Kapitel 33

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Mein Herz klopfte wie wild, als ich auf dem Weg zu Juli war. Ich knetete meine Hände, eine nervige Angewohnheit die immer kam, wenn ich aufgeregt war oder nicht wusste was ich sagen sollte. Juli hatte keine weitere Nachricht geschrieben und mich plagte ein absolut schlechtes Gewissen. Der Streit war unnötig gewesen und ich hatte es durch mein kindisches Verhalten nicht besser gemacht. Juli und ich hatten wie zwei verletzte Tiere einfach angefangen, einander anzugreifen und ich bereute es.
Ich klingelte und Joschka öffnete die Tür. „Juli ist in seinem Zimmer", sagte er mit einem neutralen Ausdruck und verkroch sich dann wieder ins Wohnzimmer. Behutsam schloss ich die Tür hinter mir und atmete tief ein und aus, während ich zu Julis Zimmer ging. Nach meinem zögerlichen Klopfen rief er nur ein Ja und ich öffnete die Tür. Juli saß auf seinem Bett mit seinem Handy in der Hand und schaute mich mit einem aufmerksamen Blick an. Vorsichtig setzte ich mich zu ihm und da ich noch keine Worte hatte, nahm ich seine Hand. Er ließ es zu und streichelte mit seinem Daumen behutsam über meinen Handrücken. „Es tut mir leid, dass ich mich so bescheuert aufgeführt habe", sagte ich dann mit leiser Stimme. Das reichte aus, damit Juli mich an sich zog. Ganz fest drückte er mich an seinen Oberkörper und flüsterte ein „Mir tut es auch leid" in mein Ohr. Das hier war kein Moment der vielen großen Worte, es war ein Moment der Gefühle. Wir beide bereuten unser Verhalten und in der Art, wie Juli mich noch näher an sich zog spürte ich, dass auch er sich nach der kurz verloren gegangen Nähe sehnte. Auch ich wollte ihm nur nah sein und presste meinen Körper so nah an ihn wie nur möglich, bis ich seinen Herzschlag spüren konnte.
Nach einiger Zeit fragte Juli sogar, wie das Wochenende war. Kurz erzählte ich und erkundigte mich nach seinem Wochenende. Als er sagte, dass er nicht viel gemacht hatte und auf mich gewartet hatte, überkam mich wieder ein schlechtes Gewissen. Doch das wollte ich jetzt nicht zulassen. Wieso sollte ich auch ein schlechtes Gewissen haben, schoss es mir durch den Kopf. Wieder drohte ein Konflikt in mir aufzuschwellen. Nein, gerade hatten wir uns versöhnt, das wollte ich nicht zerstören. Juli zerstreute meine rasenden Gedanken indem er behutsam meine Haare beiseite schob, welche sich vor mein Gesicht gelegt hatten. Mit zwei Fingern hob er langsam mein Kinn an. Seine blauen Augen erwiderten meinen Blick, dann wanderten sie über mein Gesicht. Behutsam gab er mir einen ersten Kuss auf den Mund, dann einen auf meine Wange. Als hätte er Angst mich zu zerbrechen, verteile er leichte und sanfte Küsse auf meinem Gesicht, bis er über meinen Kiefer sich zu meinem Hals bewegte. Wenn das seine Art war sich zu entschuldigen, dann konnte ich damit gut leben. Mit den Küssen weckte er ein Verlangen in mir. Ich zog sein Gesicht zu mir, hielt es mit beiden Händen fest, bevor ich eine meiner Hände in seinem blonden Haar vergrub. Es war zuerst ein vorsichtiger Kuss, bis wir beide unseren Rhythmus fanden und beide fordernder wurden. Das hier war eine neue, ganz aufregende Nähe zu Juli. Mittlerweile hatte ich meinen Position auf seinen Schoß verlegt. In langsamen Bewegungen führte Juli seine Hände über meinen Körper und seine Finger hinterließen ein atemberaubendes Prickeln auf meiner Haut. So gern wollte ich mehr davon. Mehr von Juli. Auch ich bewegte meine Hände, hinab an seiner Brust, wo mir wieder die Bilder seines unbekleideten Oberkörpers durch den Kopf schossen. Seine Hände lagen an meinem unteren Rücken und er drückte mich noch näher, so viel wie noch möglich war. Das hier musste der Himmel sein, dachte ich noch, bis ein Geräusch uns beide voneinander los brachte. Nach einem kurzen aber energischen Klopfen schwang die Zimmertür auf. Genauso schnell wie Joschka im Türrahmen auftauchte, genauso schnell schwang ich mich von Julis Schoß. Ich versuchte einen möglichst unschuldigen Blick aufzulegen und meine Atmung wieder ein wenig zu beruhigen. Juli neben mir hatte sich aufrechter hingesetzt und eines seiner Beine angewinkelt, während er seine Haare hektisch wieder zurecht rückte. Joschka zeigte sich von unserem überraschten und atemlosen Anblick nicht beeindruckt. „Ein paar Leute wollen in den Teufelstopf, kommt ihr mit?", fragte er und lehnte sich lässig an den Türrahmen. Immer noch damit beschäftigt seine Frisur zu richten, glitt Julis Blick zwischen mir und seinem Bruder hin und her. „Äh", krächzte er nur. Ich zuckte mit den Schultern, denn auch wenn ich diese Zweisamkeit mit Juli genossen hatte, der Moment war vorbei. Dementsprechend konnten wir jetzt auch unsere Freunde treffen. „Ja, wir kommen mit", entgegnete Juli, was Joschka mit einem Nicken quittierte und wieder ging. Mit einem genervten Seufzen ließ Juli seinen Kopf zurückfallen. Ärgerlich grummelte er etwas vor sich hin, was ich nicht verstehen konnte, dann hob er seinen Kopf wieder und gab mir einen schnellen Kuss. Er sprang von seinem Bett auf und packte Sachen in seine Fußballtasche. „Ich muss auch noch meine Sachen holen", verkündete ich. „Kein Problem, ich hol dich gleich ab", sagte Juli, noch immer mit seiner Tasche beschäftigt. Gerade als ich an ihm vorbei aus dem Zimmer hinaus wollte, packte er noch einmal meinen Arm und zog mich für einen letzten leidenschaftlichen Kuss an sich. Grinsend löste er sich. „Mein Bruder kann manchmal echt die Hölle sein", murmelte Juli und sein Blick begann wieder über meine Lippen und meinen Körper zu wandern. Kurz lachte ich auf. „Vielleicht ein bisschen", flüsterte ich und gab ihm einen schnellen Abschiedskuss.
Mit schnellen Schritten ging ich zurück zu unserem Haus, warf was ich brauchte in meine Tasche und rief noch ein „Bin Fußball spielen" ins Haus hinein, in der Hoffnung, dass wenigsten einer meiner Eltern mich gehört hatte. Und so ließen wir den Sonntag noch mit einer letzten Runde Fußball ausklingen.

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