Stück für Stück

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Mit zögerlichen Schritten näherte ich mich dem Anwesen der Bangs.
Da ich Yongguk heute in der Schule nicht hatte auftreiben können, wollte ich jetzt direkt zu ihm gehen...
Und das obwohl ich keine Ahnung hatte, was ich sagen würde.
Ich wusste nur, dass ich klingeln, und mir Jisoo dann wahrscheinlich die Türe öffnen würde...
Was dann geschehen würde, war jedoch ungewiss.
Langsam trat ich die Stufe hinauf und atmete tief durch.
Noch könnte ich umdrehen...
Nervös stand ich da.
Sollte ich das wirklich durchziehen?
War es nicht besser, einfach froh zu sein, dass Yongguk mich heute in Ruhe gelassen hatte...?
Energisch verscheuchte ich die Gedanken aus meinem Kopf.
Wenn ich das jetzt nicht tat, würde ich mich vielleicht nie mehr trauen...
Ich straffte also meine Gestalt und drückte die Klingel.
Leise erklang ein heller Glockenton und ich setzte ein Lächeln auf.
Jisoo würde sonst sofort merken, dass etwas nicht in Ordnung war...
Ein paar Sekunden stand ich hier, dann hörte ich, wie sich Schritte näherten.
Gerade fuhr ich mir noch mal durch die Haare, da wurde die Tür schwungvoll aufgerissen.
„Jennie, du solltest doch schon viel frü...!"
Ich erstarrte ebenso wie die Person vor mir.
Dann breitete sich ein triumphierendes Lächeln auf den Lippen meines Gegenübers aus.
„Yongguk..." flüsterte ich, und sein lächeln wurde breiter.
Er lehnte sich mit dem Arm oberhalb des Kopfes in den Türrahmen und sah zu mir herab.
Ich schluckte.
Sonst machte er doch auch nie die Tür auf...
Unsicher wanderte mein Blick auf den Boden.
Mit einem Schlag war all meine Zuversicht und all mein kümmerlicher Mut wieder verschwunden.
Wie schaffte er das nur...?
„Na, hast du mich vermisst?" durchbrach seine tiefe Stimme meine Gedanken und ich sah zögerlich zu ihm auf.
Eigentlich würde ich ihn so gerne anschreien.
Ihm klarmachen, dass ich nichts mehr von ihm wollte.
Einen Schlussstrich ziehen...
...doch mal wieder traute ich mich, auch nur ein Wort gegen ihn zu erheben.
Und in diesem Moment verfluchte ich mich dafür, dass ich zugelassen hatte, von ihm so gefangen genommen worden zu sein.

Yongguk:
Mit breitem Grinsen stieß ich mich vom Türrahmen ab.
Es war so klar gewesen, dass er früher oder später wieder bei mir angekrochen kommen würde.
Er konnte einfach nicht ohne mich...
„Komm doch rein." meinte ich mit zuckersüßer Stimme und trat einen Schritt zurück, um ihn einzulassen.
Jongup blickte an mir vorbei in die Villa, dann wanderte sein Blick wieder zu mir.
Ganz langsam schüttelte er verneinend seinen Kopf.
Erstaunt sah ich ihn an.
Wann hatte er das letzte Mal einer meiner Forderungen nicht Folge geleistet?
Ich stellte mich gerader hin und strich mir - wohl wissend, dass es gut aussah - die Haare zurück und aus dem Gesicht.
„Was willst du dann hier?" wollte ich wissen und musterte den Jüngeren, der bis eben unruhig mit den ein bisschen zu langen Ärmeln seiner Schuluniform gespielt hatte.
Oder Moment...
Das war gar nicht eine der Uniformen, die meine Familie ihm besorgt hatte...
Gerade wollte ich ihn darauf ansprechen, da zog er einen Hoodie aus seiner Tasche und drückte ihn mir in die Hand.
„Den wollte ich dir nur zurückgeben." murmelte er und ich erkannte, dass es das Kleidungsstück war, dass ich ihm hinterhergeworfen hatte, als ich ihn hier rausgeschmissen hatte.
Auch wenn ich ihn belustigt und arrogant ansah, war ich in meinem Inneren doch misstrauisch.
Was machte er hier...?
Wollte er etwa...?
Nein, das würde er nicht wagen...oder?
„Sonst noch was?" erwartungsvoll sah ich ihn an und überspielte meine Gedanken.
Jongup öffnete und schloss den Mund wieder.
Dann schüttelte er den Kopf und wandte sich zum Gehen.
Doch so leicht würde ich ihn nicht weg lassen...
„Warum hast du mich mit diesem Himchan betrogen? Nur, um mir eins auszuwischen, oder liebst du ihn?"
Der Jüngere wandte sich zu mir um und war noch nie so gespannt auf eine Antwort von ihm gewesen.
„Ich hab dich nie mit ihm betrogen..."
Seufzend zog ich mein Handy aus meiner Tasche.
Verdutzt sah er mich an, als ich es ihm unter die Nase hielt und das Video unserer Überwachungskamera vorspielte.
Einer unserer Securitymänner hatte es meinem Vater und der dann mir geschickt.
Und ich hatte den Schwarzhaarigen, der sich zu unserer Villa geschlichen hatte und – nebenbei – auch noch den Streit zwischen mir und meinem Freund belauscht hatte, sofort erkannt.
Kim Himchan...
Mein Blick glitt über Jongup neben mir, der immer noch wie paralysiert auf mein Handy schaute.
Ich konnte schon verstehen, was ich damals an ihm gehabt hatte, immerhin war er nicht hässlich oder so...
...aber er war schüchtern, unsicher und auch etwas anhänglich.
Sachen, die ich, wenn ich sie nicht mehr für mich nutzen konnte, einfach nur nervig fand.
Nach ein paar weiteren Sekunden, zog ich dann mein Handy wieder weg und schob es zurück in die Tasche meiner Lederjacke.
Eigentlich hatte ich gerade vorgehabt, spontan zu Zelo zu fahren.
Aber irgendwie war das hier jetzt auch interessant geworden.
„Ich...ich wusste gar nicht, dass er das gemacht hat..." meinte Jongup und sah mit großen Augen zu mir auf.
Ich musterte ihn prüfend.
Eigentlich hatte ich ihm schon bei seinem ersten Protest überhaupt geglaubt – schließlich war ich so arrogant zu behaupten, dass er MICH eh nicht betrügen würde – aber da ich seit kurzem aus einer Laune heraus einfach keinen Bock mehr auf ihn hatte, waren mir Himchans Annäherungen gerade recht gekommen.
Meine Mission war es gewesen, ihn weg zu haben.
Ich hatte nur einen Grund gebraucht, ihn rauswerfen zu können...
Und es schien ja bisher alles ganz gut funktioniert zu haben.
„Wirklich...!" beteuerte der Jüngere, als ich noch immer keine Reaktion nach außen zeigte.
Gerade wollte ich schon aufseufzen, da merkte ich, wie er mit den Gedanken kurz abdriftete.
Ein paar Sekunden schien er zu nachzudenken, dann sah er mich fragend an.
„Hast du mich deshalb die eine Nacht zu Zelo geschickt? Wolltest du wissen, ob Himchan wiederkommt?"
Überrascht sah ich ihn an.
Eigentlich hatte ich nur meine Ruhe haben wollen, aber wenn er das so sah...
Ich nickte und er nahm es stumm zur Kenntnis.
Für mich war es offensichtlich, dass ihm noch mehr Fragen im Kopf herumspukten, doch kein weiteres Wort verließ seine Lippen.
Allerdings hätte ich ihm auch gar nicht mehr geantwortet, denn in diesem Moment hielt ein Taxi am Straßenrand und Jennie sprang heraus.
Ich schob mich also an Jongup vorbei, klopfte ihm nochmal auf die Schulter und ließ ihn mit den Worten „Man sieht sich" vor meiner Haustür stehen.
Dann stieg ich in den schwarzen SUV, in den mittlerweile auch Jennie umgestiegen war.

B.A.P - Protecting You (HimUp)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt