Kapitel 5

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Ich schlang die Arme um meinen Körper und ging mit eiligen Schritten über den Parkplatz. Ungeschickt wich ich ein paar Pfützen aus und kam schließlich bei Mirandas rotem Ferrari (Unauffälliger ging es wohl auch nicht?) an.

Suchend schaute ich mich nach Miranda um. Der Wind peischte den Regen quer über den Parkplatz, doch sie stand, in einem kurzen Rock und einem Top an der Schulmauer und flirtete wild mit einem Typen, den ich bisher noch nie gesehen hatte. Mir persönlich machte dieser gepiercte und tättowierte Typ ja Angst...aber nun gut, das war eben Mirandas Männergeschmack. Meiner war eher braun- oder schwarzhaarig, am besten ohne unnötige Körperverziehrungen.

Ich lehnte mich genervt an die Autotür an. Leider rutschte ich (Wie sollte es auch anders sein?) promt auf dem nassen Boden aus und landete mit einem lauten Klatschen in der erstbesten Pfütze. In binnen weniger Sekunden hatte sich eine eisige Kälte in meinem Körper ausgebreitet und ich fing an zu zittern. Wieso konnte es nicht mal einen Tag geben, an dem mir nichts Ungeschicktes oder Peinliches geschah? Lautes Lachen ertönte von den Schülern, die bislang gelangweilt auf dem Parkplatz herumgestanden hatten. Schön, dass ich es auch heute wieder geschafft hatte die ganze Schülerschaft zu unterhalten. Loch im Boden? Wo bist du, wenn man dich braucht?

Miranda zog etwas genervt ihre Hand aus den Haaren des Typen und lief graziös auf mich zu. An der Schule hatte sie den Ruf der Schulbitch, weshab ihr die meisten Mädchen nur mit Hass und Neid entgegentraten. Aber was soll ich dazu sagen? Sie würde niemals fies sein. Sie hatte das Herz am richtigen Fleck.

Miranda reichte mir ihre Hand und zog mich aus der Pfütze. Die Kleider hingen nass mir herunter und ich zitterte wie Espenlaub. Miranda machte die Beifahrertür ihres roten Ferraris auf und stieß mich auf den Ledersitz. Dann warf sie die Tür zu und stieg auf der anderen Seite ein.

"Alles in Ordnung mit dir?", fragte mich Miranda besorgt. Ich nickte bibbernd

Mit einem lautem Brummen sprang der Motor an und sie raste über den Hof auf das Tor zu. Ein paar Schülerinnen sprangen erschrocken zur Seite und riefen uns etwas nach, was ich jedoch nicht verstand. Aber wenn ich ehrlich war, wollte ich es nicht mal verstehen.

Mit einer wirklich atemberaubenden Geschwindigkeit fuhren wir die Landstraße entlang. Ich traute mich schon gar nicht mehr auf die Geschwindigkeitsanzeige zu schauen, aus Angst einen Herzinfarkt zu erleiden. Miranda lächelte leicht, während sie gefährlich die Kurven schnitt. Mir hingegen wurde kotzübel, doch ich sagte Miranda nichts. Sie hatte wegen mir sogar einen Typen laufen lassen und da wollte ich ihr nicht noch den Fahrspaß nehmen, den sie eindeutig hatte.

Endlich kam sie vor meinem Haus an. Mir war 'leicht' schwindlig und torkelte aus dem Auto. Auf dem ledernen Autositz hinterließ ich eine kleine Pfütze (Nein, nicht so eine.), die Miranda nur seufzend begutachtete und mit einem Taschentuch wegwischte. Ich schaute Miranda entschuldigend an, doch sie winkte nur ab und startete den Motor.

Ich wusste genau, wie wichtig ihr das Auto war und war froh, dass sie nicht wütend war. Deshalb mochte ich sie so. Wegen mir ließ sie sogar ihre Jungs UND ihr Auto sausen. "Bye, Süße!", rief sie mir zu und knallte die Autotür zu. Ich hob die Hand und winkte ihr. Dann brauste sie davon.

Zitternd drückte ich dir Klingel. Nach einer gefühlten Ewigkeit und fünf Mal klingeln später schwang die Tür auf und meine Mum stand im Türrahmen. Sie hatte sich ausnahmsweiße kein altes Hemd von meinem Dad an, sondern 'normale' Klamotten, bestehend aus einer violetten Bluse umd einer giftgrünen Hose, die ihr um Meilen zu kurz war. Abwesend musterte sie mich, doch sie machte keine Anstalten sich zu regen.

Merkwürdig, denn normalerweise würde sie jetzt wie ein überdrehter Terrier um mich herumspringen und mit einem Stapel von Handtüchern herbeispringen. Doch jetzt stand sie nur mit einem komischen Gesichtsausdruck auf der Türschwelle.

"Alles okay mit dir?", fragte ich meine Mum vorsichtig. Ertappt schreckte sie aus ihren Gedanken und versuchte ein Lächeln, doch es wirkte so gekünstelt, dass mir fast schlecht wurde. Wo war ihr Ethusiasmus, ihre Euphorie geblieben?

"Jaja, alles bestens.", sagte meine Mum schnell. Für meinen Geschmack etwas ZU schnell und hastig. Ich hob meine Augenbrauen (Wieso bekam ich das als einzige nicht mit nur einer hin?) und lief an ihr vorbei. Dann pfefferte ich meinen Schulrucksack an die nächstbeste Wand und lief in das obere Stockwerk.

Schnell hatte ich mich geduscht und trampelte wieder die Treppen runter. Ich ging den kleinen, mit Kunstwerken vollgestellten Flur entlang und landete vor der Wohnzimmertür. Drinnen hörte ich, wie sich meine Mum und mein Dad angeregt unterhielten, doch leider konnte ich kein Wort verstehen. Ich presste mein Ohr fest gegen die bunte Holztür. Leise drangen vereinzelte Gesprächsfetzen zu mir durch. "Muss sein...Betty...Mr Smith...muss weg."

Um was verdammt ging es? Und was hatte es mit mir zu tun? Oder diesem Mr. Smith? Mist! Noch nicht mal den Namen konnte ich googeln! Smiths gab es einfach zu oft.

Ich öffnete vorsichtig die Tür. Meine Eltern saßen, vertieft in einen Zeitungsartikel, auf dem bunten Flickensofa und runzelten angestrengt ihre Stirn. Die Tür fiel knarzend hinter mir zu und meine Eltern schreckten überrascht hoch. "Was lest ihr denn?", fragte ich berechnend. Meine Mum versuchte fröhlich zu wirken: "Ach nichts... wichtiges." Mit diesen Worten faltete sie die Zeitung schnell zusammen und ließ sie unter dem Wohnzimmertisch verschwinden.

Wo war all ihre Fröhlichkeit hin? Seit wann musste sie sich zwingen fröhlich zu wirken? Was war verdammt nochmal passiert?

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Ich hatte mich in mein Zimmer verkrochen. Das Abendessen war sehr unangenehm gewesen. Meine Mum hatte die ganze Zeit versucht die übliche Fröhlichkeit herzustellen, doch es gelang ihr einfach nicht. Irgendetwas musste geschehen sein. Die Frage war nur, was? Ich tippte flink Mirandas Nummer in mein Telefon ein und rief bei ihr an. Gleich darauf klang Mirandas Stimme in mein Ohr: "Hallo Betty! Bist du es? Warum rufst du an?"

Ich seufzte auf: "Ach...keine Ahnung...meine Eltern sind heute irgendwie merkwürdig." Miranda lachte: "Sind sie das nicht immer?"  "Nein! Besonders meine Mutter ist heute mal nicht vierundzwanzig Stunden am Tag fröhlich!", erzählte ich.

"Ach Süße, das ist normal. Jeder hat mal einen schlechten Tag.", versuchte Miranda mich zu beruhigen. Warum mich das überhaupt so fertig machte wusste ich nichtmal.

"Meine Mum hatte seit den letzten achtzehn Jahren keinen schlechten Tag mehr. So lange kenne ich sie schon.", ärgerte ich mich. "Ach was, du nimmst das alles viel zu ernst. Meine Eltern haben immer schlechte Laune. Na und? Ihr Problem!", sagte Miranda.

"Wie du meinst.", murmelte ich, "Ich bin dennoch der Meinung, dass irgendetwas los ist."

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