Kapitel 17

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Der Schultag am Dienstag begann mit einer nicht so freundlichen Überraschung: Einem Überraschungsvokabeltest. Die Blicke all meiner Mitschüler bei der Verkündung dieser Nachricht sprach Bände. Keiner war vorbereitet oder begeistert. Wir aus der letzten Reihe versuchten einander ein wenig auszuhelfen, in dem wir unsere Blätter so schoben, dass der Nachbar sie lesen konnte oder indem wir Lösungen sichtbar auf den Tisch schrieben. Erstaunlicherweise blieb unser Teamwork unbemerkt und wir konnten uns mit einem hoffentlich passablen Ergebnis durch den Test mogeln.

Dieser Test war natürlich das Gesprächsthema in der Pause, genauso wie die Arbeiten der nächsten Tage. „Ich hasse Geschichte", maulte Vivi und verzog das Gesicht, worauf einige zustimmend nickten. Langsam bewegten wir uns zu dem kleinen Kunstrasenplatz der Schule, wobei wir Mädchen uns erstmal nur an den Rand setzten. Doch Maxi schaffte es Darlene zum Mitspielen zu überreden und somit auch uns. Irgendwie tat es ja auch gut, sich ein wenig auszupowern, bevor man wieder neunzig Minuten herumsitzen musste. Und die zogen sich auch ewig. Deutsch bei Herr Hochmuth konnte wirklich eine Belastung für die Nerven sein, vor allem wenn er mal wieder total vom Unterricht abkam und Geschichten über sein Leben erzählte, wie über seinen Dackel Axel. Den liebte er nämlich über alles. „Oh mein Gott", stöhnte Darlene dramatisch und stützte ihren Kopf in die Hände, „Noch ein Wort über den verdammten Dackel und ich flippe aus!" Kichernd lehnte ich mich an ihre Schulter und versuchte mein Lachen zu verstecken, um einer Ermahnung zu entgehen. Leise fragte ich sie, ob bei ihr und Maxi alles gut sei. Wir begannen über ihre Beziehung so leise wie möglich zu tuscheln, wobei sie mir erklärte, dass im Grunde alles gut lief und wie glücklich sie war. Aber das Strahlen in ihren Augen sagte eigentlich schon genug. Erst ein strenger Blick unseres Deutschlehrers brachte uns wieder zum Schweigen.

Am Mittag wollten wir uns zum Fußball spielen im Teufelstopf treffen und auf dem Heimweg sicherte Fabi mir zu, mit mir etwas später dorthin zu fahren, da ich zur ausgemachten Zeit nicht da sein konnte. Zuerst musste ich einen Besuch meiner Großmutter überstehen. Im Grunde liebte ich sie, aber sie hatte ganz klare Vorstellungen davon, was ich tun sollte und das war mich endlich ausgiebig der Musik zu widmen. Jahrelang hatte ich Klavierspielen üben müssen, genauso wie meine Mutter. Meine Oma als ehemalige mittelmäßigbekannte Pianisten mit einem Hang zum Perfektionismus würde wahrscheinlich austicken, wenn sie hörte, dass ich seit unserem Umzug hierher nicht einmal am Klavier gesessen hatte. „Ausdauer und Disziplin sind der Schlüssel zum Erfolg" – Das war ihr Leitspruch. Auch wenn meine Mutter ihr immer wieder klarzumachen versuchte, dass die Musik einfach nicht meine Leidenschaft war, ließ sie nicht davon ab, vor allem wenn meine Mutter es gerade nicht hörte, gab es für sie nur ein Thema und zwar, wie ich spielte, was ich spielte, wie oft ich übte und ob ich Auftritte hatte. Mir graute es vor ihrem Kontrollzwang, wenn es um dieses Thema ging, der leider ihre eigentlich liebevolle Art sehr zerstörte.

Während ich gedacht hatte, sie würde erst später kommen, zu Kaffee und Kuchen, musste ich feststellen, dass sie bereits in der Küche saß. Mit einer dicken Umarmung wurde ich empfangen und den Worten: „Ach meine Prinzessin, wie habe ich dich vermisst." Schnaubend antwortete ich: „Oma, wirklich, so lange ist das jetzt auch noch nicht her." Während meine Mutter mir etwas zu Essen auf den Tisch stellte, wollte meine Großmutter alles über meine neue Schule, meine Freunde und, natürlich, mein Klavierspiel wissen. Im letzten Punkt fiel mir nichts Besseres ein als zu Lügen, denn ich konnte es nicht übers Herz bringen, ihr die Wahrheit zu sagen, vor allem auch, weil ich keinen Vortrag über die Wichtigkeit von regelmäßiger Übung hören wollte. Glücklicherweise unterstütze meine Mutter mich bei dieser Notlüge, denn auch sie hatte wahrscheinlich genug von ihren Lektionen und geschickte lenkte meine Mutter dann noch auf ein anderes Thema, nämlich die Nachbarinnen meiner Oma. Über die konnte sie sich nämlich auch ohne Punkt und Komma auslassen. Aus Höflichkeit blieb ich noch ein wenig sitzen und nickte immer wieder zustimmend, bevor ich aufstand und mein Geschirr in die Spülmaschine räumte und verkündete, dass ich jetzt ganz dringend los müsste. Mein Kommentar blieb ziemlich ungeachtet und ich stahl mich aus der Küche um mich umzuziehen und meine Fußballtasche zu schnappen. Schnell schrieb ich Fabi noch eine Nachricht, dass ich jetzt bereit zum Aufbrechen war und kurze Zeit später waren wir auch schon auf dem Weg zum Teufelstopf.

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