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Ich saß noch im selben Büro, da mir Alisa dieses überlassen hatte, als es an der Tür klopfte. „Herein!", rief ich und die Tür schwang auf. Alisa trat herein mit ihrem Sekretär im Schlepptau. Ich stand auf und trat um meinen Schreibtisch herum. „Frau Werkers. Guten Tag. Was kann ich für Sie tun?", wollte ich wissen. „Guten Tag Frau Flexing.", wir gaben uns die Hand. „Ich weiß, ich hätte eigentlich den ganzen gestrigen Abend Zeit gehabt mit Ihnen darüber zu reden aber wollte ich Ihnen das hier doch lieber persönlich vorlegen und hatte es gestern nicht zur Hand.", erklärte sie und reichte mir ein Stück Papier. Ich nahm es und überflog es. Fragend sah ich Alisa an. „Simon, geh mal bitte kurz raus. Das hier ist absolut geheim. Wichtige Firmengeheimnisse, Sie verstehen?", und schon nickte der Jüngling und ging raus. Alisa versicherte sich noch, dass die Türen verschlossen waren und kam zu mir. „Keine Angst, die Tür ist dick.", lächelte sie und setzte sich auf meinen Schreibtisch. „Alisa... was soll das? Was hat das zu bedeuten?", wollte ich verwirrt wissen und deutete auf den Vertrag in meiner Hand. Zum Glück hatte ich alle Vorhänge im Büro zugezogen. So fühlte ich mich einfach wohler. „Du weißt das doch.", grinste sie und ich nickte knapp. „Aber... aber..." „Natürlich wird das Meeting stattfinden und ich werde natürlich anfangs dagegen argumentieren aber sei versichert, unsere Firmen arbeiten schon bald zusammen.", lächelte sie mich an. Ich grinste. Gut, dass sie mich gewinnen ließ weil, auch wenn sie so unschuldig und hilflos erschien, war sie doch gnadenlos was das geschäftliche anging. „Seit wann trägst du eigentlich Krawatten?", wollte sie skeptisch wissen und strich über die schwarze Krawatte um meinen Hals. Mit einem Seufzen löste ich sie und zog meinen Hemdkragen leicht zur Seite. „Seit es eine gewissen Firmenchefin es für nötig empfand mich zu markieren.", erklärte ich. Alisa lachte kurz auf beim Anblick des Knutschflecks an meinem Hals. „Ups... Sorry, Kathrin. Aber naja. Wie war's mit Henriks? Ich weiß, er kann schwierig sein und..." „Wenn man ihm genug Geld gibt ist er schon ruhig. Ich frage mich wie viel ich ihm zahlen müsste um zu tolerieren, dass ich dich liebe.", murmelte ich. „Ein, zwei Millionen. Kein großes Ding ABER wenn der Kanzler das erfahren würde... puh... Ab ins Lager.", Alisa lächelte mich gequält an. „Naja... ich geh dann mal wieder. Schnell packte ich ihre Hand und zog sie zu mir. „Nur kurz, damit ich die nächste Zeit ohne dich überstehe.", hauchte ich und gab ihr einen leidenschaftlichen Kuss. Sie löste sich von mir und ich sah sie an. „Passt. Man sieht nichts.", lächelte ich. „Bei dir auch nicht.", meinte sie und öffnete die Tür. Hätte ja sein können, dass unsere Kleidung oder Haare nun anders saßen. Wir gingen kein Risiko ein. Deshalb immer Kontrolle. „Also. Vielen Dank für Ihre Kooperation Miss Flexing.", wir gaben uns die Hand und schon ging sie mit ihrem Sekretär.

Pünktlich um halb drei kamen dann auch Jakob Müller, Thomas Graumüller und Gerda Christa. „Guten Tag. Herr Müller, Herr Graumüller, Frau Christa...", ich gab jedem nacheinander die Hand. „Herr Graumüller und Frau Christa... könnten Sie mich kurz mit Herrn Müller allein lassen?", wollte ich wissen. Ich sah Jakob deutlich die Nervosität an. „Aber natürlich.", Herr Graumüller ging sofort und Gerda Christa ging erst, nachdem sie mir noch einen verächtlichen Blick zugeworfen hatte. Sie war so schrecklich unprofessionell... Aber die Belegschaft liebte die alte Schnattertante. Obwohl sie jeden einzelnen meiner Mitarbeiter für drei Cent vor einen Bus schubsen würde. „Frau... Frau Flexing... wa... was kann ich für sie tun?", stotterte Jakob los. Ich seufzte und lehnte mich an meinen Schreibtisch während ich die Arme vor der Brust verschränkte. Ich könnte ihm helfen. Ich könnte ihn bis morgen früh nach Amerika, Kanada oder sonst irgendwohin schaffen lassen, wo er sicher war. Aber es stand zu viel auf dem Spiel. Wenn es raus käme... ich käme in Teufelsküche. „Herr Meier... ich... Sie können sich denken was ich will. Bitte machen Sie es mir nicht so schwer.", ich sah ihn mitleidig an. Er sah beschämt auf den Boden. Leise Tränen liefen seine Wangen hinunter. „Ich... ich weiß... es ist widerwärtig und ich würde so gerne normal sein aber... aber ich kann nicht! Und ich hab Angst vor der Behandlung... sie hat noch niemand überlebt... und dann kam Mika und... und... und... Oh Gott wenn wir einfach nur gewartet hätten, bis wir bei mir währen...", weinte er jämmerlich. Seufzend nahm ich den Taschentuchspender von meinem Schreibtisch und reichte ihn ihm. Dankend nahm er sie an. „Herr Meier... sie werden in einer Woche in einem der Heilungslager sein. Das ist Ihnen bewusst, oder?", er nickte. „Ihnen wird niemand mehr irgendwas glauben. Das wissen Sie, oder?", erneut nickte er. Ich leckte mir über die Lippen. „Das war übel. Ich verliere einen aus meinem Vorstand, ich verliere Umsatz und Sie hatten so viel Potential! Warum um alles in der Welt konnten Sie es nicht einfach etwas unauffälliger mit ihrem Freund treiben? Gottverdammt... Ich habe keine Wahl! Verstehen Sie das? Wenn ich etwas tun würde, bekäme ich sofort die Quittung und ich kann mir das nicht leisten und..." „Frau Flexing... Kathrin... ich weiß. Ich danke Ihnen. Ich weiß, Sie sind ein guter Mensch und wollen im Endeffekt nur überleben. Das halte ich Ihnen sicher nicht nach. Und ich weiß, was jetzt passieren wird. Mika hat mich gestern Abend ganz panisch angerufen und mir gesagt, dass sie ihn holen kommen. Ich konnte ihm nicht helfen. Ich kann nur seinen Schmerz teilen. Ich bin Schwul. Ja. Aber ich bin ein Mann. Ich stehe zu meinen Taten. Ich habe nicht nur mit Mika geschlafen, ich liebe ihn auch von ganzem Herzen. Und da es hier im Land eine Straftat ist stehe ich dafür gerade. Und da Sie mich immer gut behandelt haben und mich immer als Mensch gesehen haben möchte ich Ihnen einen letzten Gefallen tun. Wenn Sie mich feuern müssen Sie mir eine Abfindung zahlen. Mein ganzer Besitz wird aber bei meiner... nennen wir es Einweisung in das Heilungslager, vom Staat beschlagnahmt. Deshalb möchte ich kündigen. Bitte geben Sie mir das richtige Formular.", überrascht sah ich ihn an. Ich nickte und holte das Formular aus dem Aktenkoffer. Jakob riss mir den Kugelschreiber aus der Hand und unterschrieb. „Frau Flexing, Ihre Unterschrift, bitte.", er sah mich ernst an und ich unterschrieb. „Jakob... es... wenn meine Sekretärin zu mir gekommen wäre statt zu HoBi, dann..." „Aber so war es nicht. Ich weiß, Sie haben nie jemanden verurteilt wegen seiner Haut, seiner Herkunft, Religion oder der Sexualität aber... sie wollen eben Ihre Haut retten. Das kann ich ihnen nicht verübeln.", erklärte er und lockerte seine Krawatte. „Machen Sie's gut Frau Flexing. Sie waren eine wundervolle Chefin.", er umarmte mich. „Jakob... sie hätten es so weit bringen können.", meinte ich und er ließ mich los. „Ich weiß aber... lieber ein Bettler mit Mika statt eines Milliardärs ohne ihn.", lächelte er. „Aber Sie werden beide sterben!" „Ich weiß. Er weiß das auch. Dann ist es so. Ich gehe jetzt mal zur Behörde und stelle mich.", seufzte er und ging ohne ein weiteres Wort. Ich setzte mich auf den Tisch. Jakob Müller. Was sagten die Nazis immer? Die schwachen Schwuchteln die nicht mal bei einer Frau einen hoch kriegen? Schwachsinn. Denn Jakob Müller hatte gerade das wohl mutigste getan, was ich je erlebt hatte. Er hatte seinen Mann gestanden. Was so manchen Politikern fehlte. Und auch mir. Ich stand auch nicht zu Alisa. Aber würden wir dann beide sterben. In unserem Fall war es besser. In Jakobs Fall hatte er am Ende keinen Gedanken mehr für sich selbst gehabt. Er hatte an alle anderen gedacht. Vielleicht hätte er öfter an sich selbst denken sollen. Ich seufzte und schnappte mir meine Zigaretten und mein Feuerzeug. „Frau Flexing..." „Jetzt nicht. Raucherpause.", unterbrach ich Frau Christa und stürmte an ihr vorbei zum Aufzug.

Die Fehler die wir machtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt