Kapitel 47 - „Du. Verfolgst. Mich?!"
*Hermines Sicht *
In den letzten sieben Tagen, konnte ich mich bei Severus gar nicht oft genug entschuldigen. Noch immer schäme ich mich für das Verhalten meiner Eltern. Ich kann mir nur grob vorstellen, wie unangenehm ihm das Ganze gewesen sein muss.
Ich seufze leise und streiche mir eine verirrte Strähne aus dem Gesicht. Mit einem Schwenk meines Zauberstabes rufe ich einen Tempuszauber auf. In fünf Minuten geht meine nächste Stunde los. Die Studenten.
Mein Puls beschleunigt sich. Ich habe mit Draco seit dem Angriff nicht sprechen können, weil er meinen Unterricht nicht besucht hat. Und da ich ihn ohnehin schon fast nie sehe, könnte ich nicht mal beschwören, ob er wirklich in Hogwarts war. Wahrscheinlich wird er für eine Zeit untergetaucht sein, falls Severus etwas mitbekommen hat. Dabei würde ich so gerne mit ihm sprechen. Ich will erfahren, was passiert ist. Wo er plötzlich herkam und ob er vielleicht doch etwas gesehen hat.
Ich seufze erneut. Wie soll ich etwas bekämpfen, wenn ich nicht weiß, womit ich es zu tun habe? Und wie bei Merlins Bart soll ich all das noch vor Severus geheim halten? Jetzt habe ich endlich ein Seelenglas, weiß aber bis heute nicht, wann und vor allem wie ich den Trank dazu brauen soll. Ich muss irgendwo ein Rezept dazu finden, dazu muss ich bei Gelegenheit Severus' ganzes Repertoire durchforsten.
Ein lautes Klopfen reißt mich aus meinen Gedanken. Verwirrt blinzle ich zur Uhr.
„Kommt rein", rufe ich, als ich erkenne, dass die Stunde jetzt losgeht. Eine Traube aus Studenten strömt in den Raum, doch ich beachte sie nicht. Stattdessen ordne ich meine Unterlagen, schreibe mit meinem Zauberstab den heutigen Themenpunkt an die Tafel und erhebe mich mit einem lautlosen Stöhnen vom Stuhl.
„Guten Tag", sage ich, als ich vor der Klasse stehe, doch meine Begrüßung bleibt mir beinahe im Hals stecken. Mein Herz beginnt zu rasen und ich schlucke mehrmals, bis ich den Kloß runter bekommen habe, der es mir unmöglich machte zu sprechen.
Vor mir sitzt ein breit grinsender Platinschopf.„Das war's dann auch für heute. Nächste Woche hätte ich gerne zwei Pergamente zum Thema Runen und ihre Anwendung im Mittelalter", ende ich meine Stunde und ich spüre deutlich, wie mir der riesige Stein vom Herzen fällt. Ich habe es überstanden. Jetzt muss ich nur noch endlich mit Draco sprechen.
„Mr. Malfoy", sage ich, ehe ich mich räuspere, „würden Sie bitte noch einen Moment herkommen?" Sein Grinsen wird eine Nuance breiter, er fährt sich durch sein hellblondes Haar, welches ihm leicht in die Stirn fällt und kommt lässig auf mich zu geschlendert.
„Natürlich, Professor." Sein schelmischer Tonfall ist nicht zu überhören und ich muss stark gegen den Drang ankämpfen zu schmunzeln. Keiner der Studenten soll irgendeinen Verdacht hegen, dass wir befreundet wären oder ähnliches. Ehe ich mich versehe, entstehen Gerüchte und die machen sich im rasend schnell im Schloss breit. Etwas, das ich nun wirklich nicht gebrauchen kann.
Mit einem verstohlenen Blick über seine Schulter vergewissere ich mich, dass der Klassenraum restlos leer ist, ehe ich mit meinem Stab die Tür schließe.
Ich atme einmal tief durch und wende mich zu ihm. Sein überhebliches Grinsen ist einem sanften Lächeln gewichen und ich spüre eine seltsame Vertrautheit in mir aufsteigen. Kaum merklich schüttle ich den Kopf.
„Wo warst du?", frage ich gerade heraus. Er zieht eine Augenbraue in die Höhe, was mich unwillkürlich an Severus erinnert. Mit aller Kraft versuche ich das schlechte Gewissen, das dabei ist sich in mir auszubreiten, zu unterdrücken. Dafür habe ich jetzt keine Zeit.
„Ich freue mich auch dich wiederzusehen", säuselt er in typischer Malfoymanier. Ich lege meinen Kopf schräg und mustere ihn eindringlich. Er verdreht die Augen, was mich nun tatsächlich dazu bringt zu schmunzeln.
„Ich dachte, es wäre besser, wenn ich mich ein paar Wochen nicht blicken lasse", gibt er zurück, während er gedankenverloren mit einem Stift auf meinem Schreibtisch spielt. „Genauer gesagt, habe ich mich für einige Zeit bei meiner Mutter in Griechenland einquartiert." Mir stockt der Atem. Hatte er tatsächlich solche Angst davor, von Severus gefunden zu werden? Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen. Das hat selbst Draco nicht verdient.
„Gut...", murmle ich, nicht in der Lage etwas anderes dazu zu sagen. Er tut mir furchtbar leid. „Ich würde gerne wissen, wieso du plötzlich da warst." Sein Blick trifft meinen und plötzlich füllt sich mein Körper mit der Wärme der Vertrautheit. Ich denke an die Abende, an denen ich in seinen Armen gelegen habe. Die kleinen Sterne, die ich an die Decke gezaubert habe. Die Freude, dich ich immer empfand, wenn ich ihn sah. Seine Unterstützung, als ich blanke Panik davor hatte mit – dem totgeglaubten – Severus in einem Raum zu sein. Seine Umarmungen und die zarten Berührungen. Unsere Freundschaft.
Schnell schaue ich weg. Ich sollte sauer, wütend auf ihn sein, dass er mir beinahe alles zerstört hat, aber bin ich nicht ein Stück weit auch selbst dran schuld? Habe ich ihn nicht erst dazu getrieben, zu so etwas in der Lage zu sein? Ich habe ihm Hoffnungen gemacht, wenn auch unterschwellig. Wenn auch ungewollt. Eine Faust aus Eis legt sich um mein Herz.
„Ich muss zugeben, selbst wenn es mir unangenehm ist, dass ich dich beobachte", antwortet er leise und reißt mich aus meinen Gedanken. Mein Gehirn verarbeitet langsam die Information und mit jedem Wort, das ich mehr verstehe, lockert sich die Faust um mein Herz und macht brennender Wut Platz.
„Du. Verfolgst. Mich?!", presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, während ich mich mit beiden Händen auf meinem Schreibtisch abstütze. Sofort hebt Draco abwehrend die Hände.
„So würde ich das jetzt nicht ausdrücken", sagt er gehetzt, seine Augen weit aufgerissen.
„Wie sonst?", hake ich überdeutlich gereizt nach. In meinen Venen brodelt die Wut. Die Wut darüber, dass er sich erlaubt mich auszuspionieren. Mir nachläuft, ohne dass ich es merke.
Seine Miene ändert sich. Von entschuldigend und beschwichtigend, zu wütend.
„Ich bin eher der Meinung, dass ich deinen verdammten Arsch gerettet habe!", brüllt er mich an und ich zucke kurz ob des Ausbruchs zusammen.
„Miss Granger, Sie sollten sich lieber von ihm fernhalten", knurrt Severus' Stimme in meinem Kopf. Fast hätte ich geschmunzelt, kenne ich diesen Satz doch mehr als gut.
„Das erklärt aber nicht, wieso du mich verfolgst!", brülle ich ebenso zurück. Wie kann er nur glauben, dass ich es für vollkommen in Ordnung halte, dass er mich stalkt, nur weil er mir geholfen hat.
Wieder verändert sich seine Miene und mir stockt der Atem. Seine sturmgrauen Augen drücken so unendlich viel Leid aus, dass es mir beinahe physische Schmerzen bereitet. Er fährt sich durch sein Haar, das bei seinem Ausbruch tief in seine Stirn gefallen ist.
„Weil ich wissen muss, ob es dir gut geht", flüstert er so leise, dass ich es beinahe nicht verstehe. Jede Wut fällt von mir ab, wie die Blätter, die sich nun gänzlich dem Herbst hingeben und die Erde in ihrer schillernden Farbenpracht bedecken.
Er sorgt sich um mich.
„Es... Es tut mir leid", flüstere ich genauso leise und sacke kraftlos auf meinem Stuhl zusammen. Er hat mich gerettet, mich vor eventuell weit Schlimmerem bewahrt, als der Schock, den ich an diesem Morgen davongetragen habe. Ich sollte ihm dankbar sein, stattdessen fühle ich mich angegriffen, dass er mich ohne mein Wissen beobachtet. Wie dämlich bin ich eigentlich?
