Kapitel 5

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Ich wurde wach von dem Lärm, der durch mein Fenster kam. Wer zur Hölle arbeitete denn da draußen und das auch noch samstags morgens? Als ich aus dem Fenster sah, sah ich Juli an irgendwas herum sägen. Ich riss mein Fenster auf und rief nach draußen: „Und du hast um diese Uhrzeit auch nichts Besseres zu tun, oder was?" Juli blickte zu mir hinauf und lachte kurz. Entweder wegen meiner Aussage, oder wie ich aussah, denn ich sah verdammt verschlafen aus, mit meinen verwuschelten Haaren und dem 'Star Wars' T-shirt. „Naja, ich will was an Camelot umbauen", antwortete er. „Du bist doch bescheuert! Samstags morgens! Was hast du denn da überhaupt vor?" „Nun", rief er zögerlich, „ich will so eine Art Balkon anbauen. Willst du jetzt rauskommen und dir ansehen was ich bisher gemacht habe?" Ich verzog das Gesicht: „Jetzt? So wie ich aussehe? So geh ich nicht raus!" Juli grinste schief. „Du siehst süß aus. Kreuzkümmel, verdammt süß, komm raus jetzt!" Kopfschüttelnd schloss ich mein Fenster und band meine Haare zu einem Pferdeschwanz. Ich lief die Treppe nach unten und ging durch unsere Terrassentür nach draußen. Durch das Loch im Zaun kletterte ich in seinen Garten und betrachte das Sammelsurium an Baumaterial und Werkzeugen um ihn herum. Wieder einmal schüttelte ich den Kopf. „Du bist verrückt", flüsterte ich. Juli wischte sich mit dem Handrücken über seine Stirn und zog mich an sich, um mich zur Begrüßung zu umarmen. Sein Körper war heiß vom Arbeiten in der Sonne. Stolz zeigte er, was er schon auf die Beine gestellt hatte, sein Balkon war so gut wie fertig. „Nicht schlecht", erkannte ich an.

Wir kletterten an der Leiter ins Baumhaus hinein. Der Balkon war am zweiten Stock, der Halle angebaut. „Darf ich ihn schon betreten?", fragte ich zögerlich. Juli nickte und vorsichtig ging ich auf den Balkon. Er war nach Süden ausgerichtet und die Sonne strahlte vom wolkenlosen Himmel. Auf leichte Schritte bedacht trat Juli neben mich, ich drehte mein Gesicht direkt in die Sonne. „Bei dem Wetter solltest du lieber einen Pool bauen." „Kannst doch wieder mit Fabi zum Kanal fahren", platze es aus ihm heraus und ging wieder nach innen. „Juli, was ist los? Beruhig dich mal bitte!" Auch ich drehte mich nun um. Die Nummer die Juli hier abzog nervte mich, solche Kommentare konnte er sich sparen.

Beleidigt ging ich wieder rüber ins Haus und verkroch mich in meinem Zimmer.

Später, klingelte es an der Tür. Genervt ging ich nach unten um zu öffnen, da niemand sonst zu Hause war. Joschka stand da vor mir, mit einem Ball, den er sich unter den Arm geklemmt hatte. „Hey", sagte er locker Ich, total perplex, antworte erstmal nicht. „Ich wollte dich fragen", legte Joschka aber schon los, „ob du mit Juli und mir in den Teufelstopf kommen willst. Später kommen noch ein paar andere. Juli meinte irgendwie, er könnte dich nicht fragen, du wärst sauer oder so. Siehst aber gar nicht so sauer aus." Er grinste breit. Ich immer noch irgendwie verwirrt und starrte Joschka verständnislos an. „Zieh dir einfach deine Fußballschuhe an und komm mit", gab er vor. Das tat ich dann auch.

Kurz darauf waren wir dann, auf unseren Fahrrädern, auf dem Weg zum Teufelstopf. Joschka fuhr zwischen mir und Juli und wir hatten bisher auch kein Wort gewechselt.

Im Teufelstopf waren schon ein paar Leute. Deniz, Leon, Vanessa - und Fabi. Wieder schaute ich zu Juli, doch anscheinend hatte er Fabi noch gar nicht gesehen. Ich stieg von meinem Rad. „Hi", rief ich in die Runde. Die anderen begrüßten mich, Fabi grinste mich verschmitzt an. Im ersten Moment, wusste ich einfach nicht, wie ich reagieren sollte, wegen der Szene heute Morgen. Aber genau wegen dieser Szene, ging ich direkt auf Fabi zu und umarmte ihn fest. Ich hätte mich am liebsten direkt zu Juli gedreht, aber das wäre echt auffällig gewesen. Eigentlich bereute ich es auch direkt wieder, denn ich wollte Juli eigentlich nicht provozieren. Und irgendwie, auch wenn ich es mir selbst nicht eingestehen wollte, hatte mich das, was Juli gesagt hatte, irgendwie verletzt. Aber von genau diesen Gedanken ließ ich mir jetzt nichts anmerken.

Aufgrund meiner schlechten Laune hatte ich keine Lust Fußball zu spielen, ich setzte mich einfach an den Rand. Verwirrt sahen mich Fabi und Joschka an. „Komm schon Emma, spiel mit", forderte Fabi mich auf. Ich gab nach und trottete aufs Feld. Auf dem Spielfeld kämpfte ich. All das, was sich in mir aufgestaut hatte, ließ ich raus. Ich gewann die Zweikämpfe und spielte jede Position.

Plötzlich spürte ich, wie mir ein wenig schwindelig wurde und blieb stehen und atmete tief durch. Für mich waren diese Kreislaufprobleme nichts Neues. Doch plötzlich wurde alles schwarz vor meinen Augen. 

Ich hörte, wie jemand meinen Namen rief, doch es kam mir unglaublich weit entfernt vor. Ich hatte Angst meine Augen zu öffnen, ich hatte Angst, dass das Licht mich blenden könnte. Langsam und blinzelnd öffnete ich sie doch. Und das erste was ich sah war – Juli. Er hatte sich über mich gebeugt, seine eine Hand um mein Gesicht gelegt, die andere an meinem Arm. Als ich ihn ansah, verschwanden die Sorgen aus seinen Augen, er lächelt kurz. Langsam blickte ich mich um, da saßen noch Deniz, Vivi und Darlene, ich hatte gar nicht gewusst, dass sie hier waren. Juli dreht sich rum und rief Joschka zu, er solle etwas zu trinken besorgen. Widerwillig schüttelte ich den Kopf. „Nein, ist schon ok, es geht", sagte ich, oder eher wollte ich sagen, denn meine Stimme war nur ein Wispern. Langsam richtete ich mich auf und Juli half mir hoch. Ich wollte schon aufstehen, doch Juli hielt mich zurück und hielt mir die Flasche Wasser hin, die Joschka geholt hatte. Vorsichtig nahm ich ein paar Schlucke. Im Grunde ging es mir schon viel besser, doch als ich sagte, wir sollten einfach weiter Fußball spielen, protestierten die anderen. Sie meinten, ich sollte nach Hause gehen und mich ausruhen. Begeistert war ich zwar nicht, aber Darlene hatte mich ja quasi gezwungen. „Ich fahre dich nach Hause", sagte Juli. Wieder wollte ich widersprechen, doch er bestand darauf. Mir war das irgendwie unangenehm, doch ich ließ es zu, denn ich wusste, dass er sich nicht davon abbringen ließ.

Als er mich im Beiwagen nach Hause gefahren hatte, öffnete meine Mutter die Tür. Ich drehte mich noch einmal. „Tschüss Juli .. und danke fürs Heimbringen", sagte ich nur und verschwand ins Haus.

Den restlichen Tag verbrachte ich im Bett am Laptop. Ich hatte weder Lust noch Kraft, irgendwas zu machen. Darlene rief mich später an und erkundigte sich, wie es mir ging, das fand ich echt süß. Nur von Juli hörte ich den ganzen Tag nichts mehr.
Im Grunde war ich erstmal froh, dass morgen Sonntag war und ich ausschlafen konnte. Und das tat ich.

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