Kapitel 14

1.4K 48 9
                                    


Mir wurde klar, dass wir beide gerade einfach so grundzufrieden mit unserem Leben zu sein schienen und ich genoss seine Nähe. Auch wenn wir beide nichts sagten, fühlte ich mich gut. Ja, selbst Schweigen war in Ordnung mit Juli, auch wenn ich sonst ein lauter Mensch war.

Er gab mir das Gefühl, dass ich so, wie ich war, in Ordnung war. Ein Gefühl der Sicherheit und Ruhe. Ich konnte mir nicht erklären, warum ich plötzlich so von Gefühlen übermannt wurde. Vielleicht kam es von der Stimmung des ganzen Tages oder von der Entwicklung zwischen Darlene und Maxi, die ich so mitverfolgt und auch mitgefühlt hatte. Und doch musste ich dann wieder an Tag am See mit Fabi denken, den ich auch so sehr genossen hatte und der mir auch so gut in Erinnerung geblieben war, mit dem Gefühl, den Adrenalinstoß vom Sprung und das Prickeln auf der Haut neben Fabi in der Sonne, direkt wieder spüren zu können. Ich ließ beide Tage vor meinem inneren Auge Revue passieren und bemerkte gar nicht, dass wir fast da waren. Erst Julis Worte rissen mich wieder aus meinen Gedanken: „Und hast du schon Pläne für morgen?" „Nein, bisher nicht. Aber vielleicht können wir wieder was mit den anderen unternehmen, noch ein bisschen das gute Wetter genießen." „Ja, so etwas wollte ich auch vorschlagen. Wir könnten etwas weiter weg, zum See fahren. Ist vielleicht ein bisschen schöner als am Kanal." „Sehr gute Idee. Vielleicht können ja auch noch die anderen aus der Mannschaft kommen." Zustimmend nickte Juli. „Sehr schön. Ich sag den anderen allen Bescheid." Zufrieden lächelte ich ihn an und bewegte mich auf unseren Hof zu. „Na dann, bis morgen. Schreib mir nochmal wegen einer Uhrzeit." Während er weiter zu seinem Grundstück lief, rief er: „Geht klar. Bis morgen."

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte Juli mir bereits geschrieben. Um 10 Uhr wollten wir uns vor meinem Haus treffen und von da aus zum See starten. Langsam schälte ich mich aus meinem kuscheligen Bett um ins Bad zu trotten. Noch ein wenig verschlafen handelte ich meine Morgenroutine ab und packte meine Sachen. Ich freute mich auf die anderen und einfach den Tag zu genießen.

„Da bist du ja endlich!", rief Joschka als ich auf die Straße trat. Er und die anderen lachten und ich schüttelte mit einem schiefen Grinsen den Kopf. „Es ist zwei Minuten nach zehn, verdammt!", antwortete ich und holte mein Fahrrad. Gemeinsam mit den drei anderen Jungs machten wir uns auf den Weg und sammelten noch die anderen ein. Die Stimmung war ausgelassen und das Tempo gemütlich. Immer wieder kam mir der Gedanke, wie viel Glück ich doch hatte. Ich war in eine fremde Stadt gekommen, in die ich nie wollte und jetzt, nur kurze Zeit später, war ich mit einem Haufen Leute unterwegs, die unglaublich gut zu mir waren, um das Wetter zu genießen. Konnte es mich besser treffen? Meine Gefühle erlebten einen Höhenflug. Dieser Höhenflug dauerte auch noch an, während wir zusammen badeten, Süßes aßen und Musik hörten.

Erst als ich kurze Zeit alleine am Ufer war, holte mich dieses kleine nagende Gefühl der Unzufriedenheit zurück. Zwar war heute bisher nichts weiter Auffälliges passiert, doch ich konnte diesen Gedankenkreisel in meinem Kopf nicht stoppen. „Okay, ich kann zwar keine Gedanken lesen, aber du bist unzufrieden und machst dir viel zu viele Gedanken. Das kann man ja spüren." Ich drehte mich überrascht um. Felix hatte sich hinter mir auf sein Handtuch gesetzt und schaute mich abwartend an. Seine Worte hatten mich aus meinen Gedanken gerissen und eiskalt erwischt, denn ich hatte ihn wirklich nicht kommen hören. Nach der ersten Schrecksekunde ließ ich geschlagen meinen Kopf sinken. „Ja, du hast Recht. Ist es so offensichtlich?", fragte ich mit zusammengezogenen Augenbrauen nach. Mit seinem typisch ernsten Gesichtsausdruck presste er die Lippen aufeinander und nickte. „Verdammt", flüsterte ich und Felix grinste in sich hinein und entgegnete: „Kein Panik. Ich erkenne sowas meistens auch schneller als andere. Willst du ein Stück gehen? Vielleicht zu dem Kiosk dort vorne und wir holen uns etwas zu trinken?" Zwar hatte ich eine große Flasche Wasser dabei, aber das erschien mir als eine sehr gute Idee. „Ja, das klingt gut", antwortete ich und band mir eines meiner mitgebrachten Handtücher um, um mich wenigstens etwas angekleideter zu fühlen. Zusammen trotteten wir also los, kauften uns ein kaltes, süßes Getränk und ließen uns einem der Holztische im Schatten nieder. „Hör zu", begann Felix und schaute mich wieder so ernst an, „ich will ich dich nicht bedrängen oder so. Du musst mir gar nichts erzählen. Aber wenn dir etwas auf dem Herzen liegt, was du ja schon mehrfach angedeutet hast, dann kannst du mit mir darüber sprechen. Ich würde versuchen dir so gut es geht zu helfen." Noch einmal atmete ich tief durch. „Aber du darfst mich jetzt nicht für bescheuert halten, wenn ich es dir erzähle", forderte ich. „Versprochen", antwortete er mit einem leicht schiefen Grinsen. „Na gut", begann ich, „seit ich hier bin verstehe ich mich ja mit den meisten hier sehr gut, aber vor allem auch mit Juli und Fabi. Und ich hab das Gefühl, wie soll ich das sagen, dass sie eventuell mit mir flirten. Zumindest meint Darlene das, aber ich bin mir nicht sicher. Und wenn ich was mit einem von den beiden unternehme, reagiert der andere ganz komisch darauf, vor allem Juli." Felix nickte und ich erklärte ihm, was in der letzten Zeit passiert war. Ich erzählt von dem ersten Ausflug mit Fabi zum Mutprobenort, von der Szene auf Julis Balkon, von dem Tag im Eiscafé und allem anderen. Immer wieder nickte Felix und schaute mich weiter mit ernstem Blick an. „Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll. Ich mag sie beide so gerne und verbringe gerne Zeit mit ihnen. Und was ist, wenn ich ihr Verhalten komplett falsch deute und sie gar kein besonderes Interesse an mir haben? Das wäre so peinlich!" Mit einem Seufzer stütze ich mein Gesicht in meine Hände. „Ich verstehe. Nun, ich denke nicht, dass du dir etwas einbildest. Ihr Verhalten weißt durchaus schon darauf hin, dass sie ein besonderes Interesse an dir haben. Die Sache ist die: Fabi hat nun mal seine forsche, aber charmante Art. Er ist selbstbewusster und sehr direkt. Ich denke, dass das Juli so stört. Er will vermutlich auch so mit dir umgehen können, aber er traut sich nicht, weil er ja eher ein Einzelgänger war früher und immer noch nicht so aus sich raus gehen kann. Dennoch ist Juli der ehrlichste und aufrichtigste Mensch den ich kenne. Ich will damit nicht sagen, dass Fabi das nicht ist. Fabi ist ein Kerl, dem du vertrauen kannst und mit dem du verdammt viel Spaß haben kannst. Und Juli ist jemand, der alles für seine Freunde tut und der nie eine Rolle spielt. Wie auch immer, ich kenne die beiden genug, um zu sagen, dass sie das, das sie zeigen auch so meinen. Ich verstehe auch, dass das schwierig für dich ist, aber es ist ja nicht so, dass du eine lebensbeendende Entscheidung treffen musst. Was auch immer sich hier entwickelt, es steht alles noch am Anfang. Horche in dich hinein, was du fühlst. Auch wenn das nach einem totalen kitschigen Rat klingt, ich denke, du selbst musst wissen, was du willst und weder ich, noch jemand anderes kann das für dich entscheiden." Für einen Moment war ich sprachlos und musste mir Felix Worte erstmal durch den Kopf gehen lassen. Nach ein paar Sekunden, bedankte ich mich bei ihm. „Du weißt gar nicht, wie hilfreich du für mich bist. Danke, dass ich dir das anvertrauen konnte." Er bedachte mich mit einem Lächeln und drückte meine Hand. „Gern geschehen", gab er zurück und schlug dann vor, wieder zurück zu den Anderen zu gehen.

Angekommen an unserem Platz am Ufer beäugte Darlene mich mit ihrem neugierigen Blick, was mich ein wenig zum Schmunzeln brachte. Natürlich wollte sie wissen, worüber ich mit Felix geredet hatte. Jedoch würde sie sich gedulden müssen, denn ich wollte das mit ihr in Ruhe besprechen und außerdem erstmal die Zeit am See genießen. Felix und ich ließen uns nebeneinander nieder und dafür bekam ich auch prompt einen skeptischen Blick von Juli, der noch mit Maxi und Joschka direkt am See stand. Das entging Felix aufmerksamen Auge nicht und mit einem schiefen Lächeln flüsterte er mir ins Ohr: „Verdammt, du hast ihm anscheinend wirklich den Kopf verdreht." Gespielt empört schlug ich ihm gegen den Arm, was wiederum Darlene wieder neugierig aufhorchen ließ. Sie rückte näher zu mir, doch ich verwies sie leise auf später und sie nickte.

Die restlichen Stunden am See verliefen ruhig und ich genoss die Zeit mit den anderen.

Auf dem Weg nach Hause schlug Darlene vor, noch einmal zu ihr zu fahren um zu quatschen, was ich für eine gute Idee hielt. Also schlugen wir mit unseren Rädern, nachdem wir uns von den anderen verabschiedet hatten, den Weg zu ihrem Haus ein. 

Neu in GrünwaldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt