Kapitel 24

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Müde, aber zufrieden beendeten wir das Training und als ich ansetzte, etwas zu trinken, wunderte ich mich erst, dass Darlene gar nicht bemerkt hatte, dass Maxi nicht hier war. Oder jedenfalls hatte sie nichts gesagt. Bevor sie fragen konnte, setzte ich zum Verabschieden an. Als ich mich zu meinem Fahrrad bewegte, stellte sich Felix neben mich und schaute mich durchdringend an. Er brauchte nichts zu sagen, ich verstand ihn auch so und als er sich auf sein Fahrrad setzte und los fuhr, folgte ich ihm. Während der Fahrt schwiegen wir und erst, als wir es uns nebeneinander in seinem Garten auf zwei Stühlen gemütlich gemacht hatten und er mir eine kalte Cola in die Hand gedrückt hatte, sagte er etwas: „Was ist los, Emma?“ Dann lag sein ernster Blick auf mir und ich konnte erstmal nur wieder seufzen. „Naja, ich hatte irgendwie Streit mit Juli“, begann ich vage meine Erklärung, doch wieder entgegnete Felix nichts, sondern wartete, dass ich weiter sprach. „Er war ja nicht in der Schule, weil er, wie soll ich es sagen“, versuchte ich das Thema zu umschiffen, „familiäre Probleme hat.“ „Mit seinem Vater“, gab er zurück und es klang mehr wie eine Feststellung, als eine Frage. Verblüfft schaute ich ihn an und schulterzuckend gab er zu: „Das war nicht schwierig zu erraten. Mit seiner Mutter versteht Juli sich gut und er und Joschka streiten sich zwar ab und zu, aber das ist meist nichts Weltbewegendes. Bleibt in näherer Verwandschaft nur sein Vater, zu dem er schon vorher ein schwieriges Verhältnis gehabt haben muss. Immerhin hatten sie lange keinen Kontakt.“ Wenn Felix so sprach, konnte ich manchmal nicht glauben, dass wir im gleichen Alter waren. „Ja, du hast Recht“, gab ich zu und war mir fast sicher, ein kurzes, siegessicheres Grinsen auf seinem Gesicht zu entdecken. „An dem Tag, als er nicht in der Schule war und auch nicht zu Hause, da hab ich ihn gesucht, weil ich besorgt war, und irgendwann auch gefunden. Dann hat er mir von einer heftigen Auseinandersetzung mit seinem Vater erzählt und er war völlig aufgelöst. Klar, immerhin will sein Vater sich einfach so aus dem Staub machen und ein neues Leben ohne ihn beginnen. Maxi hat sich auch Sorgen gemacht und ihn wegen seinen Problemen ausgefragt und jetzt behauptet Juli, ich würde mich zu sehr in seine Angelegenheiten einmischen und ich würde tratschen und sein Vertrauen missbrauchen. Er hat mich in der Schule fast angeschrien. Daraufhin bin ich noch am gleichen Tag rüber und habe ihm eine Ansage gemacht, dass ich mich nur um ihn Sorgen würde und so weiter. Gesagt hat er dazu nichts mehr. Und jetzt bin schon irgendwie sauer auf ihn. Und naja, was er darüber denkt, keine Ahnung. Das war so nicht geplant!“ Nachdenklich nickte Felix. „Was sagt Maxi dazu? Immerhin scheint er ja auch involviert zu sein.“ Diese Antwort fiel mir schwerer als ich gedacht hatte. „Maxi scheint enttäuscht zu sein“, begann ich zögerlich, „von Juli, dass er nicht ehrlich zu ihm ist, aber auch von sich selbst, dass er nicht früher gemerkt hat, was mit ihm los ist.“ Langsam wurde mir das alles unangenehm, Felix hier alles aufzutischen, was passiert war und ich wusste auch nicht, ob ich bereit war, noch weiter in meinen Gefühlen herumzustochern. Unruhig rutsche ich auf dem Stuhl hin und her und drehte die Cola in meinen Hände. „Emma, ist alles gut?“, fragte Felix nach, während er seine Hand auf mein Bein legte, das ich ohne, dass ich es wahrgenommen hatte, konstant auf und ab hatte wippen lassen. „Ja, aber ich wärme hier das Ganze schon wieder auf und tratsche die Probleme anderer Leute weiter und es bringt ja sowieso alles nichts und überhaupt will ich doch nur, dass alles wieder gut wird“, sprudelte es aus mir heraus. Verständnisvoll drückte Felix kurz mein Bein und mit ruhiger Stimme sagte er: „Es wird alles wieder gut, Emma. Aber das braucht Zeit. Juli braucht Zeit. Wenn er erstmal mit sich und seinem Leben wieder im Reinen ist, dann kannst du erwarten, dass er auch auf dich eingehen kann. Momentan ist das alles ein bisschen viel. Aber er hasst dich nicht, wenn du das denken solltest. Das könnte er nicht. Versuch du jetzt erstmal dein Leben zu leben. Die Zeit wird es richten.“ Er hatte Recht. Ich hasste es zwar, dass er damit Recht hatte, aber ich konnte mich dem nicht entziehen. „Danke, Felix“, murmelte ich und nachdem ich kurz meinen Kopf an seine Schulter gelehnt hatte, stand ich auf. „Immer gerne“, gab er zurück, als er mich zum Abschied in eine Umarmung zog. Dann machte ich mich auf den Nachhauseweg.

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