Kapitel 32

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Ich starrte in die lodernden Flammen des Feuers und wippte gemächlich mit meinem Schaukelstuhl hin und her. Dabei verdrückte ich eine Brotscheibe mit viel zu dickem Marmeladenaufstrich und eine Tasse Kaffee, um mir de morgendliche Müdigkeit auszutreiben. Nye saß direkt neben mir. Er wurde ebenfalls in den Bann des Feuers gezogen.

"Musst du nicht arbeiten gehen?", fragte ich und wusste nicht, welche Antwort mir lieber wäre. Ob ich lieber heute den ganzen Tag gelangweilt herumsaß, oder auch noch einen gutaussehenden Blödmann bei mir hatte.

"Heute ist Samstag.", erklärte Nye, als habe ich soeben die dümmste nur mögliche Frage gestellt. Hatte ich vermutlich auch.

"Achso...", murmelte ich, ohne auf den erniedrigenden Unterton in seiner Stimme einzugehen,"In dieser Hütte verliert man aber auch jeglichs Zeitgefühl!" "Wir sind hier gerade mal drei Tage.", meinte Nye belustigt. "Trotzdem!", beharrte ich, "Ich habe weder meine Mum, noch Miranda, oder sonst jemanden gesprochen und darf mich hier den ganzen Tag langweilen! Meine Hände sind mittlerweile schon ganz wund vom vielen Gitarrenspielen und ich habe bereits fast alle Bücher gelesen. Und das, obwohl ich Sheakspears Werke normalerweise nicht einmal auch nur annährend anfassen würde, geschweige denn lesen!" Eine ziemlich beeindruckende Jammerrede meinerseits, das musste man schon sagen. Der Ansicht schien übrigens auch Nye zu sein, denn er starrte nachdenklich ins Feuer. Seine Stirn lag in Falten.

"Wir könnten shoppen gehen!", berichtete er mir schließlich von seinem grandiosen (hust...Ironie...hust) Einfall. "Wir sitzen mitten in einem Wald? Wo willst du hier bitte schön shoppen gehen?", erinnerte ich ihn unfreundlich an die einsame Lage der Hütte und deutete aus dem Fenster. Durch die Scheibe sah man.nichts außer Bäumen, Büschen und sonstigem Gestrüpp. Alles grün, grün und nochmals grün. Weit und breit keine Stadt oder wenigstens ein Einkaufscenter.

"Wo denkst du denn, arbeite ich?", fragte mich Nye verärgert, "Beim Forstamt? Natürlich hat es eine Stadt in der Nähe!" Dem konnte ich nichts entgegensetzen. Er kannte sich hier besser aus als ich. Dennoch hätte er mir das auch schon früher sagen können! Das wäre ich hier nicht vor Langweile vergammelt.

So kam es, dass ich eine halbe Stunde später mit angezogenen Knien auf dem Beifaherersitz saß und betete, dass wir die Fahrt ohne einen Unfall oder eine Kotzattacke meinerseits überlebten. Wer auch immer Nyes Fahrprüfer gewesen war, er musste blind gewesen sein! Anders konnte ich mir nicht erklären, wie Nye jemals an einen Führerschein gelangt war. Andererseits aber, war es ebenso verwunderlich, dass er ihn bisher noch nicht abgenommen bekommen hatte. Mit seiner durchgängigen Übrschreitung der Geschwindigkeitsbegrenzungen um mindestens zwanzig km/h wäre dies nicht verwunderlich gewesen. Das einzige, das gut an diesem Tempo war, dass wir die Stadt schnell erreichten und die Fahrt schnell endete.

Die Stadt, in der wir schließlich auf einem kleinen Parkplatz parkten, war genauer gesagt nur eine Vorstadt von Cardiff, aber wer nimmt das schon so genau?

"Nächstes mal fahre ich!", krächzte ich und stieg taumelnd aus. Der Welt drehte sich, schien an mir vorbei zu Rauschen, alles verschwamm....

"Himmel, Betty fall mir nicht um!", rief Nye und packte mich an der Tallie. "Dann fahr nächstes mal langsamer.", murrte ich. Mir war mehr als deutlich bewusst, dass seine Hand auf meiner Tallie lag. Warm und sanft umschmiegte sie mich...ein wohliges Gefühl fuhr durch meine Adern.

Als ich nach einiger Zeit wieder einigermaßen stehen konnte, fragte Nye: "Darf ich dich loslassen?" Ich nickte schweren Herzens. Die Hand wurde von meiner Hüfte genommen. Schade.

Wir verließen den Parkplatz und wanderten durch die Straßen der Stadt. "Wo gehen wir shoppen?", fragte ich. "Keine Ahnung.", antwortete Nye achselzuckend, "Was brauchst du denn?" "Ein paar Bücher wären nicht schlecht.", meinte ich, als ich an das Regalbrett mit den Uralt-Wälzern dachte, "Wenn es geht, neumodische Literatur!" Nye lachte. "In Ordnung. Und danach lade ich dich noch auf einen Kaffee ein." Ich versuchte zwanghaft den Gedanken, dass es sich dabei um ein Date handle, zu unterdrücken (was mir nicht so ganz gelang) und nickte stattdessen.

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