mir heran. Lavendel- und Pfirsichduft steigen in meine Nase und ich sauge sie gierig ein.
„Wir müssen los", murmelt sie gegen meine Brust, was mich dazu bringt mein Gesicht zu einer Grimasse zu verziehen.
„Ich verstehe noch immer nicht, wieso das wirklich sein muss", gebe ich zurück, als ich sie freigebe und einen Schritt von ihr wegtrete. Ihre braunen Augen brennen sich in meine, während sie meinen Blick gefangen nimmt.
Ein sanftes Lächeln stiehlt sich auf ihre Züge, ihre Beine tragen sie wieder einen Schritt zu mir heran und ihre Hand legt sich zart auf meine Wange. Augenblicklich schmiege ich mich in die Berührung.
„Du denkst zu viel, Severus. Es wird toll werden, das verspreche ich dir. Meine Eltern freuen sich schon sehr dich kennenzulernen."

Mein Blick hängt an der weißen Eingangstür. Natürlich sitzt meine Maske perfekt, doch ich bin innerlich ungewohnt aufgekratzt, beinahe nervös – auch wenn ich das niemals zugeben würde.
„Bereit?" Ein zauberhaftes Lächeln breitet sich auf Hermines Gesicht aus und sie drückt aufmunternd meine Hand, die sie noch vom Apparieren umklammert hält.
Ich atme einmal tief durch und nicke kaum merklich, ehe sie zweimal an die Tür klopft. In meinem Kopf kreisen tausend Gedanken und tief im Innern hasse ich mich selbst dafür, dass ich mich von so etwas so dermaßen nervös machen lasse. Was ist dabei? Ich lerne ihre Eltern kennen. Ja und?
Eine leise Stimme in meinem Kopf ruft mir zu, dass Angst davor habe, dass ihre Eltern das sehen, was ich selbst seit Monaten sehe. Dass ich nicht gut genug für sie bin. Dass ich zu alt für sie bin. Dass ich ihre vielversprechende Zukunft ruiniert habe.
Bevor ich einen weiteren Gedanken fassen kann, wird die weiße Tür geöffnet und eine Frau mit braunem Haar steht vor uns.
„Hermine, Liebling! Wie schön!", ruft sie freudig aus und zieht ihre Tochter sogleich in eine herzliche Umarmung.
„Hey, Mum", murmelt sie gerade noch, ehe sie so fest gedrückt wird, dass ihr der Atem stockt. Mein Herz pumpt ungewöhnlich schnell, als sich die grünen Augen der Frau auf mich richten.
„Und das muss dann Mr. Snape sein", sagt sie höflich, nachdem sie ihre Tochter aus der Umklammerung freigelassen hat, und streckt mir eine Hand hin, die ich sogleich ergreife.
„Mrs. Granger", begrüße ich sie förmlich und nicke.
„Na dann kommt mal rein", säuselt sie fröhlich, dreht sich um und läuft davon. Hermine schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln, ehe sie vorangeht. Ich sehe mich kurz um, schlucke einmal hart und folge den beiden Frauen schließlich durch den Flur.
Mein Blick gleitet über die Einrichtung und ich fühle mich schlagartig unwohl. Es ist alles – ganz im Gegensatz zu meinen Privatgemächern in Hogwarts – hell, weiß und freundlich. Ein Schauer läuft über meinen Rücken und ich muss mich kurz, kaum merklich, schütteln.
Der lange Flur endet und geht in einen recht großen Raum über – wohl das Wohnzimmer – in dem ein braunhaariger Mann – höchstwahrscheinlich Hermines Vater –  im Sessel sitzt, der freudestrahlend aufspringt, als er seine Tochter erblickt, und sie ebenso herzlich umarmt, wie es ihre Mutter getan hat. Steif bleibe ich in der Tür stehen, das Szenario vor mir beobachtend. Wie bei Merlins Bart soll ich mich verhalten?
