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Ich trottete langsam die Treppen hoch. Alisa neben mir. Charlie hinter uns. „Und Sie wollen mich sicher nicht mehr begleiten?", wollte er wissen. „Nein. Verzeihen Sie bitte, Charlie aber ich habe wirklich keinen Appetit.", seufzte ich. „Ich verzichte auf den Leichenschmaus.", fügte ich hinzu. „Ich ebenso. Ich bleibe lieber bei Kathrin.", meinte Alisa und beugte sich zu Charlie. „Nicht, dass sie uns aus dem Fenster springt.", flüsterte sie. Ich tat einfach so, als hätte ich das nicht gehört. „Vertreten Sie mich bitte, Charlie. Ich kann das nicht.", meinte ich. Er nickte. „Dann ruhen Sie sich aus, Frau Flexing. Frau Werkers? Würden Sie..." „Ich pass schon auf sie auf. Komm Kathrin.", meinte Alisa und schob mich in meine Wohnung. Charlie nickte, verabschiedete sich und ging. Alisa schloss die Tür während ich langsam zum Sofa taumelte. Plötzlich schlang Alisa ihre Arme von hinten um mich und zog mich fest an sich. „Oh Gott, Kathrin... Es tut mir so leid...", hauchte sie. Ich antwortete nicht. Ich wusste auch nicht was ich antworten sollte. Zu spät bemerkte ich wie Tränen meine Wangen herunter liefen und mir ein Schluchzen entkam. „Bitte Kath... nicht weinen... ich hab dich doch noch nie weinen sehen.", bat Alisa. Doch ich konnte nicht. Ich fiel auf die Knie und Alisa folgte mir auf den Boden. Sie hielt mich immer noch fest in ihren Armen während die Trauer meinen Körper schüttelte und zittern ließ. „Papa...", wimmerte ich während Alisa mich sanft wiegte.

Lange saßen wir so da. Und langsam wusste ich nicht woher die ganzen Tränen noch kamen. Langsam müssten sie doch versiegen. „Bitte Kathrin... er würde nicht wollen, dass du daran so kaputt gehst... Bitte!", wimmerte Alisa. „Ich kann nicht mehr... ich ha... ha... hatte immer die Hoffnung er würde wieder kommen und irgendwie alles regeln. Das hat er immer gemacht. Wenn... wenn ich Scheiße gebaut hatte da... dann hat er mit Leichtigkeit meine Probleme gelöst! Er schafft das immer... Er hätte... er hätte wiederkommen sollen und mein Papa sein müssen!", weinte ich. „Kath... verdammt ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sage aber... willst du was trinken? Hast du was Starkes zuhause?", wollte sie wissen. Ich sah sie mit verweinten Augen an. „Du willst mit mir trinken?", fragte ich verwirrt. „Ich werde müssen. Weil ich dich kenne. Und mit solchen Schmerzen kommst du nicht zurecht. Deshalb... das Hausmittel der Flexings.", meinte sie und ging zu meiner kleinen Bar, bestehend aus einem Schränkchen. „Ach wieso frag ich überhaupt ob du was Starkes hast... Bourbon 40% sollte reichen.", meinte sie und kam mit der Flasche und zwei Gläsern zurück. Sie füllte in beide ein. Da sie keine Ahnung hatte macht sie statt zwei doppelten die Gläser voll. „Hier.", sie reichte mir ein Glas und zog mich aufs Sofa. Sie legte sich so hin, dass sie sich an die Ecke des Sofas lehnen konnte und zog mich halb auf sich. Sie trank und hustete. „Verdammt Kath... wie kannst du das trinken?", hüstelte sie. Ich zuckte mit den Schultern, setzte das Glas an und trank. Ohne abzusetzen bis mir die Luft ausging und mein Magen rebellierte. Da war das halbe Glas schon leer. „Ich habe eine riesige Firma zu leiten. Ich hatte einen Vater im Koma. Jetzt einen toten. Ich habe eine Frau die ich liebe, aber niemals als die Meine zeigen kann. Ich führe ein Leben in der wirtschaftlichen Öffentlichkeit. Doch der Teil meines Lebens, der mir wirklich etwas bedeutet, den muss ich verbergen. Denn ansonsten sterben wir beide. Wahrscheinlich unter Qualen. Also wieso glaubst du, kann ich das trinken?", meine Stimme war kalt und brüchig. Ich konnte kein Stück der Stärke aufbringen, die ich ansonsten an den Tag legte. Eigentlich zeigte ich nie Schwäche. Ich wusste, dass Schwäche immer ausgenutzt wurde um Schmerz zuzufügen und mich zu Schwächen. Doch Alisa war anders. Sie wollte mich stark sehen. Niemals schwach. Sie war neben meinen Eltern der einzige Mensch, der mich jemals so gesehen hatte. Sie war der einzige Mensch auf der ganzen Welt, dem ich so in den Armen liegen konnte. Sie war der einzige Mensch, der mich nicht verletzen würde. Und das war einer der Gründe, wieso ich Alisa Werkers liebte.

Die Fehler die wir machtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt