Auf dem Schulweg am nächsten Morgen ließen Juli und ich uns ein wenig zurückfallen. Ich erzählte ihm, von unserem gestrigen Mädelsabend. „Das klingt toll. Vivi war bestimmt dankbar, dass ihr für sie da seid", entgegnete Juli. Ich nickte. „Ja, ich denke schon, aber es scheint ihr immer noch schwer zu fallen, über ihre Beziehung zu reden", antwortete ich. „Mach dich deswegen nicht fertig", sagte Juli, „wenn sie soweit ist, dann wird sie zu euch kommen. Die Zeit wird es richten." Hatte ich diesen Satz nicht schon einmal gehört? Juli schenkte mir ein ermutigendes Lächeln und ich erwiderte es. Seine Worte waren warm, ganz im Gegenteil zu diesem Morgen. Es war vernebelt und kühl und ich wartete nur darauf, dass wieder ein Regenschauer losbrechen würde. Alleine der Gedanke daran, ließ mich erschaudern, vor allem, weil ich Fahrrad fahren im Regen hasste. Mein Blick glitt immer wieder misstrauisch gen Himmel. „Hey Joschka, was sagt dein inneres Wetterradar?", fragte ich halb im Scherz, halb im Ernst. Joschka verstand es anscheinend nur als Witz auf seine Kosten und warf mir einen vernichtenden Blick zu. Doch kurz zuckte sein Mundwinkel nach oben. Glück gehabt, er war nicht sauer. „Für dich nur Gewitter", rief er mir zu und trat etwas kräftiger in seine Pedale. „Kleine Kröte!", rief ich zurück und hörte Juli neben mir lachen. Scherze über seinen kleinen Bruder amüsierten ihn immer, aber auch Fabi lachte. Mir fiel jetzt erst wieder auf, wie lange ich das nicht mehr gehört hatte. „Ich weiß, du hoffst es regnet nicht", begann Fabi an mich gerichtet, „aber ich glaube du hast heute Glück. Es soll erst heute Nacht regnen." „Hast du jetzt auch ein siebten Sinn für Meteorologie?", zog ich ihn auf und er verzog das Gesicht. „Nein, aber eine Wetter App auf meinem Handy, du Spezialistin", entgegnete er. „Na gut", gab ich mich zufrieden. Vielleicht sollte ich auch mal anfangen diese zu benutzen und nicht immer einfach nur darauf zu hoffen, dass es draußen trocken und warm war, nur um dann von Kälte und Regenschauern überrascht zu werden. Juli betrachtete mich mit einem amüsierten Blick. In diesem Punkt waren wir doch Gegensätze: Während ich in der Schule immer organisiert und durchgeplant war, war ich in lebenspraktischen Dingen eine echt Niete, Juli hingegen fand sich schon weit über sein Alter hinaus im Leben zurecht und war dafür ein absoluter Chaot in der Schule. Vielleicht war es doch gar nicht so schlecht, dass wir einander gefunden hatten.
Vivi war heute erstaunlich früh in der Schule und kam nicht erst kurz vor Unterrichtsbeginn in den Klassenraum gestolpert. Stattdessen wartete sie gemeinsam mit Darlene auf meine Ankunft und nahm mich fest in den Arm, als ich mein Fahrrad abgestellt hatte. Das unser gestriger Besuch bei Vivi etwas ausgelöst hatte, zeigte sich auch in der Pause. Wir drei Mädels setzten uns auf unseren Platz unter den Bäumen und begannen zu quatschten. Vivi begann mit ernsten Worten: „Naja, ich hab ja schon angedeutet, dass es momentan nicht so gut läuft. Deniz und ich sind wirklich noch nicht lange zusammen, deshalb hätte ich nie gedacht, dass wir schon solche Streitereien hätten. Aber es sind diese ganzen Fragen und Sprüche die immer wieder kommen. Wo bist du? Wo gehst du hin? Willst du schon wieder ohne mich weg? Wer wird da sein? Ich meine, die meiste Zeit hänge ich sowieso mit euch oder den Wilden Kerlen ab. Und wenn ich das mal nicht tue, dann dreht er sofort am Rad. Tja, und wenn es mir dann zu viel wird, dann werd ich halt auch frech und gemein zu ihm und eigentlich will ich das nicht. Ich weiß gerade einfach nicht, was ich machen soll." Ihr Blick schweifte mit trauriger Miene über den Schulhof. Darlene ergriff das Wort: „Eifersucht hat in der Regel eine Ursache, hast du es schon mal so versucht anzugehen? Mit ihm heraus zu finden, warum er so eifersüchtig ist?" Vivi legte den Kopf schief. „Noch nie so richtig glaube ich, oft sind wir einfach nur in Streit ausgebrochen." „Einen Versuch wäre es aber wert oder?", warf ich ein. „Definitiv", entgegnete Vivi, „bisher haben wir uns immer nur Sachen an den Kopf geworfen, weil wir beide beleidigt waren." „Berichte uns dann, wie es lief", sagte Darlene und wir beide drückten unsere Freundin. Uns war klar, dass Ratschläge geben immer einfach war, im Gegensatz dazu, diese umzusetzen, aber die Situation einfach nur hinzunehmen war ja auch keine Lösung. Vivi wechselte das Thema auf das Wochenende, an dem schlechtes Wetter vorhergesagt war und wir deshalb überlegten, was wir unternehmen könnten. Das wir uns das Spiel der Jungs anschauen würden stand schon mal fest, aber all die Dinge die wir sonst immer gemacht hatten waren eher Aktivitäten für gutes Wetter. „Wie wäre es mit Bowling?", schlug Darlene vor. Ich verzog das Gesicht. „Darin bin ich absolut schlecht. Noch schlechter als in Mathe!", verkündete und meine Freundinnen warfen mir einen belustigten Blick zu. „Ich finde die Idee gar nicht schlecht und außerdem macht Übung den Meister Emma", warf Vivi ein. Kurz rollte ich die Augen. Meine Freundinnen waren Feuer und Flamme für die Idee, also sparte ich mir meine Einwände. Ich war eindeutig überstimmt. Am Ende der Pause präsentierten sie den anderen ihre Idee. Die Jungs stimmten zu und freuten sich sichtlich, auch wenn es noch ein bisschen hin war zum Wochenende.
Nach der Schule quartierte ich mich direkt bei Juli ein. Meine Mutter informierte ich per SMS. Ich konnte gar nicht anders, denn erstens machte Julis Mutter ihre ausgezeichnete Lasagne und zweitens sollte Juli mir in Mathe helfen. Das war die nächste Klassenarbeit die anstand und ich war dem Thema noch immer hinterher. Juli sah das Ganze optimistisch und glaubte fest daran, dass ich es begreifen könnte. „Außerdem muss ich mich noch für die Geschichte Nachhilfe revanchieren", erklärte er, während er die Haustür aufschloss. „Hey Mama, ich hab Emma mitgebracht", brüllte er, während wir nach drinnen gingen. Mit einem schüchternen Lächeln begrüßte ich seine Mutter, die den Kopf in den Flur streckte. „Sehr schön, das Essen ist gleich fertig", verkündete sie. Nachdem wir alle unsere Schulsachen abgestellt hatten, deckten wir zu dritt den Tisch. Beim Essen fragte Julis Mutter uns über die Schule aus. Joschka gab dabei nur knappe Erzählungen von sich, während Juli etwas mehr zu berichten hatte, unter anderem auch von der anstehenden Mathearbeit. Wie immer konnte ich meine Gesichtszüge nicht kontrollieren, weshalb bald das Wort an mich gerichtet war. „Ist alles in Ordnung Emma?", fragte Julis Mutter und schob noch ein „Schmeckt es nicht?" hinterher. Entgeistert schaute ich sie an. „Was? Oh, um Gottes Willen, nein! Ich habe nur an die Mathearbeit gedacht", erklärte ich hastig. Kurz lachte sie auf. „Ja, so ging es mir in der Schulzeit auch", entgegnete sie und warf mir noch ein verschwörerisches Grinsen zu. Erleichtert lächelte ich zurück und wir setzten das Essen fort.
Nach dem Essen verzogen Juli und ich uns in sein Zimmer. Während ich, auf seinem Bett sitzend, begann mein Mathebuch aus der Tasche zu ziehen, war Juli viel mehr damit beschäftigt, meine Aufmerksamkeit auf ihn zu ziehen. Als ihm das mit seiner Herumspielerei an meinen Haaren und leichtem Kneifen nicht gelang, zog er mich mit einer ruckartigen Bewegung an sich. In einer verdrehten Position lag ich nun auf ihm. Schnaubend drehte ich mich so, dass ich mich nun mit meinen Händen neben seinem Kopf abstützte. In seinem Gesicht lag ein triumphierendes Grinsen. „Hör mal", wollte ich meine Schimpftirade gerade beginnen, da vergrub er seine Hand in meinen Haaren und drückte unsere Lippen aufeinander. Ich hätte ihn verfluchen können. Wenn er mich so küsste, mit seinen Händen an meiner Wange oder an meinem Hinterkopf, dann war ich hin und weg. Diese zärtlichen und doch fordernden Gesten brachten mich einfach um den Verstand. Jedes Mal. Seine Lippen bewegen sich in einem langsamen Rhythmus und mir entfuhr ein leises Seufzen. Für einen Moment dachte ich, dass er es gar nicht gehört hatte, doch die Art, wie er in den Kuss lächelte machte mir klar, dass er es doch gehört hatte. Auch wenn ich eigentlich nichts mehr wollte, als genau so weiter zu machen, löste ich mich von ihm. Mit einem traurigen Blick schaute ich ihn an. „Ich sollte wirklich lernen", sagte ich in einem leidenden Tonfall. Juli nahm seine Mütze ab und legte sie auf seinen Nachttisch. „Ja, mag sein", murmelte er, „aber nicht jetzt." Und damit drückte er meinen Körper wieder an seinen und umfasst mit einer seiner Hände mein Gesicht um unsere Lippen wieder zusammen zu führen. Aus meinem Seufzen wurde ein zaghaftes Stöhnen. Jedes Mal.
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Hallo ihr Lieben!
Irgendwie hab ich momentan eine kleine Motivationswelle, weshalb sogar schon der Anfang für das nächste Kapitel steht. Das wird wieder aus Julis Sicht erzählt werden, ich hoffe ihr habt Lust darauf :-) Ansonsten motivieren mich Kommentare immer total zum weiterschreiben, lasst also gerne welche da, auch mit Ideen, was man verbessern oder in nächste Kapitel einbauen könnte.
Vielleicht liegt meine Motivation auch daran, dass ich gerade „ONE OF US IS LYING" fertig gelesen habe, was mir ganz gut gefallen hat. Wenn ihr einen Buchtipp, auch hier auf Wattpad, für mich habt, dann lasst es mich auch wissen.
Bis zum nächsten Kapitel! :-)
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Neu in Grünwald
Fiksi Penggemar„Du gehörst hierher, glaub mir'', raunte er. Ich lachte: „Ach ja?". Ich sah von der Seite wie er nickte. „Und es war wahrscheinlich auch noch Schicksal, dass ich hierher gezogen bin", scherzte ich und wendete mich ihm wieder zu. „Wer weiß?", sagte e...