Kapitel 39

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Die Schritte wurden lauter und lauter. Sie hallten an den Wänden des Bunkers wider und klangen hohl und angsteinflößend zugleich. Mein ganzer Körper war bis in den letzten Muskel angespannt. Mein Herz pochte so laut und heftig, dass ich glaubte, man könne es durch die ganze Höhle hören.

Dann trat sie vor. Meine Mum tauchte als kleiner wandelnder Schatten auf. Jack, der ein paar Meter von mir entfernt stand, ließ seine Taschenlampe aufleuchten. Er richtete den Lichtkegel auf meine Mum, die augenblicklich zusammenzuckte. Sie wirkte wie ein unschuldiges, verängstigtes Kaninchen. Jack grinste hämisch.

Meine Mum trug zur Abwechslng keine verrückten lila Pants kombiniert mit einem giftgrünen Rollkragenpullover, oder sonstige grausige Farbkombinationen, sondern eine schwarze, robuste Jeans, die sie hochgerkrempelt hatte und eine schwarze Fleece-Jacke. Ihr roten Haare steckten in einem unordentlichen Dutt. Noch unordentlicher, als sie ihn sonst trug. Doch vermutlich hatte sie in letzter Zeit andere Sorgen als ihr Aussehen.

Unruhig trat meine Mum von einem Bein auf das andere. Ihr Finger zupften unruhig am Saum der Fleece-Jacke. In der rechten Hand hielt sie fest umklammert einen schwarzen Aktenordner.

Jack sah ihr die Angst an und amüsierte sich köstlich darüber. Ein kalter Schauer rieselte meinen Rücken hinunter. So jemand war zu allem fähig. Es ließ mich zugleich angewidert sein und ihn fürchten. Der Gedanke, dass dies tatsächlich mein Vater war, hielt ich für unerträglich.

"Leg die Papiere auf den Boden!", hallte Jacks Stimme von den Wänden wieder. Er klang kalt, emotionslos. Das einzige Gefühl, dass ihn im Moment zu leiten schien, war die Freude über unsere Angst. Er genoss es gefürchtet werden und die Zügel in der Hand zu haben. Die Macht zu haben, sämtliche Schicksale zu steuern.

Mit zitternden Händen legte meine Mum die Akte auf den felsigen Boden. Ich hörte eine Pistole klicken. Sinans Pistole. Meine Atmung stockte, doch es passierte nichts. Einzig Sinan richtete sich von seinem Sack auf. Irgendeinen Plan hatte er, doch ich hatte keinen blassen Schimmer welchen. Nur eines wusste ich: Gut würde er unter keinen Umständen sein. Zumindest nicht für mich oder meine Mum.

Meine Mum richtete sich wieder auf. Ihr Hände waren zu Fäusten geballt. Mit herausfordernder Miene sah sie Jack an, doch ihre verkrampfte Haltung signalisierte, dass sie mehr Angst hatte, als sie bereit war zu zeigen.

"Ich habe meinen Part der Vereinbarung eingehalten...", meinte Mum und versuchte selbstsicher zu wirken, doch ihre Stimme wackelte. "Also lass Betty frei!" Jack wirkte zerknirscht. Scheinbar hatte er gehofft, dass es beim Handel Komplikationen geben würde. Offensichtlich in der Hoffnung mich kalt machen zu können. Mein Vater. Ich spürte, wie die Angst immer mehr von.mir Besitz ergriff. Bisher hatte ich nur im Ansatz gewusst, wozu er fähig war, das sah ich jetzt.

"Da sieht man es mal wieder.", offenbar wollte er es sich nicht nehmen lassen, wenigstens das letzte Wort zu haben, "Der ganze Stress war unnötig. Hättest du mir die Papiere einfach gleich gegeben..." Er wollte mich gerade schon aus meinem Versteck winken, die Hand hatte er schon erhoben, da sprang Sinan ins Sichtfeld.

"Stop!", brüllte er. Jack hob eine Augenbraue. Ob vor Verwunderung oder aus Missbilligung kommte ich nicht sagen.

"Diese Akte ist ein Fake!", rief er. Seine Stimme klang kalt und entschlossen. Meine Mum zuckte zusammen und sah sich panisch um.

Sinan hatte geschworen, dass ich nicht ungeschoren davonkommen würde. In dieser Hinsicht schien er kein Lügner zu sein. Er hielt sein Versprechen ein, indem er den Fake meiner Mum entlarvte. Vermutlich hatte er es nicht einmal gewusst, da war ich mir sogar sicher, er kannte den Geheimdienst nur viel zu gut und konnte zwei und zwei zusammenzählen.

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