Kapitel 2

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"Ich denke es wäre gut, wenn wir mit einer Runde Gedankenaustausch anfangen. Ihr wisst wie das geht, also die Runde fängt wie immer bei dir an Cole. Lass uns hören, was du von dem Bild hältst.", ruft Mr. Hell, der nebenbei bemerkt mein Kunstlehrer ist.

Abwartend blickt er zu Cole, der anscheinend mal wieder nichts mitbekommen hat. Er sieht verwirrt auf und es dauert einige weitere Sekunden, bis er zum Sprechen ansetzt und das auch nur, weil seine Tischnachbarin ihm etwas zugeflüstert hat.

"Ich denke, dass ist ein ganz normales schwarzes Bild.", kommt dann die wirklich Geisterreiche Bemerkung von ihm, die einige Mädchen zum kichern bringt.

Ich jedoch verdrehe nur die Augen.

War ja klar, dass sowas von ihm kommen musste.

"Und du bist dir sicher, dass du nicht mehr in diesem Bild siehst?", fragt unser Kunstlehrer und kurz kann ich sowas wie Hoffnung in seinem Blick schimmern sehen.

Wieder schüttelt Cole nur den Kopf.

Ich seufze müde.

"Na gut, kann denn jemand anderes etwas zu dem wirklich bekannten Bild sagen? Vielleicht etwas darüber, was der Künstler sich dabei gedacht hat oder was das Bild rüberbringen soll?" Mr. Hell lässt seinen Blick auffordernd durch den Kurs schweifen.

Doch niemand meldet sich. Nicht einmal die Streber. Wobei Jana fehlt. Wenn sie nun hier wäre, würde sie sich sicherlich den Arm ausreißen, nur damit der Lehrer sie drannimmt.

"Ames, da du ja schon so schön am reden bist, kannst du mir meine Frage bestimmt beantworten.", nehme ich die nun boshafte Stimme von Mr. Hell wahr.

Sobald seine Worte, oder eher gesagt der Name Ames zu mir durchsickert, schießt mein Blick in die Höhe. Ich starre auf das Bild, dass an der Tafel hängt und ermahne mich innerlich, mich nun nicht zu Ames umzudrehen.

Tu einfach nichts, Mia.

"Ich denke der Maler hatte einfach keine Ideen und auch keine Zeit.", ertönt Ames dunkle Stimme und seine Worte bringen mich zum schmunzeln.

Künstler... korrigiere ich ihn innerlich.

"Und was lässt dich so denken?", kommt es prompt von Mr. Hell, der hellhörig zu Ames blickt. Er wirkt ganz plötzlich interessiert und da ist nichts verurteilendes mehr in der Stimme von Mr. Hell.

"Na, auf dem Bild ist nichts weiter zu erkennen, als schwarze Farbe. Ich denke einfach, dass er keine Ideen hatte, alles schnell auf das Bild geklatscht hat und es dann als eine originelle Idee verkaufte. Ist doch klar, dass er sich selbst nichts dabei gedacht hat. Er ist schon von Anfang an davon ausgegangen, dass die Menschen selbst mehr hineininterpretieren."

Einwenig überrascht öffne ich meinen Mund und bemerke, wie auch die anderen zu Ames starren. Das verleitet mich dazu, mich doch auch zu ihm umzudrehen, doch als meine Augen beinahe sofort auf seine dunklen treffen, halte ich inne und schlucke.

Eine leichte Gänsehaut übermannt mich und ich kann nicht anders, als für einen Moment die Luft anzuhalten. Nicht nur ich, der ganze Kurs - inklusive Mr. Hell scheint von seiner Antwort überrascht, ja, beinahe schon beeindruckt zu sein. Nicht, weil es etwas ist, dass von sonst niemanden kommen würde. Sondern das Ames derjenige ist, der es gesagt hat.

Bisher dachte ich und wahrscheinlich jeder andere nämlich, dass er hohl wie eine Nuss ist. Ames sieht unverschämt gut aus, ist neben Kolin der beliebteste Kerl aus unserer Schule und beschäftigt sich mit wahrscheinlich allen Dingen lieber, als zu denken.

Und dann sowas aus seinem Mund zu hören, ist schon ein wenig überraschend.

Als ich bemerke, dass ich ihn schon einwenig zu lange anstarre, reiße ich schnell meinem Blick von ihm los und drehe mich wieder nach vorne zu Mr. Hell. Er jedoch sieht noch immer erstaunt zu Ames.

"Das... das ist wirklich interessant, Ames.", kommt es nach einigen Sekunden wieder gefangen von unserem Lehrer, der sich anschließend lächelnd an die anderen wendet. "So eine Antwort habe ich erwartet. Denn Ames hat tatsächlich recht. In einem Interview hat der Künstler gestanden, dass das nur eine Schnapsidee war und das er niemals damit gerechnet hätte, dass dieses Bild so gut ankomme..", fängt Mr. Hell an zu erzählen, doch ich stelle wieder auf Durchzug.

Ich kann nämlich nicht anders, als an Ames' Worte zu denken. So ungefähr das Gleiche habe ich mir auch gedacht, als ich das erste mal auf dieses Bild geschaut habe. Umso mehr schockiert es mich, dass wir beide tatsächlich den selben Einfall hatten.

Das ist wahrscheinlich das einzige, was wir gemeinsam haben.

Außer natürlich die Tatsache, dass wir beide Kolin hassen...

Schnell reiße ich mich wieder zusammen und sehe zu Mr. Hell, der immer noch völlig begeistert über den Künstler spricht, der für ihn anscheinend sowas wie ein Vorbild ist, was ich um ehrlich zu sein nicht nachvollziehen kann.

Ich habe noch nie verstanden, wieso sich Leute eine bekannte oder berühmte Person als Vorbild nehmen. Denn insgeheim sind das alles auch nur normale Menschen, die irgendeine Stärke haben. Die einen können gut Singen, die anderen sind künstlerisch begabt und vieles mehr.

Und dennoch sind sie normale Menschen, wie du, ich und jeder andere. Ich zum Beispiel könnte mir niemals eine berühmte Person als Vorbild nehmen. Vielleicht bin ich die einzige die so denkt, doch auf mich wirken meine Gedanken logisch.

Okay Stop, was mache ich nur.

Mir ist schon so langweilig, dass ich mir Gedanken über sowas mache. Wow, dass ist wirklich kein guter Start in die neue Woche. Wieder einmal bin ich abgedriftet in meiner eigenen Traumwelt und kann ihr nicht entkommen.

Anscheinend meint es das Schicksal einfach nicht gut mit mir. Was wieder die Frage in mir aufkommen lässt, ob nur ich, oder auch andere Menschen so viel Unglück, - oder wie ich es lieber nenne - Pech haben.

Um ehrlich zu sein bezweifle ich das.

Seufzend schließe ich meine Augen und höre Mr. Hell nur mit einem Ohr zu. Das andere halte ich geschlossen, da ich nicht das ganze Getuschel der Schüler mithören will.

Ja, dass wird ganz klar ein langer Tag.

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