9

676 46 0
                                    


Ich ließ mich wieder auf die Couch fallen und trank bevor ich den Pizzakarton öffnete und ein großes Stück raus nahm. Die Pizza war noch perfekt warm. Und ich schaltete den Ton wieder an. „...läuft über das Feld und..." und schon hörte ich nicht mehr hin. Nichts lief. Nachrichten zeigten nur das, was die Rechten durchließen. Oder Nazi Propaganda. Wetter zeigte wie immer Regen und Bewölkt und die Kinderserien interessierten mich auch nicht. Börsenkurse wurden mir auch direkt auf mein Handy gesendet, wenn sie mich betrafen also auch uninteressant. Ich ließ einfach die Männchen weiterlaufen. Damit ich nicht so alleine war. Wie immer. Ich, ein Bourbon, eine Pizza und ein Fernseher. Das war mein Leben. Ob ich weniger trinken oder rauchen würde wenn Alisa bei mir wäre? Mit Sicherheit. Sie verbat mir das. Kathrin, trink nicht so viel! Kathrin rauch nicht so viel! Aber sie war der einzige Mensch, bei dem ich wirklich den Drink weg stellte und wirklich die Zigarette aus machte. Sie war der einzige Mensch, der mir etwas bedeutete und noch lebte. Papa lebte nur noch so halb. Ich würde ihn noch mal besuchen bevor ich los müsste. Seinen Körper sehen obwohl der Geist schon lange weg war. Es war doch alles Scheiße.

Ich taumelte durch meine Wohnung auf den Balkon. Die Flasche hatte ich dabei. Es war eh kaum noch etwas drin. Aus der Schachtel zog ich mir eine Zigarette und zündete sie nach mehreren Versuchen an. Ich nahm einen tiefen Zug und blies den Rauch in die Luft. Kaum zu glauben... es war Mittag aber für mich Nacht. Ich hatte nachts gearbeitet und um 7 Uhr begonnen zu trinken. Und heute hatte ich frei. „Ich hasse dich, du dreckige, verlogene, dumme, rechte Stadt.", knurrte ich und spuckte über den Balkon. Vielleicht traf ich ja einen Politiker. „Wieso darf ich nicht?", lallte ich. „Wieso darf ich nicht haben was ICH will? Ich habe Geld! Da... Damit regiert man doch die Welt... oder?", ich ließ mich in meinen Gartenstuhl fallen. „Ich hasse dich, du verfluchtes Land!", log ich. Ich liebte Deutschland. Ich war hier aufgewachsen. Ich liebte den bayrischen Wald in dem ich, Papa und Mama gewesen waren als ich noch klein war. Ich liebte den Zoo in Berlin, wo Papa mir die Löwen gezeigt hatte und alle anderen Tiere. Ich liebte Köln und die Frau die dort lebte und mein Herz besaß. Aber ich hasste die Regierung die mir verbat die Frau zu lieben die ich liebte. Die mir verbat sie zu küssen, anzufassen oder überhaupt zu begehren. Ich rappelte mich auf und soff noch mal aus der Flasche. Schmeckte beschissen wenn man direkt aus der Flasche trank. Aber ich war zu besoffen um es zu merken. Die ausgebrannte Zigarette schmiss ich über den Balkon. Und schon zündete ich mir die nächste an. Ich musste jetzt rauchen um mich zu beruhigen aber wünschte ich mir, dass Alisa kam und mir die Zigarette aus der Hand reißen würde. Und mir sagen würde dass ich nicht so viel trinken sollte und auch nicht so viel rauchen sollte! Dass ich sonst noch dabei drauf gehen würde und dann würde sie mich küssen und sich in meine Arme legen. Und wir wären allein. Und bräuchten keine Angst zu haben, dass uns jemand sah. Und ich würde sie an die Wand drücken und sie küssen. Und meine Hand unter ihr Hemd fahren lassen. „Und dann würde die HoBi kommen und euch beide abschlachten!", schaltete sich meine Vernunft ein. Ich gab einen jaulenden Laut von mir als ich meinen Kopf gegen die Wand schlug. Die Zigarette brannte aus. Erneut fiel sie über den Balkon und die nächste war schon in meinem Mund und angezündet. Früher war ich einfach auf der Couch liegen geblieben und hatte geraucht. Aber als Alisa das erste Mal bei mir war hatte sie mir nur gesagt, dass sie den Geruch hasste und mich nie wieder in meiner Wohnung anfassen würde, wenn sich der Geruch nicht änderte. Also wusch ich meine Laken, kaufte neue Kissen und Matratzen sowie eine neue Couch. Und verlagerte das rauchen nach draußen. Ich roch den Unterschied zwar nicht aber hatte mir Alisa bestätigt dass es nicht mehr so extrem nach Zigaretten roch. Nur noch nach mir und mein Geruch war eben immer mit dem von Zigaretten gemischt. Ich wusch mich einfach bevor ich zu Alisa ging und rauchte nicht direkt vor dem Sex. Meistens erst danach. Und Alisa selbst hatte sich an den Geruch gewöhnt. So hatten wir eine Zwischenlösung gefunden. Ich setzte die Flasche an und ließ den Scotch meine Kehle runter rinnen. Ich trank und trank bis mir der Atem ausging und ich keuchend die Flasche absetzte. Dann nahm ich noch ein paar Züge aus der Zigarette und ging zum Geländer am Balkon. Gerade so konnte ich mich abstützen. Meine Beine hielten mich kaum noch und beinahe wäre ich gefallen. Die ausgebrannte Zigarette schmiss ich wieder vom Balkon. Das machte ich immer. Selten benutzte ich den Aschenbecher auf dem Balkon. Meist nur nachts. Am Tag war die Verlockung zu groß. Vielleicht traf ich ja einen Politiker. Ich schmiss die nun leere Zigarettenschachtel gleich hinterher. Hin und wieder bekam ich eine Anzeige wegen Umweltverschmutzung. Aber was scherten mich die 50 Euro? Ein kalter Tropfen fiel vom grauen Himmel auf meine Hand und ich drehte mich um. Taumelnd stolperte ich über die kleine Stufe zwischen Wohnung und Balkon und schmiss die Balkontür zu, verriegelte sie unnötiger Weise... naja damit der Wind sie eben nicht aufstieß, und trank die Flasche leer. „Dreckige Behörden...", brummte ich und starrte auf die verschwommene, leere Flasche in meiner Hand. „Dreckige Nazis!", ich schmiss die Flasche mit voller Kraft gegen die Wand und sie zersplitterte in tausend Einzelteile. Das würde die Putzfrau schon regeln. Ich taumelte einfach zur Couch, da ich um die Zeit noch nicht ins Bett wollte, ließ mich wie ein nasser Sack darauf fallen und schlief dank meines Rausches sofort ein.

Ein Klingeln riss mich aus meinem komaartigen Schlaf. „MMh...", murrte ich und hielt mir den leicht pochenden Schädel. Schlimm verkaterte ich nicht. Dafür war mein Körper zu sehr an den Alkohol gewöhnt. Als ich die Quelle des nervigen Geräusches fand ging ich an mein Handy. „Flexing Kathrin, hallo?", murrte ich. „Guten Abend Miss Flexing.", ich setzte mich gerade hin. „Guten Abend.", lächelte ich bei Alisas süßer Stimme. „Wo sind Sie gerade?", wollte sie wissen. „In meiner Wohnung, wieso?", brummte ich da ich noch nicht so recht in der Lage war richtig zu sprechen. „Ich ebenso.", ich hörte das Lächeln meiner Geliebten. „Dein Handy ist sicher?" „Ja.", bestätigte ich. „Meines auch. Kathrin was ist los? Ich versuche seid zwei Stunden dich zu erreichen!", beschwerte sie sich. „Tschuldige...", brummte ich. „Tschuldige? Kathrin hast du getrunken?", wollte sie wissen. „N bisschen...", gestand ich und erntete ein Seufzen von Alisa. „Warum?", wollte sie wissen. „Warum? Ist die Frage ernst gemeint?", murrte ich. „Kathrin... wenn du jemanden zum reden brauchst, ich bin hier.", kam es von ihr. Ich starrte vor mich her. „Nein bist du nicht. Wärst du es hätten wir ein riesen Problem.", erklärte ich. Stille. Ich hörte sie von der anderen Seite einatmen. „GLAUBST DU ES IST LEICHT FÜR MICH?", brüllte sie und ich zuckte zusammen. „Das habe ich nie ge..." „NEIN! Es ist nicht leicht! Du kannst dich in Berlin besaufen und ich sitze hier in Köln wo Henriks ständig auf der Matte steht, mir schöne Augen macht! Meine Mitarbeiter reden schon! Dass ich ihm bald nachgebe! Dass er mich sicher schon oft hatte! Weißt du, wie weh mir das tut? Ich würde am liebsten herausschreien, dass Henriks niemals auch nur die geringste Chance bei mir hätte und mein Herz nur dir gehört! Aber dann werden wir beide umgebracht! Glaubst du ich weiß es nicht? Nicht weit westlich von hier ist schon das nächste Lager! Verdammt Kathrin! Wenn ich mich nicht tot saufen kann, dann hast du erst recht keine Erlaubnis dazu!", schrie sie mich an und ich hörte nur zu. Ich wartete bis sie durchgeatmet hatte. Aber dann hörte ich ein Schluchzen. „A...Alisa?", fragte ich vorsichtig nach. „Kathrin es... du hast keine Ahnung wie Henriks drauf ist. Wie er mich ansieht...", weinte sie. „H... Hey... a... alles ist gut! Du... du musst doch nicht weinen!", versuchte ich sie zu beruhigen. „NICHTS IST GUT! Er weiß wo ich wohne, verdammt! Ich habe 3 Bodyguards eingestellt! Aber wenn Henriks kommt werden sie ihn durchlassen... ich habe alle Ersatzschlüssel zerstört. Nur noch ich besitze einen.", wimmerte sie. „Und ich.", bemerkte ich. „Ja... und du...", wimmerte sie. Sie gab mir mal einen damit ich mich zu ihr schleichen konnte, wenn ich in Köln war. „Wie sieht er dich denn an?", wollte ich wissen. „Ich kann es nicht wirklich beschreiben aber... er ist so widerlich und... Kathrin, hältst du mich für einen Feigling? Glaubst du ich bekomme schnell Angst?", wollte sie wissen. „Nein. Ich halte dich für mutig. Manchmal etwas zu Risikobereit.", bemerkte ich. „Ja... er macht mir Angst, Kathrin. Er macht mir unglaubliche Angst. Ich habe wirklich Angst, dass er mich eines Tages in eine Ecke drückt, in eine Gasse oder einfach in meinem Schlafzimmer steht...", schluchzte sie. Ich schluckte. „Das... das würde ich nie zula..." „UND WAS KANNST DU DAGEGEN TUN?", schrie sie durch die Tränen. Nun kamen auch mir die Tränen. Ich konnte sie nicht beschützen. „Ich weiß es nicht..."

Die Fehler die wir machtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt