Ich beobachtete. Wie immer. Denn wer ausgiebig beobachtet und wahrnimmt, der weiß alles, was er wissen will, ohne danach fragen zu müssen. Eine Eigenschaft, die ich mir über die Jahre angeeignet hatte. Dazu gehörte auch das wenige Reden und das umso mehr zuhören. Auch wenn ich mir eigentlich nicht viel aus Tratsch machte, mochte ich es informiert zu sein. Außerdem machte es mich zu einer Anlaufstelle für Ratschläge, was insbesondere Emma in letzter Zeit erkannt hatte. Die Arme hatte es auch wirklich nötig gehabt. Als unbedarfte, extrovertierte und durchaus hübsche Fremde wurde sie in diese Dynamik aus Freunden geschmissen und trotz unseres Zusammenhalts es geschafft, uns einmal kräftig aufzuwirbeln. Dafür brauchte ich zu aller erst nur Maxi und Darlene ansehen. Ich wusste, dass Juli und Emma da ihre Finger drin hatten. Öfter hatte ich sie tuscheln sehen, den beiden Seitenblicke zuwerfend. Anscheinend war ihr Plan aufgegangen, etwas, das Juli allein nie geschafft hatte. Wenn er es überhaupt wirklich schaffen wollte. Von dem was ich wahrnahm, schienen die beiden glücklich zu sein. Darlene lachte in Maxis Gegenwart oft und ausgelassen und er war offener und gefühlvoller, als in all den Jahren die ich ihn kannte. Was ich zu schätzen wusste. Auch wenn man von Jugendlieben halten konnte was man wollte, neben Leon und Vanessa, die schon ein eingespieltes Team waren, schienen die beiden mir noch am harmonischsten. Vivi und Deniz hingegen führten eine Beziehung wie eine Achterbahnfahrt. Auch am heutigen Abend schienen die beiden zwischen Die-Finger-nicht-voneinander-lassen-können und Zentimetern bis zum Streit zu wanken. Das Vivi mit ihren langen blonden Haaren und ihren eisblauen Augen eines der attraktivsten Mädchen unserer Schule, und auch in der Bowlinghalle, war, schien die Sache nicht zu vereinfachen. Ein wenig Eifersucht konnte man Deniz nicht verdenken, doch er blieb einfach Deniz die Lokomotive und der konnte eben vor allem eines gut: Mit dem Kopf durch die Wand, auch wenn er sich dabei die Nase brach. Das war in ihrer Beziehung nichts anderes. Vivi war in ihrem Wesen ähnlich, was es natürlich nicht einfacher machte. Die beiden hatten eine Anziehungskraft zueinander, die beinahe so stark war, dass sie einander wieder abstießen.
Und dann war da Emma. Emma, mit ihren dunkelblonden Haar, dass sie zu einem Dutt hochgesteckt hatte und ihrem nicht versiegenden Grinsen, in schwarzen Skinny Jeans und einem Shirt ihrer Lieblingsband. Unwillkürlich musste ich dem Kopf schütteln, während ich sie beobachtete, wie sich einen weiteren kläglichen Versuch startete ein paar Punkte in ihrem Zug abzustauben. „Das nächste Mal wird es", versuchte Juli sie mit einem Lächeln und einem Kuss sie aufzuheitern, was Emma nur mit einem Lachen quittierte. Sie war sich wirklich im unklaren über ihre Ausstrahlung, ob das vielleicht mit Erfahrungen zusammenhing, die sie früher gemacht hatte? Bevor sie uns kannte? Ich war nicht verwundert darüber, dass Juli sich in sie verliebt hatte, Hals über Kopf. Bei Gefühlen lebte Juli oft nach dem Motto „Alles oder nichts". Alles für meine Familie, oder nichts. Für meine Freunde alles geben, oder nichts. Emma alles geben, oder nichts. Aber Juli hatte es nie anders gelernt. Entweder er gab 100% oder er sah keinen Erfolg. Aber diese Strategie funktionierte eben nicht immer. Vor allem dann, wenn man 100% von einem Menschen wollte, der einen noch lange nicht genug kannte, um ihm 100% zu geben. Mein weiterer Gedankengang wurde unterbrochen, als mein Name gerufen wurde. Mein Zug. Ich lieferte einen soliden Wurf, der mir ein paar gute Punkte einbrachte, die mich ins Mittelfeld auf der Punktetafel katapultierten. Auf Emmas Jubeln reagierte ich mit einer halbernsten Verbeugung und einem kleinen Lächeln. Emma grinste zurück. „Ich wünschte, ich würde wenigstens mal einen solchen Wurf hinbekommen", seufzte Emma. „Ich gebe dir bei deinem nächsten Wurf Hilfestellung", bot Juli an. Darauf lachte Emma wieder und antwortete: „Ich weiß zwar nicht, ob das hilft, aber einen Versuch könnte es wert sein." Ich setzte mich zu den beiden. Was auch dazu führte, das Fabi seinen Blick auch über mich wandern lies. Es war so offensichtlich wie er Emma beobachte. Und das Juli das auch sah, war Juli die meiste Zeit in seiner Anspannung anzumerken. Auch wenn ich es Fabi nicht zugetraut hatte, schien das alles für ihn nicht nur ein Spiel gewesen zu sein, auch wenn seine lockere Art es so hatte aussehen lassen. Neben mir kuschelte sich Emma in Julis Seite, unberührt von dem, was um sie herum passierte. Maxi führte seinen Wurf aus und führte damit die Punktetabelle weiter an. Joschka, der den zweiten Platz belegte, lies darauf einen stichelnden Spruch fallen, auf den Maxi prompt eine Antwort hatte. Die beiden lieferten sich einen kleinen, amüsanten, verbalen Schlagabtausch, der durch Darlenes Jubel unterbrochen wurde. „STRIKE!", rief sie und die Anzeigetafel über ihrem Kopf zeigte eine dieser schlecht animierten Grafiken, wie ein Bagger eine komplette Mauer einschlug. Von Maxi ließ sie sich dafür mit einem High Five und einem Kuss entlohnen und auch ihre beiden Freundinnen schlugen mit ihr ein. Selbst Vanessa lies ein anerkennendes Lächeln springen, was Darlene erwiderte.
Die Stimmung war ausgelassen, so wie schon länger nicht mehr. Mit dem Beginn der neuen Saison und den neuen Beziehungen hatte sich eine gewisse Spannung eingeschlichen, nur heute schien das kein Thema zu sein. Jedenfalls hoffte ich, dass sich das für den ganzen Abend bewahrheiten würde. Das setzte voraus, das weder Juli und Joschka sich streiten würden, Deniz in Eifersucht geraten würde oder Juli mit Fabi Streit anfing. Die Liste möglicher Disaster war eigentlich noch länger und ich konnte nichts dafür, dass ich darüber nachdachte. Mein Gedanken liefen immer zwischen dem, was ich sah und dem was sein könnte. Ich versuchte mich auf den Moment zu konzentrieren, auf den Spaß mit meinen Freunden. Ich schreckte aus meinen Gedanken, als Emma sich nach ihrem Zug wieder neben mir niederließ. „Na, denkst du über den nächsten Wurf nach? Oder steckst du in anderen Gedanken?" Sie lächelte mich an und ich versuchte ein Lächeln zurückzugeben. „Ich berechne noch den Wurfwinkel. Du weißt schon, Kraft, Reibung, Energieverlust und so", entgegnete ich. „Hör bloß auf! Physik ist der hässliche Bruder von Mathe und Mathe ist schon zum kotzen!", antwortete Emma und ich konnte mir ein kleines Lachen nicht verkneifen. „Na dann schau jetzt mal zu und staune, wohin Physik einen so bringen kann", verkündete ich und machte mich bereit für meinen nächsten Wurf. Glücklicherweise, und ohne, dass ich wirklich länger darüber nachgedacht hätte, verwandelte ich einen Strike. „Nicht dein Ernst!", rief Emma mir lachend entgegen, was ich mit einem Zwinkern quittierte. Glückstreffer, dachte ich zu mir. Juli setzte sich daraufhin auf den Platz neben Emma und legte seine Hand auf ihr Knie, seinen Blick von mir abgewandt. Alles klar, Herr Reik, Nachricht angekommen. Da mein Platz vergangen war, stellte ich mich kurzerhand zu Leon und Fabi, die sich angeregt unterhielten.Nachdem Maxi das Spiel siegreich beendet hatte, rüsteten wir uns für die Rückfahrt. Wir nahmen den Bus und drängten uns alle auf die Sitze am hinteren Ende des Busses. Mitten in die ausgelassenen Gespräche eröffnete Leon, dass der Laden seines Vaters gerade leer geworden war, doch wenn wir wollten, konnten wir gerne noch vorbei kommen, er würde uns einladen. Da brauchte Leon nicht zweimal fragen, zu gerne ließen wir uns alle auf dieses Angebot ein.
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Mal eine ganz neue Perspektive heute! Ich bin gespannt, wie Felix Perspektive ankommt bei euch, gebt mir gerne eine Rückmeldung, auch oder eher vor allem, wenn es euch nicht gefallen hat. Die Idee kam mir und es ging mir so schnell von der Hand, dass ich sie vollendet habe. Anders wäre ich glaube ich auch einfach stecken geblieben. Bleibt mir nur noch liebe Grüße zu sagen ☺️
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Neu in Grünwald
Fanfiction„Du gehörst hierher, glaub mir'', raunte er. Ich lachte: „Ach ja?". Ich sah von der Seite wie er nickte. „Und es war wahrscheinlich auch noch Schicksal, dass ich hierher gezogen bin", scherzte ich und wendete mich ihm wieder zu. „Wer weiß?", sagte e...