Mehr als nur geschockt starrte ich Jongup an.
Das war noch so viel schlimmer, als ich mir selbst in meinen furchtbarsten Albträumen hätte vorstellen können...
Wie konnte man nur so grausam sein?!
Erst ein Kind wollen, und wenn man dann genug hatte, es im Stich lassen...?
Es schlagen...?
Es von zuhause rausschmeißen...?
Ich schluckte schwer.
Das war so unvorstellbar für jemanden wie mich, der in einer wundervollen Familie aufgewachsen war...
Mein Blick fiel hinab auf die Tischplatte.
Auch meine Schwester und meine Mutter sahen bedrückt aus.
Niemand wusste wirklich, was er sagen sollte...
Was konnte man auch erwidern auf so eine Geschichte?
Eine Geschichte voller Schmerz, Angst und...kalter Realität...
Denn das war das, was mir langsam wirklich bewusst wurde:
All die Dinge waren meinem Schwarm wirklich passiert...all das Leid, von dem ich nicht mal einen Hauch in meinem Leben hatte spüren müssen...und doch saß er jetzt noch neben mir an unserem Küchentisch.
Er hatte noch lächeln können, hatte noch leben können...und das, obwohl er nie die Liebe bekommen hatte, die jemand so engelsgleiches verdient hatte...
Ich spürte, wie der Respekt in mir aufkeimte.
Er hatte so viel mitgemacht.
Zuerst von den eigenen Eltern verstoßen, dann von einer reichen Familie ausgenutzt, wo ihn dann das gleiche Schicksal ereilt hatte...
Ich sah wieder zu meinem Schwarm.
Hatte ich ihn vorher schon verehrt, kam nun auch noch die unendliche Anerkennung zu meinen Gefühlen.
Anerkennung gegenüber dem Menschen, den ich jetzt erst recht nie wieder loslassen würde...Jongup:
Ich konnte einfach nicht definieren, wie ich mich fühlte.
In mir wütete so ein Chaos, dass es mir nahezu unmöglich schien, auch nur einen klaren Gedanken herauszufiltern.
Ich hatte mich den Kims anvertraut.
Ich hatte zum ersten Mal jemandem von meinen Leben erzählt.
Jetzt wussten sie alles...
...und ich wusste nicht, ob mich das mehr erleichterte, oder verängstigte.
Denn alle Leute vor Himchan hatten mir immer nur beigebracht, meine Gefühle zu unterdrücken und zu ignorieren...
Und jetzt hatte ich ihnen die Karten offen hingelegt.
Ich war schutzlos...Mrs. Kim riss mich aus den düsteren Gedanken, indem sie - sich räuspernd - ihre Gestalt straffte.
Sofort lag alle Aufmerksamkeit auf ihr.
„Also..." Sie sah mich mit einem warmen Lächeln an, dass aber auch etwas Besorgnis nicht verstecken konnte.
Man sah ihr an, dass ihr meine Geschichte schwer zu schaffen machte.
„Zuerst einmal kann ich wohl für alle sprechen, dass wir es als eine große Ehre sehen, dass du uns das Vertrauen geschenkt hast, das alles zu erzählen."
Ich lächelte schüchtern/höflich.
Sie blickte kurz durch die Runde, ehe sie sich nachdenklich wieder direkt an mich wandte.
„Die Frage ist jetzt nur...was willst du tun?"
Ja...das war das Problem...
...denn ich hatte keine Ahnung.
Was wollte ich tun...?
Stumm sah ich die Frau an, die mir immer mehr wie die Mutter vorkam, die ich nie gehabt hatte.
Was wollte ich tun...?
Nervös biss ich mir auf meine Unterlippe.
Was wollte ich tun...?
Ich merkte, wie ich unruhiger wurde - allein schon wegen dieser simplen Frage.
Doch meine Entscheidung nach dieser simplen Frage würde nun mal meine Zukunft verändern...da war ich mir sicher.
Je nachdem wie ich mich entschloss, würde ich verschiedene Richtungen einschlagen...
...und das machte mir Angst.
Denn was, wenn ich eine Entscheidung fällte, die ich später bereuen müsste...?
Ich merkte, wie ich drauf und dran war, durchzudrehen.
Also schloss ich für eine Sekunde einfach meine Augen und versuchte, kontrolliert nachzudenken.
Was hatte ich überhaupt für Möglichkeiten...?
Ich schlug meine Augen auf und stellte kurzerhand meine Frage laut.
Für einen Moment herrschte Schweigen, dann begann Himchans Mutter:
„Nun ja, eigentlich sind die beiden Wege, die du gehen könntest, klar ersichtlich. Entweder versuchen wir nur, dass dein Vater dir vom Gesetz her nicht mehr zu nahekommen DARF, oder...du berichtest deine Geschichte nochmal vor Gericht."
Sie schwieg und ich starrte sie an.
„Ich soll ihn anklagen...?!" Nur leise verließen die Worte meine Lippen.
Mrs. Kim sah mich mitfühlend an.
„Ich weiß, dass das ein harter Entschluss wäre...aber – so grob das jetzt auch klingen mag – du müsstest deinen Vater nie wieder sehen...und müsstest auch keinen Angriff von seiner Seite her mehr fürchten. Denn wenn du den Leuten dort erzählen würdest, was dir angetan wurde, dann würde die Strafe sicher nicht milde ausfallen."
Schweigen trat ein, in der ich schon befürchtete, die Anderen könnten die Gedanken in meinem Kopf rattern hören.
Diese ganze Situation war einfach so...absurd.
Ich mein, wer klagte schon seinen Vater an?!
Das kam mir vor, als würde man da eine deutliche Grenze überschreiten...schließlich sollte ja niemand sein eigen Fleisch und Blut ins Gefängnis bringen wollen!
Allerdings...wie oft hatte er schon die Grenzen außer Acht gelassen...?
Mein Blick wanderte über die Gesichter der Anderen, die allesamt nachdenkliche, bedrückte und gespannte Ausdrücke zeigten.
So viele Dinge hatte ich ihnen im letzten Jahr aufgehalst...wäre es dann nicht eigentlich nur angebracht, wenn sie jetzt sehen könnten, dass ich stärker geworden war?
So stark, dass ich den Mut hatte, mich sogar gegen meinen Vater, den Peiniger meiner Kindheit und jungen Jugend, aufzulehnen...?
Tief atmete ich durch.
Ich hatte das Gefühl, als würde mich diese Frage mit jeder Sekunde mehr zu Boden drücken.
Warum musste diese Entscheidung nur so schwerwiegend sein...?!
„Jongup?" Ich sah auf, als die Stimme der Mutter ertönte.
„Wähle den Weg, den du für richtig hältst, okay? Ich will nicht lügen, und behaupten, dass ich mich nicht furchtbarer Weise freuen würde, wenn du aussagst...aber...du musst wissen, dass wir immer zu dir halten werden, egal, wie du dich entscheidest...also denke gut nach. Wenn du einmal eine Wahl getroffen hast, wird das auch Auswirkungen haben..."
Ich brauchte einen Moment, bis ich wirklich realisiert hatte, was sie mir gerade nahegebracht hatte.
Dann jedoch nickte ich lahm.
Mit ihren Worten war mir irgendwie die...Tragweite dieser ganzen Sache nochmal fast schon viel zu nah vor Augen geführt worden...
...denn sie hatte Recht...
Alles was ich tun oder auch nicht tun würde, würde Auswirkungen haben.
Ich schluckte schwer.
Ging noch einmal all meine Optionen durch.
Wog die verschiedenen Möglichkeiten ab.
Und dann stand mein Entschluss fest...
„Ich brauche nicht noch mehr Zeit zum Nachdenken. Ich werde es machen. Ich werde gegen meinen Vater aussagen..."
„Sicher?" fragte die Mutter nach einer Sekunde der Stille schließlich mit sanftem Lächeln.
Ja.
So komisch das alles auch war...ich hatte mich entschieden.
Denn auch wenn ich es vielleicht irgendwann bereuen würde...dann hatte ich wenigstens jetzt das getan, was ich für richtig hielt.
Langsam nickte ich als Antwort, wohl wissend, dass es jetzt kein Zurück mehr gäbe...
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B.A.P - Protecting You (HimUp)
RomanceHimchan steht schon lange auf den Jongup, der ebenfalls schon eine Ewigkeit mit Yongguk zusammen ist. Nach außen in der Schule scheint alles gut zu sein, doch bald entdeckt Himchan, was in der Beziehung der Beiden wirklich los ist...und fasst einen...