Kapitel 37 - Befürchtungen

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Kapitel 37 - Befürchtungen

Nachdem ich am nächsten Morgen meinen morgendlichen Lauf absolviert habe – natürlich mit dem Desillusionierungszauber – gehe ich duschen und mache mich danach fürs Frühstück fertig. Immer wieder schwirren mir leidende graue Augen und platinblonde Haare durch den Kopf und mir ist aufgefallen, dass ich ihn, seitdem das neue Semester begonnen hat, noch nie in der Großen Halle habe essen sehen. Und Severus scheint sich auch nicht gefragt zu haben, weshalb Draco seinen Unterricht nicht mehr besucht, beziehungsweise, wo er geblieben ist. Ich denke, dass er einfach nicht mehr an ihn denken will und damit rechnet, dass er die Schule verlassen hat.
Während ich meine Bluse zuknöpfe, spüre ich, wie mir plötzlich alles Farbe, aus dem Gesicht weicht.
Severus weiß, dass Draco noch in Hogwarts ist. Er weiß, dass er mich bereits beim Joggen beobachtet hat. Ich selbst habe es ihm gesagt. Meine Hand beginnt an meinem Knopf zu zittern und ein ausgezehrtes, schockiertes Gesicht starrt mich im Spiegel an. Wieso hat Severus noch nie nach Draco gefragt? Es muss doch wissen wollen, wo er sich aufhält, wenn er nicht in seinem Unterricht ist. Severus würde niemals einfach hinnehmen, dass er eben da ist – wo auch immer. Keuchend stütze ich mich mit beiden Händen auf dem Waschbecken ab, meinen Blick ins graumelierte Porzellan gerichtet.
Es wird schon seine Gründe haben, weshalb ich nicht nachgefragt habe", schnarrt seine Stimme in meinem Kopf und jagt mir einen Schauer über den Rücken. Langsam schüttle ich meinen Kopf. Was ist, wenn er längst weiß, dass Draco meinen Unterricht besucht? Was ist, wenn er nur darauf wartet, bis ich endlich die Wahrheit sage? Was ist, wenn...?
Abrupt werden meine Gedanken durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen.
„Wie lange brauchst du denn noch?", fragt Severus betont genervt. Ich schlucke den Kloß in meinem Hals herunter und bemühe mich um eine feste Stimme.
„Gleich", rufe ich so normal wie möglich, ehe ich ein Schnauben zur Antwort bekomme. Mit nach wie vor zittrigen Händen drehe ich den Wasserhahn kalt auf, fülle meine Hände mit dem frostigen Wasser und halte anschließend mein Gesicht in das kalte Nass. Jede erwärmte Pore saugt gierig das Wasser auf, als wäre meine Haut ein ausgetrockneter Schwamm. Das kühle Nass rinnt mir den Hals und die Kehle entlang, bis in meine Bluse hinein und schließlich über meine Brüste. Mein gesamter Körper wird dadurch belebt und meine Gedanken ordnen sich. Ich entleere meine Hände ins Waschbecken, schließe meine Augen und seufze leise.
Ich muss etwas tun, um herauszufinden, ob Severus sich jemals Gedanken darüber gemacht hat. Und da bleibt mir nur eine Möglichkeit. Ich werde ihn fragen müssen. Ich werde versuchen müssen unterschwellig an die Informationen zu kommen, die ich so dringend benötige. Mein Herz pocht schnell und die Angst rast mir wie ein Feuerblitz durch die Adern, doch mir bleibt keine andere Möglichkeit. Sonst werde ich nie wissen, ob er Bescheid weiß oder wenigstens einen Verdacht hegt.
Fahrig fischen meine Finger nach einem Handtuch. Als sie es zu greifen bekommen, trockne ich mein Gesicht damit, atme noch einmal tief durch und betrachte mich im Spiegel.
„Du schaffst das", murmle ich leise, zupfe meine Bluse zurecht und verlasse das Badezimmer.

„Was hast du denn so lange da drin gemacht?", fragt mich Severus mit seiner unverkennbaren Art prompt, als ich einen Fuß ins Schlafzimmer setze. Mein Blick sucht den Raum ab und bleibt an seiner imposanten schwarzen Gestalt hängen, die entspannt an einem Pfosten unseres Bettes lehnt. Sein Gesicht sieht leicht amüsiert aus und ich erkenne, dass er mich mit einem abschätzenden Blick bedenkt, eine Augenbraue hochgezogen.
„Ich war duschen, falls es dich interessiert", gebe ich zurück, in der Hoffnung meine Unsicherheit von eben zu überspielen. Jedes Mal, wenn ich ihn anlüge, hämmert mein Herz gegen meinen Brustkorb und ich habe immer wieder Angst, dass er es hören könnte.
Dass er sich abrupt vom Bett abstößt und schnellen Schrittes auf mich zukommt, ist meinem Befinden nicht sonderlich zuträglich. Dicht an mir dran bleibt er stehen. Ich kann seinen Duft riechen, seine Wärme spüren und seinen Atem hören. Eine sachte Gänsehaut legt sich über meinen Körper, als seine rauen Finger meinen, noch vom Wasser feuchten, Hals erkunden.
„Und wieso wurde ich nicht eingeladen dem beizuwohnen?", fragt er leise, seine Reibeisenstimme jedes Wort umspielend. Die Schmetterlinge in meinem Magen fliegen Saltos und meine Gedanken kreisen so sehr, dass ich keine passenden Worte finde.
„Weil... Ich... Ähm...", stammle ich intelligent und erhalte sogleich ein leises, raues Lachen zur Antwort.
„Keine Sorge, ich war bereits, als du noch deine Leibesübungen vollzogen hast", haucht er mir entgegen und sein kräutergeschwängerter Atem vernebelt mir die Sinne. Dieser Mann hat eine solche Wirkung auf mich, dass es beinahe beängstigend ist. Innerlich rufe ich mich zur Räson, immerhin kann ich so kein ordentliches Gespräch mit ihm führen. Alle Kraft aufbringend versuche ich meine Gedanken zu ordnen und meinen Herzschlag zu beruhigen. Ich atme zweimal tief durch, schließe die Augen und bemühe mich seine Berührungen auszublenden. Leider gelingt es mir nur mäßig, weshalb ich sehr froh bin, als er von mir ablässt und zu sprechen beginnt.
„Wollen wir frühstücken?", fragt er mit einem Munkeln leicht nach oben gezogen.
„Ja, gerne", hauche ich atemlos und starre ihn an. Sein Mundwinkel zieht sich noch etwas weiter nach oben, als er mich von oben bis unten mustert, bis er sich schwungvoll auf dem Absatz umdreht und mit aufgebauschten Roben das Schlafzimmer in Richtung Wohnzimmer verlässt. Noch einmal tief durchatmend lege ich mir bereits die Worte zurecht, die ich ihm später sagen werde, ehe auch ich mich auf den Weg in die Große Halle begebe.

Komm, unsere Herzen zeigen uns den WegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt