Kapitel 47

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Müde räume ich das letzte Buch in meinen Spind, ehe ich ihn wieder schließe und mich erschöpft an diesen lehne. Heute ist Montag und der kleine Strandausflug ist nun schon zwei Tage her.

Und dennoch schaffe ich es nicht den nahen Moment zwischen mir und Ames zu vergessen. Es ist als wäre er seid dem in meinen Verstand gebrannt. Ich habe mir den ganzen Sonntag lang den Kopf über ihn, über mich und über unsere Beziehung zerbrochen.

Und dennoch bin ich nicht zu einer Antwort auf meine Frage gekommen, die ich noch nicht einmal kenne. Ich kenne die Frage nicht, die in meinem Kopf herumschwirrt. Und doch bin ich unglaublich fixiert darauf eine Antwort auf diese zu finden.

Vorher kann ich keine Ruhe geben.

"Können wir kurz reden?"

Eine bekannte Stimme holt mich zurück in die Realität und ich bin kurz überrascht, als ich Kolin neben mir stehen sehe.

Er sieht wie gedacht übel aus, was verständlich ist, wenn man bedenkt wie übel Ames ihn am Abend der Party zugerichtet hat. Sein Auge ist blau und angeschwollen, seine Nase von einem weißen Gips umschlossen und auf seinem Gesicht sind viele Blutergüsse, die wirklich schrecklich aussehen.

"Ich denke, dass das keine sehr gute Idee wäre, Kolin.", entgegne ich dann und sehe langsam zu ihm auf. Wenn Ames oder Aria erfahren würden das er gerade hier neben mir steht und auch noch mit mir reden möchte, würde das wahrscheinlich nicht gut enden.

Und da ich mir sicher bin das Kolin mehr als genug abgekriegt hat möchte ich nicht, dass die ganze Situation erneut eskaliert. Doch anscheinend habe ich die Rechnung ohne ihn gemacht, denn er bleibt weiterhin neben mir stehen und hält meinem neutralen Blick stand.

"Ich will nur eine Minute haben, Mia. Denn ich will mich bei dir entschuldigen."

Seine Worte überraschen mich um ehrlich zu sein nicht. Mir war bewusst das Kolin kommen würde, um sich bei mir zu entschuldigen denn egal wie sehr ich es auch vergessen möchte, ich kenne ihn. Sehr gut sogar. Und ich weiß, dass er mir das im nüchternen Zustand nie angetan hätte.

Denn so ist Kolin nicht. Vielleicht ist er ein Arsch und hat keine Skrupel, aber er würde mich niemals gegen meinen Willen anfassen und schon garnicht küssen.

"Das was ich auf der Party getan habe war unverzeihlich. Aber bitte glaube mir, wenn ich dir sage, dass ich das nicht wollte. Ich liebe dich noch immer, ich würde dir niemals mit Absicht wehtun.", erklärt er leise, doch ich verstehe jedes seiner Worte dennoch deutlich.

Die Schüler die an uns vorbeigehen schenken uns verwirrte Blicke, doch um ehrlich zu sein kümmere ich mich nicht mehr darum. Es ist mir mit der Zeit egal geworden, was sie über mich sagen oder meinen zu glauben.

Denn ich habe Aria, die nicht nur meine beste Freundin ist, sondern viel mehr als das, da sie alles über mich weiß und mich niemals verlassen würde, komme was wolle.

"Ich liebe dich wie schon gesagt noch, aber ich werde mich ab dem heutigen Tag von dir fernhalten. Ich bereue das was ich getan habe, auch wenn ich in diesem Moment nicht bei Sinnen war. Ich werde mir das alles sicherlich nie verzeihen können, auch die Sache mit Clarissa nicht."

Kolin stockt Schweratmend.

Doch zum aller ersten mal empfinde ich nichts bei dem Namen Clarissa. Ich empfinde keinen Schmerz, keine Trauer und auch keine Wut gegenüber ihr oder Kolin, denn ich habe damit abgeschlossen und es ist mir egal geworden.

Und verdammt, dass ich ein unbeschreiblich tolles Gefühl.

"Ich werde aufhören dich um eine zweite Chance zu bitten, denn die werde ich niemals mehr bekommen und die verdiene ich auch nicht. Du sollst nur wissen das ich das alles nicht wollte, ich wollte nicht dass das zwischen uns so endet. Und ich hoffe das du mir eines Tages verzeihen kannst.", beendet er seine Rede und verzieht kurz sein Gesicht, als er sich wieder von den Spinden abdrückt.

Schluckend sehe ich in seine klaren blauen Augen die mir erneut beweisen, dass er jedes seiner Worte ernst gemeint hat.

Ich seufze leise. "Ich weiß, dass du das alles nicht wolltest. Und ich schätze es das du gekommen bist, um dich bei mir zu entschuldigen. Aber ich kann dir noch nicht verzeihen. Ich habe es erst gerade verarbeitet und es wird sicherlich eine Weile dauern, bis ich sagen kann das ich es dir nicht mehr übelnehme."

Kolin nickt benommen. "Das weiß ich und das ist auch vollkommen nachvollziehbar. Ich wünsche dir wirklich alles gute, Mia. Das werde ich immer." Er schenkt mir noch ein letztes Lächeln, ehe er er an mir vorbeiläuft und mich somit alleine lässt.

Erschöpft stoße ich die angestaute Luft aus und möchte gerade den Weg zu meinem nächsten Unterricht antreten, als meine Augen auf etwas treffen und ich erstarrt innehalte.

Kurz scheint es als würde ich das Rauschen meines Blutes in meinen Ohren hören, als ich Clarissa am Ende des Ganges sehe. Doch das ist es nicht, dass mich wie erstarrt innehalten lies, viel mehr was er die Person mit der sie gerade spricht.

Vor ihr steht nämlich Ames, mein Freund. Und während sie sich gerade gegenüberstehen, hat Clarissa ein verführerisches Lächeln auf den Lippen und allein dieses Bild macht mich rasend. Wie sie da stehen, mit einander sprechen und wie sie ihn ansieht.

Schweratmend fasse ich mir an meine pochende Brust und versuche den bitteren Geschmack herunterzuschlucken, der sich in meinen Mund ausbreitet, was leider nichts bringt, denn das Bild lässt es immer wieder aufkommen.

Zitternd umschließe ich den Gurt meines Rucksackes und drehe mich genau in die gegengesetzte Richtung, um meinen Weg zum nächsten Unterrichtsraum weiter zusetzten, was leider schwerer ist als gedacht, denn der stechende Schmerz in meiner Brust scheint einfach nicht weniger zu werden.

Im Gegenteil es scheint, als würde ein schweres Gewicht auf meinem Herz ruhen und egal was ich tue, es verschwindet nicht.

Genauso wie das Bild von den beiden einfach nicht aus meinem Kopf verschwindet.

Doch der Schmerz rückt schnell wieder in den Hintergrund, als mir langsam klar wird warum ich mich so benehme. Warum mein Herz so wehtut und warum sich dieses stechende Gefühl in meiner Brust breit macht.

Denn die Antwort auf diese Frage ist auch die Antwort auf meine unbekannte.

Auf die Frage die ich mir die ganzen Tage hinweg schon stelle und auf die ich einfach keine Antwort gefunden habe.

Doch jetzt kenne ich die Antwort auf meine unbekannte Frage und sie scheint viel schwerwiegender zu sein, als anfangs gedacht.

Ich habe mich in Ames verliebt.

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