„Daddy, ich hab da jemanden mitgebracht, den ich euch endlich vorstellen möchte", verkündet Hermine beinahe feierlich und dreht sich mit ihrem Vater im Arm lächelnd zu mir um. Das Lächeln auf seinem Gesicht hingegen ist verflogen, sodass er mich mit einem beinahe genervt neutralem Gesichtsausdruck ansieht. Ich würde es nie zugeben, doch mein Herz schlägt mir mittlerweile bis zum Hals und meine unruhigen Hände sind hinter meinem Rücken verschränkt.
„Mr. Snape, richtig?", fragt er höflich, als auch er mir förmlich seine Hand hinhält. Mit festem Händedruck erwidere ich seine Begrüßung. „Mr. Granger."
„Setzt euch doch", fordert Mrs. Granger freundlich. „Wollt ihr was trinken oder essen?"
„Für mich nichts, Mum. Danke", antwortet Hermine, während sie mich mit auf das weiße Sofa zieht und fragend ansieht. „Severus, du etwas?"
Ich schüttle den Kopf. „Nein, danke." Steif sitze ich auf dem Sofa und lasse meinen Blick durch das Zimmer schweifen, nicht wissend, wo ich sonst hinschauen soll. Ich sehe etliche Bücher, die in einer beachtlichen Schrankwand verstaut sind. Wie gerne würde ich darin stöbern, in der Hoffnung etwas zu finden, das ich noch nicht gelesen habe. Die Chancen stehen immerhin recht gut, wenn man bedenkt, dass ich in einem Muggelhaushalt bin.
„Na dann", seufzt Mrs. Granger ergeben und setzt sich in den anderen Sessel neben ihrem Mann – direkt gegenüber vom Sofa. „Was verschafft uns die Ehre eures Besuches?"
Mein Blick trifft Mr. Granger, der mich eindringlich mustert. Seine braunen Augen liegen auf mir, man muss kein Meister in Legilimentik sein, um zu erraten, was er denkt.
„Heute ist der achtundzwanzigste Oktober, Mum. Ich wollte euch gratulieren", lacht Hermine neben mir. Ich eise meinen Blick von ihrem Vater los und schaue dezent verwirrt zu ihr.
„Oh. Aber wir haben doch gar nichts besonderes geplant", gibt ihre Mutter verlegen zurück.
„Das ist doch irrelevant. Euer neunundzwanzigster Hochzeitstag muss gefeiert werden", antwortet Hermine eindringlich. Hochzeitstag? Sie hat mich tatsächlich dazu genötigt ihre Eltern an deren Hochzeitstag zu besuchen? Meine Muskeln spannen sich an.
„Na, reden wir lieber über euch", wiegelt die Frau, die sich etwa in meinem Alter befindet, ab. Sie und ihr Mann sind allerhöchstens fünf Jahre älter, als ich. Meine Hände verkrampfen sich. Wie könnten sie mir jemals ihren Segen geben, ihre Tochter zu lieben?
„Ist Ihnen nicht warm, Mr. Snape?", fragt ihr Vater und betrachtet vielsagend meine Robe.
„Nein, Sir, es geht. Danke", antworte ich hölzern. Mein Puls rast. Merlin, ich bin nervös. Ein Severus Snape ist niemals nervös. Niemals. Zu keinem Zeitpunkt. Wieso lasse ich mich von ihren Eltern nur so aus dem Konzept bringen? Wäre ich nicht auf Perfektion trainiert, würde das hier eine ganz jämmerliche Angelegenheit werden.
„Und Sie waren also der Professor, der sie schikaniert hat, während ihrer Schulzeit?", setzt er seine Befragung fort.
„Dad!", protestiert Hermine neben mir und schenkt mir einen entschuldigenden Blick. Ich atme einmal tief durch und sammle meine Gedanken.
„Ich denke, dass ich Ihre Tochter bloß auf den richtigen Weg gebracht habe", antworte ich schlicht.
„Indem sie Kinder drangsalieren?", fragt er erbost nach. Ich schlucke den Kloß in meinem Hals herunter.
„Ich habe es eher als eine erzieherische Maßnahme gesehen", versuche ich mich rauszureden und zähle bereits jetzt die Minuten, bis ich endlich wieder gehen kann.
„Harvey, lass das. Wie es aussieht, haben die Beiden ihre Differenzen geklärt. Würde er sonst hier auf unserer Couch sitzen?", schreitet Mrs. Granger ein und ich bin überaus dankbar dafür. Allerdings ändert es nichts an dem grimmigen Blick ihres Mannes, den er mir nach wie vor zuwirft.
„Und wann heiraten Sie sie? Ich hoffe bevor die Kinder kommen", sagt er nun, lehnt sich in seinem Sessel zurück und trinkt genüsslich einen Schluck des Tees, der auf dem kleinen Tisch neben ihm steht.
Ich ziehe mein Gesicht zu einer Grimasse, nicht wissend, wie ich darauf antworten soll. Wie denn auch? Schließlich habe ich selbst bereits den Zeitpunkt verschoben, weil ich zu feige war ihr einen Antrag zu machen. Weil ich wiedereinmal davon überzeugt war, dass ich nicht gut genug für sie bin.
„Ich habe mir darüber bisher keine Gedanken gemacht, Sir", gebe ich zurück und könnte mir just in diesem Moment einen Todesfluch auf den Hals hetzen. Wann hört diese Farce endlich auf?
„Geplant ist jedenfalls nichts. Nicht jetzt und auch nicht in naher oder ferner Zukunft", ergreift Hermine das Wort. Sie hat inzwischen gemerkt, wie unangenehm mir das Ganze ist und wirkt wütend auf ihren Vater. Ihre Hand sucht die Meine und umklammert sie schließlich, als sie sie findet.
„Das heißt wir bekommen keine Enkelkinder?" Mrs. Granger wirkt schockiert. „Hermine, Schatz, du bist unser einziges Kind!"
„Mum, ich denke, dass das ja sehr wohl Severus' und meine Entscheidung ist. Ihr habt da rein gar nichts mitzureden!" Hermines Griff um meine Hand wird immer stärker, ich merke deutlich, wie sie ihre Wut zu zügeln versucht. Ich habe das Gefühl etwas sagen zu müssen, doch ich bin wohl das erste Mal in meinem Leben sprachlos. Ich wusste immer, dass ihre Eltern mich für nicht angemessen erachten. Wer kann es ihnen verdenken? Ich bin der wohl schäbigste Mann auf diesem merlinverdammten Planeten und ihrer Tochter in keinem Belangen würdig.
Eine Welle aus Selbsthass überrollt mich. Ich wusste, dass das kein gutes Ende nehmen würde.
„Wie alt waren Sie gleich, Mr. Snape? Einundvierzig? Zweiundvierzig? Läuft Ihnen nicht die Zeit davon?" Mr. Granger trinkt einen weiteren Schluck Tee.
„Solange ich noch aufrecht gehen kann, denke ich sollte alles im grünen Bereich sein." Ich habe nur schwer Mühe das Knurren in meiner Antwort zu unterdrücken. Auch ich werde langsam wütend. Meine Halsschlagader beginnt bereits unheilvoll zu pochen, weshalb ich mir weiter die Bücher betrachte.
„Lieben Sie unsere Tochter, Mr. Snape?" Mein Blick huscht zu ihrem Vater, während sich meine Wut  verflüchtigt. Stocksteif und mit geradem Rücken sitze ich auf dem Sofa und wirke in meiner schwarzen Gestalt wahrlich deplatziert in diesem weißen Raum. Ich will mir nicht ausmalen, was für einen absurden Kontrast ich abgeben muss.
„Ja", antworte ich ehrlich. Ja, ich liebe sie. Die Frage ist, ob das genügt. Die braunen Augen ihres Vaters bohren sich in meine und ich spüre, dass auch die ihrer Mutter auf mir liegen.
„Dann soll es uns recht sein", sagt er lapidar und winkt ab. „Aber passen Sie bloß gut auf mein Mädchen auf."
„Das werde ich, Sir", erwidere ich und spüre, wie sich ein Teil der Anspannung von mir löst.

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