Kapitel 8

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Zwei Tage waren vergangen, seit mein Dad uns verlassen hatte. Es war bereits früher Abend und ich saß in eine Wolldecke eingewickelt schweigend neben meiner Mum.

Wir hatten es uns auf dem Sofa bequem gemacht und uns bereits über alles Mögliche unterhalten, doch langsam ging uns der Gesprächstoff aus.

"Ähm, wie findest du es eigentlich, dass die Welt in ein paar Millionen Jahren untergehen wird?", fragte mich meine Mum, um das Schweigen zu brechen. Das war jetzt nicht ihr Ernst, oder? Vermutlich wäre selbst ein Gespräch über die Schule interessanter, und das will was heißen. "Das ist mir so ziemlich egal.", sagte ich genervt. Wieder setzte ein unangenehmes Schweigen ein und meine Mum seufzte. Vor ein paar Tagen hatten ich und meine Mum noch stundenlang ohne jegliche Hemmungen reden können. Jetzt aber herrschte Schweigen. Schließlich beschloss ich meiner Mum einfach die unverfrorenste Frage zu stellen, wegen der wir kein richtiges Gespräch mehr zustande brachten und Eiszeit zwischen mir und meiner Mum herrschte. Die Frage, die seit Dads Verschwinden im Raum hing und alle bedrückte. Ich nahm meinen Mut zusammen und fragte in die Stille: "Warum hat Ted uns verlassen?" Ich benutzte ganz bewusst den Namen Ted und nicht 'Dad' oder 'Papa'. Es kam mir einfach nur befremdlich vor, nach all dem, was sich abgespielt hatte.

Meine Mum sah mich geschockt an und sagte so leise, dass ich es kaum verstehen konnte: "Weil er dich liebt."

Was sollte dieser Unsinn? Es kam mir fast so vor, als wolle Mum mich veralbern, so dumm war die Antwort. Doch ihr Gesichtsausdruck blieb ernst.

"Ah ja, genau. Man verlässt Leute, die man liebt. Ist ja gerade voll im Trend.", sagte ich sarkastisch. Bei diesem Satz wurde mir klar, wie ich mittlerweile über meinen 'Dad' dachte. Ich glaubt schin lange nicht mehr, dass er mich jemals geliebt hatte.

Diese Erkenntnis traf mich wie ein Hieb im Magen. Ich hatte kein Vertrauen mehr. Er hatte mich einfach fürchterlich enttäuscht und dennoch hegte ich immernoch die Hoffnung, dass es irgendeine logische Erklärung dafür gab. Dafür, dass er einfach so abgehauen war, ohne jeglichen Grund.

Meine Mum sah mich traurig an und meinte leise fast tonlos: "Eines Tages wirst du es verstehen..." Wie ich diesen Satz hasste! Damit 'entschuldigten' einfach ALLE Eltern ihr Verhalten.

Wütend sagte ich: "Das kannst du einer Dreijährigen erzählen, aber doch keiner erwachsenen Person! Es kommt mir ja fast so vor, als würde es dir nichts ausmachen, dass Ted dich verlassen hat!" Ich wusste, dass ich mit meinem letzten Satz zuweit gegangen war. Meiner Mum machte Dads Verschwinden sehr wohl etwas aus, das merkte ich. Sie versuchte nur so zu tun, als wäre alles in bester Ordnung. Meinetwegen mache sie das. Sie wollte, dass ich mir nicht auch noch Sorgen um sie mache. Doch jetzt hatte ich den Satz gesagt. Rückgängig gemacht werden konnte er nicht. Selbst wenn ich mich entschuldigen würde, der Satz würde im Raum hängen bleiben und unsere Beziehung noch mehr belasten.

Meine Mum schluckte. "Du wirst es verstehen...", murmelte sie. "Wenn ich achtzig bin? Warum wissen eigentlich alle mehr als ich? Was ist daran so schwer mich einzuweihen, um was auch immer es sich handelt!", fauchte ich wütend. Ich steigerte mich immer mehr hinein. Wut kochte in mir hoch. All die Wut, die sich in den vergangenen Tagen angestaut hatte. Nicht nur die auf meine Mum, sondern auch die auf meinen Dad. Meine Mum sah mich nur traurig an.

"Ich kann das nicht...", seufzte sie. Hatte sie so wenig Vertrauen in mich, als dass sie mir nicht mal diese eine Frage beantworten kann? Ich fluchte wütend vor mich hin und stapfte aus dem Wohnzimmer. Laut knallte ich die Tür hinter mir zu, sodass vermutlich sogar noch unsere Nachbarn vor Schreck von den Stühlen fielen.

Meine Mum verschwieg mir eindeutig etwas, von dem ich, zumindest ihrer Meinung nach, besser nichts wissen sollte. Frägt sich nur: Was? Warum war es so schwer die TOCHTER einzuweihen? Hatte sie so wenig Vertrauen in mich?

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