Kapitel 21 - Julis Sicht

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Ich bereute es. Ich bereute es so sehr. Ich hätte Emma nicht anschreien sollen. Dieser Ausdruck in ihrem Gesicht, zwischen Wut und Enttäuschung. Im tiefen Inneren hatte ich gewusst, dass sie meine Geschichte nicht weitererzählt hatte. Doch diese eine Stimme in mir hatte es mir immer und immer wieder eingeredet. Ich konnte durchaus verstehen, warum sie so ausgerastet war, auch wenn ich überhaupt nicht mit ihr gerechnet hatte. Und mit dem was sie sagte, hatte sie einen Nerv bei mir getroffen. Denn ich wusste, dass sie Recht hatte.
Maxi und ich waren beste Freunde seit dem er sich damals vor den Wilden Kerlen für mich eingesetzt hatte, doch viel reden war nie unser Ding, vor allem nicht über Gefühle und so etwas. Ich meine, er war Tippkick, dessen Markenzeichen vor dem härtesten Schuss der Welt das Schweigen war, und ich war Huckleberry, der Einzelgänger. Das viele Worte nicht unsere Stärke waren, erklärt sich von selbst. Darlene war eines der wenigen Themen neben Fußball, bei denen Maxi mehr zu sagen hatte. Doch meist drehte es sich darum, dass er sich nicht traute sie anzusprechen und dass er mir in Momenten, in denen uns keiner sonst hörte, zuflüsterte, wie toll sie aussah. Natürlich war es da für mich zuerst suspekt, dass er nur zum Reden bei mir auftauchte und mich ausquetschte.

Wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst war, wusste ich auch, warum ich das getan hatte, was in der Schule passiert war. Seit Emma in mein Leben getreten war, hatte sich etwas geändert. Ich musste mich plötzlich meinen Problemen stellen und konnte nicht mehr, von jedem akzeptiert, vor ihnen wegrennen. Sie war jetzt da, um sich mir, auch tatsächlich, in den Weg zu stellen. Natürlich kümmerten sich die anderen Wilden Kerle auch um mich, vor allem Maxi, doch niemand kratze so an meiner Oberfläche wie Emma. Diese neue Art machte mir Angst, weshalb ich so reagiert hatte, wie ich es getan hatte. Als ich in der Schule von der Toilette kam und Emma da stehen sah, wie sie mir wieder diesen mitleidigen Blick zu warf, da war einfach etwas in mir durchgegangen. Ich fühlte mich wie ein bedrängtes Tier, dass sich freibeißen musste. Und um mich freizubeißen, warf ich ihr diese halbgare Theorie an den Kopf, sie hätte mein Vertrauen missbraucht. Damit hatte ich zuerst das erreicht, was ich wollte: Emma verjagen. Doch anscheinend war sie zu sehr davon überzeugt, ich wäre zu retten, als dass sie es sich einfach machte und mich in Ruhe ließ. Wenn ich nicht schon verliebt in sie war, dann war ich es spätestens dann.  Ich konnte ihr nicht böse sein wegen ihrem Ausbruch, denn sie hatte mir einmal mehr gezeigt, dass sie sich um mich kümmerte, sonst wäre sie nie hier aufgetaucht. 

Die Frage war: War ich bereit, dass sich alles änderte? Und wenn, wie konnte ich das wieder gerade biegen, jetzt wo ich sie wortlos hatte abziehen lassen?

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