Kapitel 4

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Irgendwann mittags stand Fabi dann, mit seinem Fahrrad, vor meiner Tür. Schnell lief ich nach draußen und schnappte mir mein Fahrrad. Ich fuhr einfach neben ihm her. „Was hat es jetzt eigentlich mit dieser Mutprobe auf sich?", fragte ich. Da erzählte Fabi mir die ganze Geschichte der Mutprobe. Vom Revolverheld und der alten Holzbrücke über dem Kanal, wie sie gesprungen waren um ihren Mut zu beweisen und auch von dem Spiel gegen die Bayern. Ich hatte beim Zuhören gar nicht bemerkt, wie weit und wohin wir gefahren waren. Dann standen wir da, am Kanal, bei der alten Holzbrücke. Überwältigt sprang ich von meinem Rad und ließ es ins Gras fallen. „Da seid ihr runter gesprungen?" Fabi nickte stolz. „Nie im Leben!", entgegnete ich ungläubig. Er schaute zur Brücke und drehte sich wieder zu mir um und grinste. In seinen Augen sah ich das Funkeln, als er plötzlich sein T-shirt über den Kopf zog und seine Schuhe von den Füßen streifte. „Fabi", fragte ich langgezogen, „was hast du vor?" Kurz lachte er auf . „Du solltest wirklich auch springen!", rief er noch, während er auf der Brücke entlang rannte. „Fabi! Bist du wahnsinnig?" Doch bevor ich noch etwas sagen konnte, war Fabi schon gesprungen. Ich rannte zu dem Punkt von dem er gesprungen war und blickte nach unten. Langsam konnte ich seinen blonden Schopf wieder auftauchen sehen. Noch einmal schrie ich seinen Namen. Und dann, bevor ich wirklich drüber nachdenken konnte, hatte ich meine Schuhe ausgezogen und war ihm hinterher gesprungen. Erst beim Fallen dachte ich darüber nach wie viel Meter es waren. Und noch bevor ich diesen Gedanken fertig denken konnte, war ich in das Wasser eingetaucht. Schnell strampelte ich nach oben, und noch unter der Oberfläche konnte ich Fabi lachen hören. Über Wasser atmete ich tief ein. „Ich hätte nie gedacht, dass du springst", sagte Fabi, „du bist echt verdammt wild!" Ich grinste nur breit. Da tauchte ich unter und zog Fabi an seinem Bein unter Wasser. Und so lieferten wir uns einen Krieg im kühlen Wasser. Nach einiger Zeit kletterte ich an einer Leiter nach draußen. Ich legte mich in das Gras und schaute Fabi an, der jetzt vor mir stand. Wenn er ausatmete, sah man seine Bauchmuskeln, auf denen einzelne Wassertropfen glitzerten. „Du bist echt wahnsinnig", wiederholte ich. „Und du echt wild", gab er zurück und dann fingen wir nur an zu lachen.

Als Fabi mich am nächsten Morgen mit Juli abholte, grinste er breit. Ob er Juli von unserem Ausflug erzählt hatte?
Wir stellten unsere Fahrräder im Unterstand ab, Maxi, Leon und Marlon waren schon da.
Mit Maxi wartete ich vor der Schule auf Darlene, sie fuhr zusammen mit Rocce, der ja neben ihr wohnte, zur Schule. Als der Mercedes langsam vorrollte, bemerkte ich Maxis Blick. Er sah so wütend aus und sah ich da etwa Eifersucht? „Was ist los Maxi?", fragte ich. Er winkte ab: „Nichts ist los." Doch sein kritischer Blick verschwand nicht. „Dir passt es nicht das Darlene mit Rocce zur Schule kommt, hm?", bemerkte ich. Verständnislos schaute Maxi mich an. „Wie kommst du darauf?" „Maxi, ernsthaft?", bemerkte ich mit einem Schnauben. Da senkte er die Augen: „Naja, mir passt es einfach nicht, das Rocce sich alles mit seiner Kohle unter den Nagel reißen kann", murmelte er.
„Sie fahren nur zusammen zur Schule", erwiderte ich. „Außerdem .. weiß ich wie sehr du sie magst. Und auch wie sehr sie dich mag." Da schaute er mich nur kurz an, mit einer leichten Röte im Gesicht. Zufrieden lächelte ich und ging zu Darlene, um sie zu begrüßen.
Ich konnte mir mein Grinsen kaum verkneifen, einfach weil ich mich so über die Tatsache freute, dass Maxi genauso auf Darlene stand wie sie auf ihn. „Was ist denn mit dir los?", fragte Darlene. Immer noch grinsend schüttelte ich den Kopf: "Ach nichts." Ich war nämlich der Meinung das Maxi ihr selbst sagen sollte was er empfand.

Als ich lachend mit den anderen Darlene und den Jungs ins Klassenzimmer kam, musterte Vanessa mich wütend. Anscheinend konnte sie mich so wenig leiden wie ich sie. Sie drehte sich zu Leon und flüsterte ihm irgendwas zu, worauf er zu uns blickte. Inzwischen hatten wir uns schon alle auf unsere Plätze gesetzt. „Was hat die denn für ein Problem?", fragte ich Darlene. Die zuckte mit den Schultern: „Naja, die wilden Kerle haben sich eben ein wenig geändert, inzwischen interessieren sie sich für Mädchen, sie ist nicht mehr das einzig akzeptierte Mädchen, das passt ihr nicht. Deshalb kann sie uns auch nicht ausstehen." „Und was ist mit Leon?" „Der? Erstens vertritt er immer Nessis Meinung und zweitens hat er Angst, dass sich etwas in der Mannschaft ändern könnte, wenn einer von ihnen eine Freundin hat." Ich schüttelte nur den Kopf.

Während des Unterrichts schaute Fabi ständig in meine Richtung und lächelte mich an. Er hatte einfach dieses unwiderstehliche Lächeln. Als ich mich einmal grinsend zur Seite drehte, sah ich wie Juli mich anschaute. Er hatte die Stirn kraus gezogen. „Hab ich was verpasst zwischen dir und Fabi?", bohrte er nach und schaute zwischen Fabi und mir hin und her. „Wie bitte?", stieß ich so leise wie möglich aus. Frau Knier, unsere Mathelehrerin, blickte streng in unsere Richtung. Was war denn mit Juli los? Sah ich da etwa ... Nein das konnte nicht sein! Juli war doch wohl nicht eifersüchtig? „Wir beide waren gestern nur unterwegs, am Kanal, da wo ihr eure Mutprobe gemacht habt", klärte ich ihn auf. „Ach ja", murmelte er nur und widmete sich wieder den Aufgaben. Beleidigt drehte ich mich in die andere Richtung. Darlene schaute verstört zu uns, doch sagte nichts. Den Rest der Stunde redete ich weder mit Juli noch mit sonst irgendwem.

Doch in der Pause sprach Darlene mich dann darauf an, warum Juli und ich das Gesicht so verzogen hätten. Ich winkte nur ab. Aber Darlene wollte es genau wissen. Zwar kannte ich sie noch nicht lange, aber das war schon echt typisch für sie. „Ach, er hat sich so komisch aufgeführt, nur weil ich mit Fabi gestern unterwegs war und er mich im Unterricht andauernd angesehen hat und ach, was weiß ich, was der hat!" „Wo wart ihr?" „An dieser Holzbrücke über dem Kanal, dem Mutprobenort." „Ach ja? Und seid ihr dann auch rein gesprungen, ich mein, bist du dann mal eine Runde schwimmen gegangen mit Fabi?" Sie wackelte mit ihren Augenbrauen und grinste verschmitzt. „Mein Gott Darlene! Was hat das denn jetzt damit zu tun?" Doch Darlene ließ nicht locker und blickte mich weiter durchdringend an, mit diesem neugierigen Schmunzeln auf den Lippen. Ich verdrehte die Augen. „Ja, wir sind schwimmen gewesen, aber nur weil Fabi, dieser Verrückte, einfach von der Brücke gesprungen ist!" Darlene stieß ein kurzes Lachen aus: „Oh ich weiß warum Juli so blöd geguckt hat. Der ist eindeutig eifersüchtig!" Energisch schüttelte ich den Kopf. Auch den restlichen Schultag schwiegen wir uns nur an. Ich hatte auch nicht die Absicht das zu ändern, er hatte sich doch so beleidigt aufgeführt!

Sogar auf dem Heimweg waren wir beide still. Nur Fabi redete vor sich hin. „Hey Emma", sagte er irgendwann, „wenn du willst können wir heute noch mal zum Kanal fahren." Er grinste breit. In diesem Moment konnte ich nicht anders, als zu Juli zu sehen. Und meine Vermutung hatte sich bestätigt. Wenn Blicke töten könnten, wäre Fabi eiskalt vom Fahrrad gefallen. Zu Boden schauend, schüttelte ich langsam den Kopf. Zum Glück bogen wir gerade in den Fasanengarten ein, schnell radelte ich in unsere Hofeinfahrt. „Tschüss", rief ich noch schnell, bevor ich ins Haus verschwand.

Was passierte hier gerade?

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