„Schon okay", murmelt er verlegen und spielt erneut mit meinen Stiften. Ich beobachte eine gefühlte Ewigkeit seine geschickten Finger, wie sie die Stifte immer wieder von einer Seite zur anderen schieben, drehen und sie kreiseln lassen, ehe ich das Wort ergreife.
„Wer?", ist meine schlichte Frage, doch er begreift sofort. Seine Augen weiten sich einen Moment, ehe er den Blick traurig gen Schreibtisch senkt.
„Todesser", knurrt er leise, „ich habe nur die Maske gesehen." Die Knöchel seiner Finger treten weiß hervor, als er seine Hände zu Fäusten ballt. Ich kann jede Sehne und die blauen Adern unter seiner weißen Haut erkennen.
In mir jedoch sieht es anders aus. Todesser. Bei diesem Wort ist etwas in mir zerbrochen. Der Verdacht war ja schon lange da, doch nun die Gewissheit zu haben, dass ein überlebender, nach Rache dürstender, Todesser hinter Severus – und auch mir – her ist, nimmt mir jeden positiven Gedanken, an den ich mich die letzten Wochen geklammert habe. Jeder Optimismus, den ich wie ein zartes Pflänzchen gehegt und gepflegt habe, ist nun mit einem Mal zertrampelt worden.
Ich fühle mich leer. Leer und ängstlich. Eine panische Angst breitet sich in mir aus. Ich sehe Severus vor mir, wie er mit Harry auf eine Mission geht und angegriffen wird. Wie sie in einen Hinterhalt gelockt werden, weil der Todesser mitbekommen hat, dass sie nach ihm suchen.
Ich sehe Blut und Leichen, genau wie vor ein paar Jahren. Augenblicklich wird mit übel. Keuchend beuge ich mich nach vorn, meine Hand fest an meine Brust gepresst.
„Mine!", ruft Draco und nur wenige Sekunden später spüre ich ihn neben mir, seinen Arm um mich gelegt. „Ist alles in Ordnung?"
Langsam schüttle ich den Kopf, ehe ich ihn zu Draco drehe. Seine Augen spiegeln pure Sorge wider, seine Augenbrauen sind tief in sein Gesicht gezogen.
Angestrengt versuche ich meine Atmung zu beruhigen, während mir tausend Gedanken durch den Kopf jagen. Der Krieg hat mit gereicht. Ich habe genug Leid, Blut und Schmerz gesehen. Als Voldemort besiegt war, ist alle Last von mir abgefallen und ich habe tagelange geweint. Alle Dämme, die ich errichtet habe, sind gebrochen und als mir bewusst wurde, dass alles zu Ende war, habe ich neuen Lebensmut geschöpft. Ich habe gelernt das Leben wertzuschätzen. Und als ich Severus traf und sich unsere Schicksale so sehr miteinander verbanden, dass sie nichts zu trennen vermag, habe ich endlich wieder eine Zukunft für mich und mein Leben gesehen. Doch nun scheint eine neue – unüberwindliche – Hürde vor uns zu stehen. Jemand trachtet nach unserem Leben.
„Ich passe auf dich auf", flüstert Draco neben mir, während seine Hand unablässig meinen Rücken streichelt. „Das werde ich immer tun."
Mein Herz setzt einen Schlag aus. Ich habe Draco unrecht getan, nur weil er etwas in verblendeter Absicht getan hat. Er hat begriffen und er ist mir zu wichtig, als dass ich ihn von mir stoße.
„Danke", hauche ich und schlinge meine Arme um ihn. Für eine Sekunde scheint er wie betäubt, doch dann legt er seine Arme ebenfalls um mich und vergräbt seine Nase in meiner Halsbeuge.
Es fühlt sich gut an, wieder so vertraut mit ihm zu sein. Doch Severus darf davon – vorerst – nichts erfahren. Ich muss ihm erst beweisen, dass wir zusammengehören, sonst wird er sich nie dazu erwärmen können Draco zu verzeihen.
Wilde Entschlossenheit durchfährt mich. Ich werde diesen Trank brauen. Besser gestern, als heute.
DU LIEST GERADE
Komm, unsere Herzen zeigen uns den Weg
FanfictionHermines Karriere läuft nun doch anders, als bisher geplant. Aber das macht ihr nichts aus, denn immerhin hat sie ihre große Liebe an ihrer Seite. Severus Snape. Endlich können die beiden ein glückliches, gemeinsames Leben führen, oder doch nicht? M...