Kapitel 34

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Und schon wieder war er gehetzt verschwunden, um seinen Job zu erledigen. So etwas nannte sich wohl 'Dienstbereitschaft'.

Immerhin musste ich keinen Hunger leiden, da Nye, woher auch immer, ein paar Brötchen gezaubert hatte, die ich mir über den Tag aufteilen sollte. Dennoch machte mich dieses Haus mürbe. Immer die gleichen Wände, in denen ich mich bewegte und denen ich nicht entfliehen konnte. Langsam kam mir die eigentlich hübsche Hütte wie mein ganz persönliches Gefängnis vor. Hätte man mich vor zwei Monaten gefragt, ob ich die Schule jemals vermissen würde, meine Antwort wäre ganz klar "Nein!" gewesen. Im Moment allerdings wünschte ich mir nichts sehnlicher als meinen Alltag zurück. Täglich mit Miranda zur Schule fahren, sich vor Mathe fürchten...Und in keinem verdammten Haus eingesperrt zu sein!

Apropos Miranda. Ich wüsste zu gerne, ob sie und Moris immer noch zusammen waren. Logisch, es war noch nicht lange her, seit sie zusammen gekommen waren, doch Mirandas bisher längste Beziehung hatte drei Tage gedauert und das hätten die beiden mittlerweile schon lange getopt. Ich wünschte ihnen wirklich alles Gute. Sie hatten einander verdient. Und noch etwas wünschte ich mir: Einen Freund, der so war wie Moris! Gutaussehend, lieb, süß, intelligent, charmant...perfekt?

Seufzend verschlang ich das letzte Stück meines Brötchens. Sofort stellte sich mir die Frage, was ich nun tun sollte. Die Hütte zu putzen kam nicht in Frage, obwohl ich eigentlich nichts dagegen hätte, hätte ich Nye gestern Abend nicht gerade erst verklickert, dass ich nicht seine Hausfrau war.

Um mich irgendwie zu beschäftigen, schichtete ich gelangweilt Holz im Ofen auf und entfachte ein Feuer. Dann setzte ich mich in den Schaukelstuhl, der davor stand und schaukelte hin und her...hin und her...hin und her...

Leider wurde man irgendwann auch davon mürbe und ich tigerte wieder durch mein selbsternanntes Gefängnis. Wie gerne hätte ich jetzt Hausaufgaben, oder etwas zu lernen! Irgendeine Beschäftigung, die ich in den letzten zwei Tagen nicht zur Genüge betrieben hatte. Doch nein! Hier gab es nicht einmal einen Briefkasten, sodass Miranda mir das Arbeitsmaterial zuschicken könnte. Und meine Schulsachen hatte ich auch nicht dabei. Wie war es so weit gekommen, dass ich ernsthaft lernen wollte? Ich glaube, das ist ein eindeutiges Zeichen wie schlecht es mir ging! 

Ich musterte mein 'Gefängnis'. Rein aus Langweile prägte ich mir jedes Möbelstück, jedes Bild, jede Wandritze und sogar jede Spinnwebe ein. Vermutlich würde ich noch Jahre später die Hütte bis ins kleinste Detail beschreiben können. Als ich damit allerdings irgendwann auch fertig war und der Anblick der Holzwände mich ankotzte, allerdings kaum Zeit vergangen war, schlurfte ich ins obere Stockwerk. Als ich auf dem winzigen Flur ankam, ging ich kurzerhand in Nyes Zimmer statt in meins. Ich wusste nicht, wieso ich das tat. Vermutlich einfach, um ihm für sein unmögliches Benehmen, mich den ganzen Tag hier schmoren zu lassen, eins auszuwischen. Wenn er schon nicht hier war, dann machte es ihm doch sicherlich nichts aus, wenn ich sein kleines Reich betrat!  Ach ja, ein weiterer Grund für das Betreten Nyes Zimmer war übrigens auch sein Computer. Ich hegte die minimalistische Hoffnung, dass Dad, pardon Ted, mir zurückgemailt hatte.

Als ich diesmal Nyes Zimmer musterte wurde mein schlechtes Gewissen, das sich trotz allem meldete, größtenteils von meiner Wut auf Nye überschattet. Vermutlich war es unfair von mir sauer auf ihn zu sein, dass ich hier versauerte, da er seinen Job tat und vermutlich zig Leben rettete, doch wie sagt man so schön? Das Leben ist nicht fair...also mal abgesehen davon, dass es Nye vermutlich sowieso nicht interessierte, ob ich nun sauer auf ihn war, oder nicht.

Ich startete Nyes Computer und wie schon am Tag zuvor brauchte ich kein Passwort. So etwas nannte sich wohl Dummheit. Das ausgerechnet ein Mitabrbeiter bei einem GEHEIMdienst kein Passwort am eigenen Computer einstellte...tss, wie unvorsichtig...mir war's Recht!

Tatsächlich wurde mir eine neue E-Mail angezeigt, als ich ich mich einloggte. Zum Glück war es keine Werbung für irgendeine Wunderpille, sondern tatsächlich eine Nachricht von Ted! Mein Herz machte vor Freude und Aufregung einen Satz. Nervös und mit zitternden Fingern öffnete ich die Mail.

Liebe Betty,

du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dass du dich gemeldet hast. Es freut mich zu hören, dass es dir gut geht und ich dich in Sicherheit weiß.

Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen, als ich gelesen habe, dass du mich trotz allem als dein Vater akzeptierst und nicht diesen Kriminellen!

Mir selbst geht es gut, ich wohne in einer kleinen Wohnung im Süden Wales, etwa eine Stunde von Cardiff entfernt. Leider weiß ich nicht, wie es Linday geht, aber ich bin sicher, dass Mr Smith gut auf sie aufpasst. Die Jungs vom Geheimdienst sind zuverlässig und absolut vertrauenswürdig. Du machst dir unnötige Sorgen.

Mit tut es nur Leid, dass du im Moment mit deinem, ich zitiere, 'arroganten Agenten' in eine Hütte eingesperrt bist. Gleichzeitig hast du bei Erwähnung der Hütte, die in Wales liegt, eine kleine Hoffnung in mir geweckt. Durch Zufall weiß ich, dass der Geheimdienst Wales seinen Sitz in der Nähe Cardiffs hat und dementsprechend auch Hütten, Posten, etc. Wäre es nicht durchaus möglich, dass du dich in meiner Nähe, also Cardiff befindest. Meine ganze Hoffnung baut darauf, da, wenn dies der Fall wäre, wir uns mal treffen könnten. Vermutlich reime ich mir völlig falsche Dinge zusammen, doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Falls es dir also tatsächlich gelingen könnte, mich zu treffen, ich wohne in der Biflorn Street 34 in Aberdare, eine Stadt in der Nähe Cardiffs. Du bist jederzeit willkommen!

So, genug gequatscht! Ich wünsche dir noch einen schönen Tag, liebe Betty und melde dich bald mal wieder.

In Liebe,

dein Ted

Ungläubig laß ich die Mail noch einmal. Ted wohnte hier in der Nähe! Eigentlich dachte ich, dass er nach England ausgewandert war, aber so war es ja noch besser! Vermutlich war das sogar en Trick des Geheimdienstes, so zu tun, als wäre Ted in England, um von ihm abzulenken.

Natürlich würde ich Ted besuchen, etwas anderes kam gar nicht in Frage. Bloß, wie? Nach einer Viertelstunde Googe-Recherche, hatte ich aber bereits die nötigen Verkehrsmittel rausgeschrieben und wusste sogar, dass diese Hütte sich eigentlich verdammt nahe an einem Ort befand. Wer hätte das gedacht? ... Ich jedenfalls mal nicht! Hier war es überall grün und bei Nyes und meinem Ausflug in die Stadt, hatte mir Nyes Fahrstil so sehr zugesetzt, dass mich die Landschaft nicht im Geringsten interessiert hatte.

Jetzt konnte ich nur hoffen, dass Nye morgen wieder zum Arbeitstier mutierte und den ganzen Tag verschwand, sodass ich unbemerkt einen Ausflug nach Aberdare machen konnte.

Voller Elan schrieb ich Ted zurück:

Hi Dad!

Ich habe Luftsprünge gemacht, als ich erfahren habe, dass du hier in der Nähe lebst. Ich kann es einfach nicht glauben! Das muss Schicksal sein, oder?

Natürlich werde ich aufkreuzen und da mein 'arroganter Agent' sowieso arbeiten geht, dürfte das ja kein Problem sein! Ich freue mich jetzt schon, dich endlich wiederzusehen!

Also, bis morgen! Ich kann es kaum erwarten!

In Liebe,

deine Betty

Ich sendete die Nachricht ab und drückte auf den Knopf am Computer. Der Bildschirm wurde schwarz. Vor Freude, jemanden, den ich liebte, gefunden zu haben, hüpfte ich wie ein Gummiball durch die Hütte. Ununterbrochen jauchzte meine innere Stimme: 'Ich sehe bald Teeed! Ich sehe bald Teeed!' Auf einmal kam mir selbst die Hütte nicht mehr wie ein Gefängnis vor. Es war, als hätte jemand den Farbfilter gewechselt und ich würde alles nur noch in Rosa sehen. Und das nur, weil ich Hoffnung hatte hier raus zukommen

Hätte ich zu diesem Zeitpunkt gewusst, auf was ich mich freute, ich hätte es niemals getan.

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