Kapitel 7

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Mittlerweile haben wir alle Zelte aufgestellt und da meine Klamotten komplett durchnässt sind schickt Henrik mich nach drinnen. Er reicht mir seinen Pulli und warme Socken aus meinem Rucksack und hilft mir, in den Schlafsack zu krabbeln. Wir haben zwar erst vier Uhr Nachmittags und trotzdem fühle ich mich nicht fit. Kein Wunder, wir sind x Kilometer gelaufen und haben kaum Pause gemacht.

Als Nuri schliesslich mit dem noch sichtlich verwirrten Maximilian ins Zelt steigt schlüpfe ich sofort aus meinem Schlafsack raus. Hendrik macht von draussen das Zelt zu und unterhält sich mit den anderen Jungs. „Milli, was ist los? Alles okay?" Sofort rutsche ich zu ihm und nehme seine Hand. Nuri schüttelt den Kopf. „Er hat seit drei Tagen nix gegessen und kaum getrunken. All sein Essen hat er aufbewahrt, erst weil er nicht wusste wie lange wir noch hier draussen sein werden und anschliessend weil du so schwach warst. Deshalb ist er vorhin kollabiert, es war alles zu viel." Kopfschüttelnd fühle ich seine kalte Hand. „Ich gebe dir den Pulli von Hendrik, den kannst du momentan besser brauchen."

Milli will schon protestieren, da ziehe ich ihm den Pulli einfach über den Kopf. Er ist noch vorgewärmt von Hendrik und mir, so wird ihm schnell wieder etwas wärmer. Der Regen klopft noch immer aufs Zeltdach.

„Verdammt, Milli sollte was essen und trinken. Habt ihr da draussen was?" Roman öffnet die Zeltplane etwa zehn Zentimeter weit und schielt herein. „Da vorne hat's ein Bächlein. Ich geh Wasser holen." Nuri nickt und ich springe auf. „Ich gehe mit ihm." Nuri zieht zwar eine Augenbraue hoch, lässt mich dann aber ziehen.

Zu zweit laufen wir also durch den Matsch zum Bach und füllen unsere Flaschen auf. Gierig trinke ich schon mal ein paar Züge und fülle die Flasche erneut. „Jetzt müssen wir nur noch was zu essen finden. Hoffentlich bald, Milli hält nicht mehr lange durch."

Ich erinnere mich, dass ich noch was in meinem Rucksack unten habe. „Mensch Roman, ich hab doch eine ganze Packung Riegel und drei Äpfel dabei. Ganz unten im Rucksack." Ich will gerade losrennen als mein Knie mich daran hindert. „Komm, ich nehme dich Huckepack.", meint Roman und steht vor mich hin. Vorsichtig springe ich auf seinen Rücken und er geht in Windeseile zu den anderen zurück.

Innerhalb von wenigen Sekunden sind die Schuhe im Aussenzelt wasserdicht verstaut und ich krabble zurück ins Warme. „Ich hab unten im Rucksack noch etwas zu essen. Das hab ich vollkommen vergessen im Trubel. Warte." Schnell krame ich die Riegel hervor. Ich habe sogar zwei Packungen eingepackt, schliesslich sollte es eine mehrtägige Wanderung in den Bergen werden. Die drei Äpfel sind wie vermutet auch noch essbar.

Schnell packe ich einen Riegel aus und halte ihn Milli vor den Mund. „Da, Essen, sofort. Und trinken, capito?" Er schüttelt den Kopf aber Nuri und ich bleiben hartnäckig. „Oh doch, das wird gegessen. Und dann schlaft ihr beiden eine Runde.", mahnt Nuri uns. Ich kuschle mich in den Schlafsack zurück und drücke den Pulli von Milli an mich. Hoffentlich werden wir bald gefunden oder zumindest einen Arzt für Milli finden. Ich bin nämlich schon wieder fitter. Bloss das Knie und der Schwindel machen mir Sorgen, die Hände gehen klar.

Fünf Minuten später liegen Milli und ich in unseren Schlafsäcken aneinander gekuschelt im Zelt und versuchen zu schlafen. Bei dieser Eiseskälte darf man keine Berührungsängste haben, aber die hab ich ganz und gar nicht. Maximilian ist für mich ein guter Freund. Sehr gut sogar. Er hat sich so lieb um mich gekümmert, jetzt will ich auf ihn aufpassen.

Ich höre ein Geschrei und dann einen Knall. Erschrocken fahre ich hoch und setze mich auf. Sarah, es war bloss ein Traum, ganz ruhig. Maximilian schläft noch neben mir, Nuri dahinter auch. Es scheint mitten in der Nacht zu sein, doch noch immer prasselt der Regen auf unser provisorisches Heim nieder. Nass vom Angstschweiss sehe ich mich noch immer im Zelt um.

Milli neben mir öffnet die Augen. „Sarah?" „Mensch Milli. Alles gut? Geht's dir wieder etwas besser?", frage ich ihn und lege ihm eine Hand auf die Schulter. Er nickt. „Ja, schon ein bisschen besser geworden. Aber ich will einfach raus aus diesen Bergen, ich will in Sicherheit und nach Hause. Ich will was richtiges zu essen und eine warme Decke, mir ist kalt." Mitleidig schaue ich ihn an.

„Aber schau, wir sitzen alle im selben Boot. Wir machen alle dasselbe durch wie du gerade. Ich weiss genau wie du dich fühlst Milli. Ich hatte eine Scheissangst als ich über diesem Abgrund hing. Ich dachte ich sterbe. Dann haben Roman und Ju mich gerettet. Ich hatte vorhin mindestens genauso viel Angst um dich. Als du da lagst, ich... du bist mir so ans Herz gewachsen. Du bist ein richtiger Freund geworden. Dir würde ich alles anvertrauen, sogar mein Leben." Jetzt ist es raus, das was ich ihm schon lange sagen wollte. Ich mag ihn wirklich sehr. Milli lächelt. Ich auch. Dann nehme ich ihn in den Arm. Erst zu diesem Zeitpunkt merke ich, dass er zittert vor Kälte. Sanft stupse ich Nuri an. Dieser öffnet sofort die Augen und setzt sich gerade hin. Noch immer mit Milli im Arm deute ich ihm unser Problem.

Nuri zaubert von irgendwo eine Decke her, die er seinem Kumpel um die Schultern wickelt ohne ihn aus unserer Umarmung zu lösen. Keine zehn Minuten später scheint Maximilian in meinen Armen eingeschlafen, mir zieht es auch die Augen zu. Vorsichtig lege ich mich hin, sein Kopf noch immer auf meinem Bauch. Dann schliesse ich die Augen und lasse mich zurück ins Land der Träume gleiten.

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Hallöchen!

Unser Wetter hier in den Bergen ist etwa ähnlich wie in der Geschichte, aber ich bin froh dass ich immer wieder zurück ins Warme kann. Leider ist kein Fussballer dabei aber meine Familie ist auch toll. Ich wünsche euch jetzt noch einen schönen Tag, vielleicht kommt schon bald das nächste Kapitel.

T.

47 degrees north (Roman Bürki FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt