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Ich war spät dran. Verfluchter Verkehr... Erneut richtete ich meinen Hemdkragen und kontrollierte, ob mein Hemd richtig geknöpft war, bevor ich durch die Angangstür stürmte direkt zum Empfang. „Zu Frau Werkers. Sie erwartet mich. Frau Kathrin Fle..." „Natürlich Frau Flexing. Frau Werkers erwartet Sie bereits.", lächelte die Dame am Empfang. Ich nickte und huschte zum Aufzug. Auf ein Winken hin hielt der Mann im Aufzug die Türen auf und ich trat hinein. „Danke.", keuchte ich und besah mir den Mann. „Herr Werkers, nicht wahr?" „Right, Miss.", brummte er. Ich nickte. „Ihre Schwester ist zugegen?" „Ja. Sie erwartet Sie bereits.", erklärte er. „Und Sie?" „Ich hole mir nur einen Kaffee... es mag komisch klingen aber der aus der Maschine in der oberen Küche ist besser.", erklärte er. Ich nickte nur und starrte dann weiter auf die geschlossene Fahrstuhltür. Der Fahrstuhl stoppte und die Tür ging auf. „Da vor. Direkt gerade aus.", erklärte er. Ich nickte und stieg aus um den schmalen Gang entlang zu gehen. Ich zitterte schon wieder. In der Eile hatte ich keine Zeit mehr gehabt eine zu rauchen... Und gerade in den Verhandlungen mit dieser Frau musste ich mich konzentrieren können! Natürlich war sie mir auf dieser Feier sehr sympathisch erschienen und war, zu meinem Missmut, des Öfteren in meinen Gedanken erschienen, doch hatte man mich vor ihr gewarnt. Geschäftsmänner, die sich über die Jahre hinweg meinen tiefsten Respekt erkämpft hatten, hatten mich vor den Verhandlungskünsten der jungen Frau gewarnt. Was das zu bedeuten hatte... ich wusste nicht viel über diese Frau. Im Internet hatte ich selbstverständlich alles Nötige Durchsucht! Alisa Werkers... geboren am 10.12.2018. Ich war ein knappes Jahr älter. Zehn Monate und ein paar Tage, um genau zu sein. Sie war eine der erfolgreichsten Unternehmerinnen Deutschlands. Auf ihrem Gebiet maktführend. Nun fiel mir ein, ich hatte ihren Namen bereits in einem Magazin gelesen. Ja! Vor kurzem erst war in einem Wirtschafts-Journal eine Liste der Top 10 erfolgreichsten Unternehmer und Unternehmerinnen aufgelistet worden. Ich hatte nicht viel darauf gegeben an erster Stelle zustehen. Handelte es sich doch um eher oberflächliche Lektüre. Mir war eben nur durch diese Liste ein kostenloses Exemplar vom Verlag zugeschickt worden. Ihr Name hatte direkt unter meinem Gestanden. Und anscheinend unterschied sich die Höhe unseres Erfolgs kaum. Ebenso wusste ich, dass sie die Firma ihres Vaters übernommen hatte, der am 22.01.2031 verstorben war. So würde ich ihn aus den Gesprächen heraushalten. Ihr Bruder war hier angestellt aber eher aus formellen Gründen als aus Gründen seiner Kompetenz. Das war schon alles, was ich über die junge Frau wusste.

Endlich vor dem gewünschten Zimmer klopfte ich an. Eine kurze Pause bevor ich mit einem sanften „Herein." Eingelassen wurde. Ich öffnete die Tür und trat ein. Es missfiel mir etwas so anklopfen zu müssen. Ich empfand es als angenehmer, wenn jemand zu mir kam. Es verschaffte mir von Haus aus einen Vorteil, den ich heute Frau Werkers überlassen musste. Ob ich durch mein Verhalten bei der Feier damals irgendwelche Vorteile erlangt hatte wusste ich nicht... bis heute, Wochen nach diesem Geschehen, fiel es mir schwer das Geschehene einzuordnen. So hatte ich beschlossen es einfach sein zu lassen und das Geschehene zu vergessen. Was nützten mir die erlangten Informationen auch? Schadete es mir nicht eher wenn ich daran dachte, dass allein die Berührung Frau Werkers mir Herzklopfen bereitete, wie ich es nie zuvor spürte? Ich ignorierte es einfach. Bis auf einen knappen Händedruck würde ich heute keinen weiteren Körperkontakt aufnehmen. Somit war es egal.

Ich trat ein und Frau Werkers lächelte mich freundlich an. Wenn ich ihren Blick deuten müsste würde ich sagen, es war eine Art... liebvolle Faszination? Doch das musste der Nikotinentzug sein. Oder natürlich Frau Werkers beabsichtigte einen solchen Blick um mich in den Verhandlungen zu schwächen. „Guten Tag, Frau Flexing. Was für eine Freude Sie wiederzusehen.", lächelte sie und streckte mir freudig die Hand entgegen. Verwirrt über ihre... nun... beinahe könnte man es Euphorie nennen, schüttelte ich ihre Hand. Zu meinem Missmut musste ich tatsächlich feststellen, dass sich meine Hand leicht beklommen von der Berührung anfühlte. Es schien mir kein gutes Zeichen. „Sie zittern. Wollen wir hinauf in den Raucherbe..." „Nein!", warf ich sofort ein da ich befürchtete, die Kontrolle über die aktuelle Situation zu verlieren, wäre ich mit dieser Frau wieder dort oben. „Bleiben wir beim Geschäftlichen und bringen es schnell hinter uns.", brummte ich und sah mich im Büro um. Ein durchaus schickes Büro auch, wenn alle Vorhänge zugezogen waren. „Natürlich. Sie kommen allerdings recht schnell zur Sache, Frau Flexing.", ich Dummkopf war zu lange auf die verschlossenen Vorhänge fixiert gewesen. Ich bemerkte zu spät, dass sie mir näher kam, nun mit einer Hand sanft über meine Schulter strich und mich ansah. Ich erwiderte ihren Blick und konnte den Schrecken in meinen Augen nicht unterdrücken. Ich hatte keine Angst vor ihr. Durchaus nicht! Sie war etwas kleiner als ich dazu zierlicher. Angst machte mir das Gefühl, das von ihrer Berührung ausging. Die sanfte Gänsehaut die mein Körper als angenehm empfand doch meinen Geist panisch aufschreien ließ. „Ich hatte gehoffte... grade da wir uns auf meiner Party so gut verstanden haben, erneut ein solch angenehmes Gespräch mit ihnen zu führen.", lächelte sie sanfte. Einzuwenden war aus rein logischer Sicht nichts doch... mir missfiel es mit ihr zu reden! Oder nein... es missfiel mir, dass ich mit ihr reden WOLLTE! Das ein Teil von mir gerne mit ihr ein Glas Wein getrunken hätte und sie über alles Mögliche ausgefragt hätte. Was ging sie mich an? „Nun, ich würde lieber direkt zum geschä..." „Ich aber nicht. Frau Flexing, Sie wollen etwas von mir. Sie wollen eine Zusammenarbeit. Und ich bin durchaus interessiert. Ich würde mich sehr auf eine... enge Zusammenarbeit freuen. Doch zu meinen Bedingungen.", lächelte sie und ich schluckte. Sie grinste und zeigte mir so, dass sie meine Nervosität bemerkte. Sie sah auf die Uhr. „Sie kommen spät, Frau Flexing." „Verzeihen Sie. Der Verkehr.", entschuldigte ich mich. „Natürlich. Es ist mir nur recht. Meine Mitarbeiter gehen nun gerade wo wir sprechen alle nach Hause. Ich habe sie heute früher nach Hause geschickte. Ich bespreche mich gerne allein.", erklärte sie. „Sie räumen das gesamte Gebäude um mit mir zu sprechen?", wollte ich ungläubig wissen. Brachte das nicht unnötige Verluste mit sich? „Ja.", grinste sie mich an und machte einen kurzen Sprung mit dem sie sich frech auf ihren Schreibtisch setzte und die Beine über Kreuz schlug. Das war das wohl ungewöhnlichste Verhandlungsgespräch meines Lebens... „Ähm...", setzte ich erneut an. Nun wo ich darüber nachdachte... die Bürotrakte an denen ich vorbeigegangen war, waren leer gewesen. „Kommen Sie, gehen wir rauf. Erstens gefällt es mir dort oben besser und zweitens zittern Sie wie wild.", lächelte sie und ging voraus. Mittlerweile bezweifelte ich, dass das Zittern vom Nikotinentzug kam.

Der Wind blies durch das Haar der Blondine und ließ es in der untergehenden Sonne golden schimmern. „Wieso sehen Sie mich so an?", lächelte sie. Ich zuckte zusammen. „Verzeihen Sie...", brummte ich und angelte mir meine Zigarettenschachtel aus der Jacke. Schnell klopfte ich eine heraus und nahm sie in den Mund. Ich reichte sie Frau Werkers. „Auch?", wollte ich wissen. „Nein, danke.", lächelte sie und winkte ab. Ich zündete mir die Zigarette an, zog den Rauch in meine Lungen und entließ ihn in die kühle Abendluft. „Stört es Sie nicht, dass ich rauche? Ich meine... Sie sind ja Nichtraucher.", meinte ich. „Nein, es stört mich nicht. Ich bin es gewohnt. In meiner Familie hatten wir mal einen Kettenraucher.", lächelte sie. Ich nickte. Weiter wollte ich darauf nicht eingehen, da es sich bei diesem besagten Kettenraucher wohl um ihren Vater handelte. Und diesen wollte ich im Gespräch vermeiden. „Miss Flexing?", lächelte sie. Ich sah sie an. Dass sie mich nun Miss Flexing statt Frau Flexing nannte bemerkte ich nur am Rande. „Ja?", ich sah sie an und erstarrte, als sie ihre Hand ausstreckte und ihre Hand sanft zu meinem Hemdkragen führte. Ihre zarten Finger striffen meinen Hals und bereiteten mir Gänsehaut, als sie ihre Hand auch schon wieder zurückzogen. „Sie hatten da einen Fussel.", lächelte sie entschuldigend. Ich nickte. Der Wind zerzauste leicht ihr Haar. Sanft strich ich ihr eine Strähne aus dem Gesicht und sie sah mir in die Augen. Was um Himmels Willen hatte ich gerade getan? Das war eine Berührung die ich vermeiden wollte! Etwas, das ich nicht tun durfte! Ebenso durfte mein Herz nicht so verräterisch schlagen! Viel zu schnell... viel zu laut und fordernd! Ich war nicht dumm und begriff durchaus wieso es so schnell schlug. Doch kannte ich die Konsequenzen! Alisa sah mich immer noch an. Ihre Augen funkelten. Ich leckte mir nervös über die Lippen und sah immer wieder zwischen ihren Lippen und Augen hin und her. Die Zigarette brannte unbemerkt runter. Sie machte einen kleinen Schritt auf mich zu. Genug um mir nahe zu sein. Alles um uns schien still. Ich hörte nicht die Autos unten. Hörte niemanden mehr. Nur die Geräusche, die Frau Werkers verursachten und das Klopfen meines Herzens hörte ich laut und deutlich. Sie legte ihre Hand an meine Wange und stellte sich auf die Zehenspitzen. Ich schnippte die Zigarette weg. Mein Verstand war fort. Einzig und allein das Verlangen ihr nahe zu kommen war da. „F... Frau Werk...", unternahm mein Gehirn einen letzten Rettungsversuch. „Nenn mich Alisa, Kathrin.", hauchte Alisa und legte ihre Lippen sanft auf meine. Mein Herz setzte einen Schlag aus um danach noch schneller zu schlagen. Sie legte ihre Arme um meinen Nacken und meine Hände legten sich an ihre zarte Taille als ich sie näher an mich zog und ihren Kuss erwiderte. Schnell klopfte mein Herz. Ihre Lippen samtweich auf meinen... am liebsten hätte ich diesen Moment bis in die Ewigkeit genossen. Kaum erwiderte ich den Kuss zuckte Alisa leicht zusammen, presste sich allerdings noch enger an mich.

Eine süße Ewigkeit später lösten wir den zärtlichen Kuss und sahen uns in die Augen. Ich lächelte glücklich und Alisa ebenso nur zeigte sie mir nun ihre Schüchternheit. „Verzeihung ich... ich konnte mich nicht mehr zurückhalten ich..." „Ich erwiderte, nicht wahr?", lächelte ich wissend, was sie fürchtete. Dieser eine Kuss, so unscheinbar er schien und so unvorbereitet er mich auch traf, könnte unser beider Tod bedeuten. Alisa hatte mir damit gestanden, dass sie als Frau Frauen mochte. Oder zumindest beide Geschlechter. So war sie also bisexuell wenn nicht sogar lesbisch. Beides würde sie ins Heilungslager bringen. Doch hatte ich nicht vor sie zu verraten. „Was... Was werden Sie nun tun?", sie zog ängstlich vor mir den Kopf ein. Hatte sie nicht verstanden, was ich ihr mit der Erwiderung des Kusses sagte? „Das.", ich zog sie zu mir und legte meine Lippen auf ihre. Alisa erwiderte nach einer kurzen Schock-Starre den Kuss. Als wir uns wieder lösten sah sie mich an. Tränen sammelten sich in ihren Augen doch schien sie nicht traurig. „Was hat das zu bedeuten?", wollte sie wissen. „Alisa, wenn ich Sie so nennen darf, Sie lenkten doch unsere heutige Begegnung genau in diese Richtung, nicht wahr? Und nun erschrecken Sie davor, dass ich wohl Ihre Gefühle erwidere.", lächelte ich. Sie nickte zaghaft. „Durchaus wird mir erst heute klar, wie denn meine Gefühle aussehen doch bin ich nun glücklich. Auch, wenn mir die Risiken bekannt sind. Ich kann sie ertragen.", lächelte ich. Sie nun ebenso. „Ich auch. Kathrin... sage doch du zu mir. Ich werde es ebenso tun. Gehen wir doch in mein Büro dort sind wir ungestörter auch, wenn es unmöglich ist das uns hier einer sieht.", meinte sie. Ich nickte und folgte ihr. An diesem Abend stahl sie sich noch den ein oder anderen Kuss während ich die Umnebeltheit meines Verstandes genoss, den diese Frau auslöste. Dass wir uns beide strafbar machten wussten wir. Das Risiko war es wert.

Die Fehler die wir machtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt