Längst Überfällig

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Nervös strich ich das Jackett meines Anzuges zurecht.

Ich fühlte mich so falsch in diesen Klamotten.
Ich fühlte mich generell so falsch hier...
Zum gefühlt hundertsten Mal kamen die Zweifel in mir auf.
Was, wenn das, was ich vorhatte zu tun, doch nicht richtig war...?
Was, wenn ich stattdessen einfach so versuchen hätte sollen, Abstand zu meinem Vater zu halten...?
Ich seufzte und wandte mich mit gesenktem Blick von dem schicken Spiegel an der schicken Wand in diesem schicken Gerichtsgebäude ab.
Mein Blick lag auf dem Boden und ich trottete ein paar Schritte in dem Raum, um mich dort auf dem kleinen Ledersofa niederzulassen, von dem ich schon sicher ein Dutzend Mal aufgestanden war, um dann doch nochmal mein Aussehen zu checken – doch das tat ich eigentlich auch nur, um irgendetwas zu machen.
Als ich jedoch kurz vor meinem Ziel angekommen war, schoben sich plötzlich schicke Schuhe in mein Blickfeld.
Ich sah auf.
Und vor mir stand Himchan, ebenfalls in einem Anzug.
Stumm stand ich einfach nur da, doch mein Gegenüber überwand die letzten Meter zwischen uns und zog mich in eine vorsichtige Umarmung, um meine Klamotten nicht zu zerknittern.
„Geht's dir gut?" fragte er mich leise und löste sich dann wieder von mir, die Hände aber weiterhin auf meinen Oberarmen.
Ich zuckte hilflos mit den Schultern.
Wie sollte es mir auch gehen?
Nervös, angespannt, panisch...verängstigt?
„Hey..."
Mit sanfter Stimme und aufmunterndem Blick sprach er weiter.
„...du schaffst das schon. Du wirst sehen, es wird sicher nicht so schlimm, wie du denkst."
Ich zwang mir ein Lächeln auf, woraufhin er mich wieder in eine Umarmung schloss.
Nach ein paar Sekunden erwiderte ich diese und legte meinen Kopf auf seine Schulter.
Auch wenn der Prozess noch gar nicht begonnen hatte, war ich mit den Nerven am Ende...
Beruhigend strich Himchan über meinen Rücken.
„Chanie?" murmelte ich nach einer Weile.
„Was ist eigentlich, wenn ich es nicht schaffe...?"
Sofort drückte mich der Andere etwas von sich und blickte mir ernst in die Augen.
„Hör mir mal zu...du WIRST es schaffen. Denn ganz egal, was der Entschluss des Gerichts sein wird, wirst du den Sieg errungen haben, dass du das hier durchgezogen hast. Also sei nicht so pessimistisch. Ich...WIR werden stolz auf dich sein, egal was passiert."
Mit großen Augen sah ich ihn an.
Warum...?
Was hatte ich getan, dass ich jemanden wie Himchan an meiner Seite haben konnte...?
Ich unterdrückte die aufsteigenden Tränen.
Er hatte mich schon viel zu oft weinen gesehen...
„D-Danke..." stotterte ich schließlich leise und das für ihn so typische Lächeln schlich sich auf seine Lippen.
Für einen Moment vergaß ich bei diesem Anblick sogar meine negativen Gedanken.
Da war nur wieder der Satz aus dieser Nacht bei Daehyun und Youngjae.
'Ich liebe dich...'
Und dann schlich sich wirklich ein kleines, ehrliches Lächeln auf meine Züge.
Sogar als schließlich ein Mann meinte, dass es jetzt losging, ging ich mit einer Motivation in den großen Saal, von der ich ein paar Minuten vorher nur hatte träumen können.
Wenn Himchan schon so an mich glaubte, dann wollte ich ihn auch nicht enttäuschen...

Himchan:
Gebannt verfolgte ich die Gerichtsversammlung.
Weil meine Eltern nicht gewollt hatten, dass ich noch mehr in die Sache reingezogen wurde, als eh schon, hatte ich einen Platz etwas abseits bekommen, von dem ich aber trotzdem das Geschehen perfekt verfolgen konnte.
Nach Jongup hatten auch meine Mutter und mein Vater ausgesagt, weil sie es ja gewesen waren, zu denen Mr. Moon gekommen war.
Nur meine Schwester und ich mussten schweigen...
Aber ehrlichgesagt hatte mich das nur anfangs gestört.
Denn jetzt, wo ich verstand, wie vielschichtig diese ganze Sache war, war ich froh, dass ich einfach nur zusehen konnte...

Ein letztes Mal traf der Hammer des Richters auf das Holz.
Die Entscheidung war gefallen...
Und ich hatte überhaupt keine Ahnung, wie ich mich wegen dem Urteil fühlen sollte...
Mit müden Gliedern erhob ich mich, als ich sah, wie alle anderen es ebenfalls taten.
Jedenfalls fast alle, denn Jongup war – kaum war der Prozess beendet – auf seinem Stuhl zusammengesunken.
Sein Gesicht war mir allerdings verborgen.
Deshalb streckte ich mich nur kurz und eilte los, um noch vor den Anderen bei meinem Schwarm zu sein.
Das gelang mir auch noch gerade so.
„Und Uppie?" fragte ich aufgeregt, wollte wissen, was er von dem Urteil hielt.
Er sah mit großen Augen zu mir auf.
Ihm stand der Schock ins Gesicht ins Gesicht geschrieben.
„Das...das ist so krass..."
Ich grinste.
„Jetzt werden wir uns wohl erstmal öfter sehen."
Er stöhnte ironisch auf, grinste dann aber zurück und erhob sich ebenfalls.
In diesem Moment stieß der Rest meiner Familie zu uns.
Alle beglückwünschten Jongup schulterklopfend und umarmend zu dem Erfolg.
Denn ja, wir hatten es geschafft...
Und sogar meiner Meinung nach noch mehr...
...denn nicht nur würde Mr. Moon ins Gefängnis wandern...
Nein, es wurde auch beschlossen, das mein Schwarm bis zu seinem neunzehnten Geburtstag bei uns leben musste, bis er dann in eine eigene Wohnung ziehen könnte, die er sich mit dem Schadensgeld, was er von seinem Vater bekommen würde, locker leisten könnte.
Für mich war es also das reinste Paradies...
...und auch Jongup sah glücklich aus.
Wenn auch ein wenig fertig, aber glücklich.
„Wollen wir dann mal los? Ich dachte, wir könnten ja in ein Restaurant gehen, oder so..." schlug nach ein paar Augenblicken schließlich meine Mutter vor und niemand hatte das gegen die Vorschläge einzuwenden.

B.A.P - Protecting You (HimUp)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt