Kapitel 2

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Viel Spaß!

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„Das macht jeder so!", rief meine beste -und leider auch einzige- Freundin Miranda aufgebracht. Wer war nur auf dir bescheuerte Idee gekommen, dass alle an ihrem achtzehnten Geburtstag auf irgendwelche Partys gehen und sich volllaufen mussten?

„Meines Wissens warst du auf deiner Party letztes Jahr hinterher so hackedicht, dass du mit deinem Cousin rumgeknutscht hast und bis heute vor Scham nicht mehr mit ihm sprichst.", meinte ich verärgert.
„Der achtzehnte Geburtstag ist eine Erfahrung fürs Leben! Was willst du denn deinen Kindern später mal erzählen?" fragte Miranda entrüstet, ohne auf meinen Kommentar einzugehen. Ja, es war wahrlich eine 'Erfahrung fürs Leben' mit dem eigenen Cousin rumgeknutscht zu haben.

„Ich werde ihnen erzählen, dass ich es mir abends zusammen mit einer Freundin bei einem Film gemütlich gemacht habe.", erwiderte ich störrisch, „Außerdem, wer sagt denn, dass ich Kinder haben will?"
„Jede Frau will Kinder!", behauptete Miranda.
Ich versuchte ihr möglichst harmlos die biologischen Fakten näherzubringen: „Möglicherweise, aber zum Kinderbekommen braucht man einen Mann und nicht jede Frau bekommt einen Mann."

„Eben und deshalb gehen wir heute Abend aus! Du musst deinen Traummann finden!"
„In einer Disko?", murrte ich, doch Miranda hatte sich bereits umgedreht und marschierte hoch erhobenen Hauptes aus meinem Zimmer. Seufzend stolperte ich ihr hinterher.

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Ich folgte Miranda murrend in ihr Zimmer, was ein ganz schön weiter Weg war, denn Mirandas Haus war ungefähr vier mal so groß wie das meiner Familie. Ihr Vater war reicher Nachfahre eines Lordes, der hier in Schottland mal sehr mächtig gewesen war. Ihr gesamtes Haus war mit Markenmöbeln bestückt, sodass man sich fast nicht traute etwas zu benutzen. Ich kam mir hier immer vor, wie in einem Museum. Wie hielt Miranda das nur aus?
Miranda kam in einem langen Flur an und stieß ihre Zimmertür auf. Ich folgte ihr mit der schrecklichen Ahnung, was jetzt folgen würde. Und tatsächlich, kaum waren wir in ihrem nicht gerade kleinen Zimmer, betrat sie ihren begehbaren Kleiderschrank (Warum zur Hölle brauchte man sowas?) und suchte mir ein paar grässliche Partyoutfits zusammen. Sie schillerten und glitzerten noch schlimmer als sämtliche Christbäume (auch schlimmer als Mums Freundinnen) zusammen. Dass sie mir allesamt zu groß sein würden, da Miranda mich um zwanzig Zentimeter überragte, schien sie nicht weiter zu stören und ich musste in jedes einzelne dieser grässlichen Kleider schlüpfen. Keines der Kleider passte mir auch nur annähernd, aber mit was hatte sie auch gerechnet?

Als Miranda gerade extrem enttäuscht (ich allerdings weniger) aufgeben wollte, fand sie doch noch in der hintersten Ecke ihres Kleiderschrankes ein Kleid, dass sie das letzte Mal vor ungefähr sechs Jahren getragen hatte, mir aber sehr gut passte. Es war schwarz und hatte glücklicherweise keine Pallietten oder Glitter, was bei Miranda ein Wunder war. Außerdem hatte es Träger, was ich eindeutig besser fand.

Leider ging es mir allerdings nur bis knapp übers Knie, was für meine Verhältnisse bereits ziemlich kurz war.

Miranda schleppte mich in ihr Bad (welches so groß war, wie mein Schlafzimmer) und stieß mich auf einen Hocker. Sie legte ein Handtuch über meinen Schoß und sagte: „Hm...da werden wir einiges zu tun haben. Lass dich überraschen. Es wird dir gefallen." Daran zweifelte ich allerdings. Vermutlich würde ich hinterher aussehen wie ein Waschbär, der in eine Make-Up Dose gefallen war, mit einem kleinen Hauch von billiger Puppe.

Eindeutig nicht mein Geschmack, doch Miranda etwas ausreden zu wollen grenzte an Wahnsinn. Eine ganze Stunde lang fuhrwerkelte sie an meinen Haaren und in meinem Gesicht herum, während ich glangweilt die Badezimmerfließen musterte. Wie lange konnte man nur brauchen? Dauernd wischte sie mir mit Sachen im Gesicht herum und ich musste den Starken Reiz unterdrücken, Mirandas Hand wegzuschlagen.

Schließlich nickte sie endlich zufrieden und hielt mir stolz einen Spiegel unter die Nase. Ich blickte einem stark geschminkten Gesicht mit einer lockigen Hochsteckfrisur entgegen. Irgendwie erinnerte mich das Gesicht stark an eine weibliche Version von Mozart, was in meinen Augen eindeutig eine Beleidigung war. Mit dramatisch schwarzumrandeten Augen, roten Pausbäckchen und Schillerlocken war die Verungimpflichung vollendet. Ich griff nach dem Handtuch auf meinem Schoß und wischte mir zumindest das Rouge von den Wangen, was mir ein empörtes Zungenschnalzen von Miranda einbrachte.

Mein Style war eben anders als ihrer. Nicht jeder läuft gerne mit roten Pausbäckchen rum, als wäre man zu lange in einem Kühlschrank eingesperrt gewesen! Zum Glück wollte mir Miranda das Rouge nicht nochmal auftragen! Sie warf mir weiße Pumps (Ähm...was genau sollte ich mit diesen Dingern anfangen?) zu und verschwand mit einem dunkelroten Palliettenkleid hinter einer Trennwand. Ein paar Sekunden später hatte sie sich bereits in das Kleid hineingezwängt und führte es mir vor. Es war schulterfrei und betonte ihre schlanke Figur. Allerdings war es für meinen Geschmack um einiges zu kurz, auch wenn es 'nur' bis zu der Mitte ihrer Oberschenkel reichte.

Miranda begutachtete sich selbstgefällig im Spiegel. Ja, bescheiden war sie nicht. Aber warum sollte sie es mit ihrem schmalen Gesicht, ihrer blonden wallenden Mähne und ihrem perfekten Körper auch sein? Nicht umsonst hatte sie bereits einige Fotoshootings gehabt, auch wenn ich persönlich nie verstehen würde, warum man sich freiwillig im Bikini vor einer Kamera räkelt.

Miranda ließ ihre Haare offen und schminkte sich in Windeseile. Anders als bei mir trug sie sich keine Pausbäckchen auf, sondern schminkte sich ihre Augen schwarz und schmierte sich anschließend ein knalliges Pink auf ihre Lippen, was allerdings besser aussah, als es sollte. Es würde garantiert JEDEN Blick auf sich ziehen.

„Ach, und dir malst du keine Pausbäckchen auf?", murrte ich und verschränkte die Arme vor meiner Brust.
Mirinda grinste: „Du verstehst zwar nicht viel vom Schminken, aber du musst wissen, dass man immer die natürlichen Begebenheiten eines Gesichts entweder kaschiert, oder heraushebt. Du bist niedlich, also schminken wir dich niedlich, ich bin sexy, also schminke ich mich sexy." Ich konnte über so viel Selbstgefallen nur den Kopf schütteln. Miranda hatte durchaus eine weiche, verletzliche Seite, doch wirklich häufig zeigte sie diese nicht.

Sollte man es eigentlich als Beleidigung ansehen, als niedlich bezeichnet zu werden? Ich fand jedenfalls ja. Als 'niedlich' bezeichnete man ein Haustier oder gegebenenfalls Kleinkinder, aber doch keine frisch gebackene Erwachsene! Ich wollte schließlich nicht mit irgendeinem verfressenen Hamster verglichen werden, der den ganzen Tag nur glangweilt in seinem Stall herumsitzt!

„Ich bin NICHT niedlich!", knurrte ich.
Miranda kicherte und meinte ironisch: „Nein! Wie käme ich nur auf die Idee, dass DU niedlich sein könntest. Das wäre ja sooo abwegig. Deine Kulleraugen und dein unschuldiger Blick bedienen das Kindchenschema kein bisschen." Ich schnaubte, aber gab es schließlich auf, mit Miranda diskutieren zu wollen.

Miranda schlüpfte geschickt in ihre Pumps und stand auf. Sie schnappte sich ihre Handtasche, die aussah wie eine Discokugel (also zumindest glitzerte sie so sehr wie eine) und stellte sich prüfend vor den großen Wandspiegel. Ich hingegen verschmähte meine Pumps und zog mir ein Paar schwarze Riemensandalen an, die ich mir aus ihrem Schuhschrank geborgt hatte.

Ich hatte den Sinn von Absatzschuhen noch nie verstanden und dass, obwohl ich sie mit meiner Größe wohl wesentlich nötiger hatte als so manch anderer (wie beispielsweise Miranda). Ich kam mir mit diesen Dingern einfach nur komisch vor. So, als ob ich auf Stelzen gehen würde.

Außerdem stolperte ich dann noch öfter und mehr als sonst eh schon, und das muss man erst mal schaffen.

Miranda seufzte, als sie meine Sandalen sah und zog mich resigniert hinter sich aus ihrem Zimmer. Was war an Sandalen nur so schlimm? Immerhin trug ich keine Socken in ihnen, wie es die Touristen zur Belustigung sämtlicher Einheimischer immer taten.

Miranda stöckelte graziös vor mir her, während ich - allerdings ziemlich weniger elegant - versuchte mit ihr Schritt zu halten. Mit ihren Pumps war sie noch größer, als sonst sowieso schon. Vermutlich wirkten wir wie eine Giraffe in der Begleitung einer Maus. Ich denke mal, ihr wisst, wer die Maus ist.

Miranda öffnete die Haustür und hielt sie mir auf. Dachte sie jetzt schon, dass ich zu schwach wäre die Tür zu halten? Ich bin doch kein Baby!

Die Nachtluft wehte eiskalt über den Hof und ich klapperte wie ein altes Eisengestell mit meinen Zähnen, während Miranda ihren roten Porsche auf den Hof fuhr. Party, wir kommen! ... Und ich freute mich so rein gar nicht!

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