Personal Agent

Kapitel 6

Laut schrillte mein Wecker los. Ich stöhnte und vergrub meinen Kopf im Kopfkissen. Wer war bloß auf die blöde Idee gekommen so etwas zu erfinden?

Leider hörte das nervtötende Geschrille einfach nicht mehr auf. Stöhnend tastete ich mit einer Hand auf meinem Nachttisch herum bis ich schließlich (Vorher hatten meine Nachttischlampe und einige andere Dinge bereits den Weg zum Boden gefunden) auf das kalte Metall meines Weckers stieß. Ich drückte auf den Ausknopf und verkroch mich noch tiefer in dem Deckengewühl, das mich umgab. Meine Augen schlossen sich wieder und ich dämmerte weg.

Die Zeit verann...und verann...und irgendetwas fehlte...Meine Mum hätte längst kommen müssen, um mich wie ein Huhn aus dem Bett zu scheuchen. Doch sie kam und kam nicht. Hatte ich irgendetwas verpasst? War sie krank geworden? Meine Gedanken ebbten langsam ab und meine Augenlieder wurden immer schwerer. Sie fielen mir schließlich zu und ich döste leicht vor mich hin. Meine Gedanken verirrten sich in eine wunderbare Traumwelt, in der ich nicht das kleine dumme Mädchen war, sondern groß, sexy und bewundert, mit anderen Worten: Miranda. Sie war für mich schon immer ein Vorbild gewesen.

Ein nerviges und anhaltendes Hupen holte mich wieder aus meinem Schlaf. Ich riss meine Augen auf. Ein lautes "Ruhe!" erklang von draußen. Sehr zu meinem Entsetzen klang es wie das meines Vater. Doch wann hatte er das letzte Mal geschrien? Noch nie! Unsere Haustür klatschte so laut zu, dass ich es bis in mein Zimmer hörte und das sind immerhin drei Geschosse. Ich krabbelte aus meinem Bett und lief, halb torkelnd die Treppen hinunter. Was war geschehen? Warum verdammt schrie mein Vater? Das klingt vielleicht jetzt komisch, aber er war noch NIE laut geworden! Auf den letzten Stufen wurde ich langsamer. Ich hörte meinen Vater und meine Mutter lautstark diskutieren. "Lass mich in Ruhe!", hörte ich meinen Dad ärgerlich sagen. "Aber das kannst du nicht machen!", schluchzte meine Mum. Moment mal? Sie schluchzte? Meine Mum? Das tat sie nie! Warum hatten sie Streit? Das war noch niemals vorgekommen!  Was war bloß los? Besorgt runzelte ch meine Stirn.

"Du weißt genau, dass ich fair bin.", knurrte mein Dad. Ich sprang die letzten Stufen herunter und bog um die Ecke in den Flur. Entsetzt blieb ich stehen. An den Wänden des Hausflurs stapelten sich bunte Reisetaschen. Mein Vater hatte zwei von ihnen in der Hand und stand meiner Mum gegenüber.

"Was ist hier los?", fragte ich verwirrt und ängstlich zugleich. Meine Eltern schauten mich erschrocken an. Mein Vater umklammerte seine Reisetasche fester, während meine Mum auf mich zusprang und mir über den Kopf streichelte. "Nichts mein Schatz, nichts.", versuchte sie mich zu beruhigen und drückte mich an sich.

Das konnte sie bei einer fünfjährigen machen, aber doch nicht bei mir! Ärgerlich befreite ich mich aus der Umarmung und schaute meine Eltern zornig an. Meine Mum ließ ihre Arme hilflos sinken, während mein Dad sich langsam eine weitere Reisetasche unter den Arm klemmte. "Was ist los?", wiederholte ich meine Frage und betonte dabei jedes Wort einzeln. Hastig antwortete mein Dad: "Ich.. ähm...mache eine Geschäftsreise." Ja genau eine Geschäftsreise. Das kaufte ich ihm jetzt toootal ab! Wollte der mich für dumm verkaufen?  "Du arbeitest in einer Autowerkstatt. Du machst keine 'Geschäftsreisen'!", stellte ich trocken fest.

Er schaute mich entschuldigend an und drehte sich langsam um. Dann packte er noch zwei weitere Taschen und verschwand mit schlurfenden Schritten durch die Haustür. Meine Mum fing an zu schluchzen und setzte sich zittrig auf den Boden. Traurig und geschockt zugleich, sah ich sie an. Das konnte doch nicht wahr sein! Das MUSSTE einfach ein Albtraum sein!

Sie heulend zu sehen, ohne ihr übliches Lächeln, war einfach grausam!

Langsam, zaghaft, trat ich auf die Haustürschwelle. Mein Dad öffnete gerade den Kofferraum seines Autos und lud die Reisetaschen ein. Direkt daneben saß Miranda in ihrem Auto, die wohl hier war um mich abzuholen.