10.2

22 2 0
                                    

DieMusik dröhnte laut durch die Lautsprecher. Viele Körper bewegtensich mehr oder weniger rhythmisch zu der viel zu lauten Musik. Riebensich aneinander, umschlungen sich auf teilweise sehr obszöne Weise,doch außer mir schien sich keiner zu denken, dass sie sich dochlieber ein Zimmer nehmen sollten. Alles um sie herum schien sich eherebenfalls in die Parungszeremonie mit eingliedern zu wollen undverdammt nochmal, es war echt seltsam, dass sie sich nicht direkt dieKlamotten von ihren überhitzten Leibern rissen und sich an Ort undStelle ineinander versenkten.

Nochwährend ich ungläubig den Kopf schüttelte merkte ich, wie ich vonEm sanft aber bestimmt weiter gezogen wurde. Irritiert schaute ichmich um und bemerkte plötzlich diese Berge von Männern, die unsstumm, aber systematisch vom Rest der berauschten Meute abschottetenund uns anscheinend "Geleitschutz" zu unseren Plätzengaben. Meine Güte waren die riesig! Und ein Kreuz hattendie...Wahnsinn. Ich musste schon zugeben, dass sie mir doch enormAngst machten. Ja, man mag es kaum glauben, aber ich bin wirklich undwahrhaftig eine absolute Schissbuchse! Ich habe am Anfang Angst vorallem und jedem, besonders wenn sie etwa 2 Köpfe größer sind alsich und trotz meinem enormen Körpergewicht eine Person reicht ummich komplett abzuschirmen. Holladi, denen wollte ich nun wirklichnicht zu nah kommen. Entsprechend klammerte ich mich mit großenAugen an den Arm vom Em, die nur belustigt auflachte, als sie meinepanischen Blicke in Richtung der Secutitys sah.

"Andie wirst du dich gewöhnen müssen, die sind heute nur für unsda!", schrie sie mir zu, worauf hin ich ihr einen nocherschrockeneren Blick geboten haben musste, denn sie brach nunendgültig in Lachtränen aus. An unseren Plätzen angekommen, es waranscheinend eine der VIP-Loungen, bestellten wir uns etwas zutrinken, ich wie immer meine Cola, sie ein Cola-Bier und lehnten uns,sie mehr, ich weniger, entspannt zurück und beobachteten dieMenschen auf der überfüllten Tanzfläche. Noch immer vollzogen siedort ihre Paarungsrituale. Haut an Haut rieben sie ihre SchweißnassenKörper aufreizend aneinander. Über die Ästhetik, die einigen dabeivöllig fehlte wollte ich mir jetzt absolut keine Gedanken machen,denn insgeheim bewunderte ich genau diese Menschen. Die, die den Muthatten und vielleicht auch die Ignoranz, trotz dieser vielen anderenMenschen hier, sich einen Dreck darum scherten, wie bescheuert esaussehen konnte, wenn sie tanzten, obwohl sie weder Tanzschrittebeherrschten, noch Rhythmus in irgendeiner Art zu erfassenvermochten. Es interessierte sie nicht. Wie gerne würde ich das auchvon mir behaupten können? Sehr gerne. Aber ich konnte es nicht,schon gar nicht wenn ich neben Emma Watson in der VIP-Lounge saß.Also schlug ich den Takt kaum merklich mit den Fingern mit und bliebansonsten recht unbewegt, bis mir etwas einfiel. Langsam beugte ichmich zu Emma.

Stillhörte ich zu, nur langsam sickerten die Worte die Emma mir ins Ohrschrie in mein Bewusstsein. langsam, sehr langsam setzte sich dasPuzzle in meinem Kopf zusammen. Dennoch konnte ich es nichtvermeiden, dass meine Augen sich vor Erstaunen und Unglauben immermehr weiteten und sich pure Fassungslosigkeit auf meinenGesichtszügen ausbreitete. Viel zu unglaublich war das, was Emma mirda erzählte. Plötzlich war es, als hätte der DJ aufgehört Musikaufzulegen. Es war still um mich herum, totenstill. Nur Emmas Wortedrangen gedämpft zu mir durch. Mein Blick schweifte ab, suchte nachnichts Bestimmten. Einfach nur nach einem Punkt an dem ich festhaltenkonnte, solange meine Gedanken sich zusammenfügten. Die Menschen ummich herum bewegten sich in Slow-Motion, bis mein Blick auf einmalauf einen anderen traf. Eindeutig der Letzte, der mir genau jetzt indiesem Moment hätte begegnen dürfen. Sofort war die Slow-Motion unddie Stille wie weggeblasen. Die Realität hatte mich eingeholt undforderte mich mit dröhnenden Kopfschmerzen auf, endlich im hier undjetzt anwesend zu sein. Und das keine Sekunde zu früh.

DieMusik verschluckte das Geräusch, doch ich konnte ganz genau sehen,wie er von seinen Füßen gerissen wurde und unsanft auf dem Bodenaufschlug. Erschrocken war ich aufgesprungen. Panisch rannte ich indie Ecke in der er zuvor noch gestanden hatte. Hecktisch, aberdennoch um Freundlichkeit bemüht bahnte ich mir einen Weg durch dieMenschenmassen. Es war als wenn sich mir extra Viele in den Wegstellten, damit ich mein Ziel nicht mehr rechtzeitig erreichenkonnte. Wie ein nie endender Strom, stark und unüberwindbar.Verzweiflung stieg in mir auf und ich bemerkte schon den Klos, dersich in meiner Kehle bildete. Es würde nicht mehr lange dauern, bisdie erste Träne ihren Weg finden würde. Zu der Verzweiflung mischtesich Wut. Wut über die Menschen um mich herum. Wut über das ebenGehörte. Wut über genau den, der dort in der Ecke gerade seinenTribut für die schwachsinnigen Aktionen, die er sich immer einfallenließ, bekam. Gerade war der Mut dabei mich zu verlassen, als michjemand am Arm packte und etwas zurück zog. Erstaunt und mit Tränenin den Augen drehte ich mich zu demjenigen um und war erstaunt, indas Gesicht eines der Bodyguards zu schauen. Er lächelte mich kurzan, dann schob er sich an mir vorbei. Nochmals drehte er sich zu mirum und hielt mir seine Hand hin. Etwas irritiert schaute ich ihn anund es war klar, dass mein Körper mal wieder einfach funktionierte,ohne die Einwilligung meines Kopfes eingeholt zu haben. Denn obwohlich nichts verstand und mein Kopf blank zu sein schien, bewegte sichmeine Hand wie von alleine und legte sich in die seine. Kurz grinsteer zufrieden und ein grausamer Gedanke machte sich in mir breit, ohnedass ich es verhindern konnte. Warum grinste der Kerl denn so? Aufwas hatte ich mich hier gerade eingelassen? Wollte der michverschleppen? Um Himmels Willen! Was hatte ich getan? So schossen dieGedanken in meinem Kopf hin und her, während mich dieser Schrank vonMann hinter sich her durch die bebenden Körper manövrierte. Langsamaber sicher beruhigte ich mich, wie genau ich das hinbekam, ist mirnach wie vor ein Rätsel und meine Gedanken wendeten sich anderenThemenschwerpunkten zu. Zum Beispiel stellte ich fest, dass ichdiesen Kerl, der sich an meiner Stelle seinen Weg bahnte, nicht mehrangsteinflößend fand. Im Gegenteil. Grade fand ich ihn wie den Felsin der Brandung. Jemand, der sich kraftvoll und stark gegen dieMassen aufstellte. Für einen kurzen Moment wanderte mein Blick aufunsere ineinander verschränkten Hände. Er war ein lieber Mann. EinMann der Taten. Das spürte ich, denn obwohl er äußerlich sehr grobwirkte, ja sogar als bösartig und aggressiv dreinblickendabgestempelt werden würde, war sein Griff sehr sanft. Nicht hart,nicht schmerzhaft, nein. Fest und stetig, aber sanft. Sehr sanft, wieder Griff einer liebenden Mutter, die mit ihrem Kind an der Hand aneiner Straße entlang ging. Der Griff festigte sich jäh und ichwurde unsanft aus meinen Gedanken gerissen.

       

Allesdrehte sich um mich herum. Ich bekam keine Luft mehr! Krampfhaftversuchte ich zu atmen, doch etwas lag auf mir, verhinderte das ichatmete. WAM! Mein Kopf schlug unsanft gegen etwas sehr Hartes. Tränenschossen mir in die Augen, alles drehte sich und ich konnte nichtssehen. Alles war verschwommen und unklar. Und drehte sich. Oh Gott,mir war so schlecht...WAM! Etwas Hartes hatte mich an der Schläfegetroffen. Benommen wollte ich die Arme schützend vor mein Gesichthalten, doch ich konnte nicht. Es war als wären sie fest dort, woauch immer sie sich grade befanden, angewachsen. Meine Wangenglühten, meine Hände schienen eiskalt. Mein Kopf war ein einzigerMatsch-Haufen, eine einzige Masse aus sinnlosen Gedanken undSchmerzen. Panik stieg in mir auf. Warum war es so dunkel hier? Warumkonnte ich mich nicht bewegen? Eiskalt schlossen sich die Ranken derPanik um mein Herz und wie es mir schien auch um meinen Hals. WAM!Meine Schulter. WAM! Mein Bein. Schreie waren nun deutlich hörbar.Plötzlich konnte ich wieder atmen. Es war als wenn ein schweresGewicht von mir genommen worden wäre. Doch die Erleichterung hieltnicht lange an. WAM! Das letzte was ich mitbekam war, dass etwas michmit unheimlicher Wucht auf meinen Brustkorb traf. Mir sämtlicherestliche Luft, die ich in den letzten Minuten, unter größtenAnstrengungen in mich hinein geatmet hatte, aus meinen geschundenenLungen presste und mich dann fallen ließ. Fallen in eine Welt ausDunkelheit und Schmerz. Aus seltsamen Stimmen und unzähligenKreaturen, die nach mir griffen und an meiner Kleidung zerrten.

Schnapschuss = LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt