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Stockend atmete ich aus während ich meine Hände auf das Waschbecken stemmte. Noch einmal sah ich mich an. Ich trug ein hellgraues Hemd, eine schwarze Anzughose und ein schwarzes Jackett. Dazu eine dunkelgraue Krawatte. Mein Haar trug ich hochgesteckt. „Kath? Bin wieder da. Können wir?", hörte ich Alisa. „Ja.", ich trat heraus und sah meine Geliebte an, die noch schnell einkaufen gegangen war. Sie trug ein nnielanges schwarzes Kleid welches leicht ausgeschnitten war doch mit einem Netzstoff mit Mustern darauf ging das Kleid bis zum Hals. Darunter trug sie eine dünne schwarze Feinstrumpfhose und hohe, schwarze Schuhe. Sie trug ihr Haar offen. „Du bist wunderschön.", lächelte ich. Auch sie lächelte wobei das Lächeln von Mitleid geprägt war. „Du siehst auch toll aus. Aber jetzt komm... gehen wir...", meinte sie und deutete auf die Uhr. Ich nickte knapp und ging wie in Trance hinter Alisa her.

Ich bekam den Gottesdienst gar nicht mit. Ich saß da und hörte wie durch Watte. Sah wie durch einen Schleier. Alisa saß rechts von mir und Thomas Graumüller an meiner anderen Seite. Er hatte mir nur auf den Oberschenkel geklopft und sein Beileid ausgesprochen. Ich hatte nur genickt. Er war einer der wenigen Menschen, die ich hier wirklich mochte. Er war mit Papa gut befreundet gewesen. Alisa strich hin und wieder sanft und unbemerkt über meine Hand. Ansonsten lag ihre Hand entweder gefaltet auf ihrem Schoß oder zwischen uns, wobei sie mir mit ihrem kleinen Finger leicht über die Seite meines Oberschenkels strich. Doch das was der Pfarrer da sprach, von Gott der nun meinen Vater aufnahm. Von den Bibelstellen in denen Heilige Mut zeigten, wenn man sie zu Löwen schmiss oder sonst was. Ich ignorierte es einfach. Ich konnte mich auch nicht darauf konzentrieren. Ich starrte nur auf den schwarz Lackierten Eichensarg. Er war im amerikanischem Style und war zur Hälfte geöffnet. Darin lag mein Vater In einem schlichten schwarzen Anzug. Ich wurde erst wieder halbwegs hell als alle aufstanden und so auch ich. „Frau Flexing? Sie müssen das nicht tun.", meinte Herr Graumüller. „Doch. Ich bin seine Tochter. Seine Erbin. Seine Nachfolgerin. Also trage ich auch seinen Sarg.", meinte ich und ging neben ihm zum Sarg, der gerade geschlossen wurde. Der Friedhof war nicht weit. Doch wenn jemand meinen Vater auf dem letzten Weg begleitete, dann ich. „Hoch.", meinte Thomas und wir hoben den Sarg hoch. Ich und Thomas ganz vorne. Auf unseren Schultern der Sarg. Hinter mir standen Charlie und dann noch Alexander Zöllner, eine große Ehre eigentlich dass er mit trug. Aber ich würde den Sarg lieber ganz allein tragen anstatt mit diesem Nazi zu tragen. Aber es musste sein. Hinter Thomas gingen Hannes Maier, er war extra aus Stuttgart hergereist. Früher war er der Stellvertreter meines Vaters gewesen. Aber er war vor einigen Jahren in Rente gegangen. Er war auch einer der besten Freunde meines Vaters gewesen. Hinter ihm ging Gregor Mann. Er war früher Personalleiter gewesen. Auch er war gut mit meinem Vater befreundet gewesen. Er war nach seiner Rente nach Leipzig gezogen. Alisa ging neben Henriks in der Trauergesellschaft hinter uns her. Ebenso Johann Nitze, wohl in Vertretung seines Vaters. Der Sarg wog schwer auf meinen Schultern. Doch ließ ich mir nichts anmerken. Mein Blick war starr und ausdruckslos nach vorne gerichtet bis wir durch das Friedhofstor schritten. Und erst als wir den Sarg neben das offene Grab legten wurde mir so wirklich bewusst, dass ich meinen Papa nie wiedersehen würde. Tränen stiegen in mir hoch doch verbat ich mir zu weinen. Hier waren zu viele Leute. Der Pfarrer sprach noch irgendwelche Gebete und der Sarg wurde runter gelassen. Meine Sicht verschwamm und ich starrte auf das Loch worin mein Papa verschwand als ich eine zarte Hand auf meiner Schulter spürte. „Kathrin? Komm.", flüsterte Alisa und zog mich leicht zurück. Ich ließ mich einfach ziehen und trat in die Menge der Trauergäste. Alisa stand dicht hinter mir damit ich sie spüren konnte und so nicht umkippte. Irgendjemand drückte mir eine Schaufel in die Hand und ich ging mit den anderen Sargträgern zum Grab. Dort schaufelte ich mit den anderen zu. Ich konnte nur noch auf den Grabstein sehen. Johanna Flexing (geb. Schneider) 12.01.1989 – 09.08.2023 darunter stand Jasmin Flexing 09.08.2023 – 09.08.2023 und zu meiner Verwunderung war der neuste Eintrag bereits eingraviert: Martin Flexing 22.09.1978 – 03.01.2041. Ich atmete tief durch und drehte mich wieder um. Alisa stand bei Charlie. „Gehen wir am besten schnell. Nicht wahr, Charlie?", wollte Alisa wissen. Dieser nickte. Wir gingen schnell durch das Friedhofstor und selbstverständlich hatten sich dort schon Reporter versammelt. Wir quetschten uns einfach durch. „FRAU FLEXING! Frau Flexing! Können Sie in dieser Verfassung die Firma leiten?" „Werden nun Ihre Finanzen leiden?" „Glauben Sie, dass Sie dem Erbe Ihres Vaters gerecht werden können?" „Werden Sie sich nun zurück ziehen und Ihre Firma verkaufen?", riefen sie durcheinander. „Keine Fragen, bitte!", meinte Charlie und schob mich und Alisa in die Limousine. Und schon fuhren wir weg. Ich saß nur da. Mein Vater... tot und begraben.

Die Fehler die wir machtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt