Kapitel 41

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Heute mal ein Vorwort zum Kapitel. Der Zeitsprung beträgt ein Jahr, die wichtigsten Ereignisse werden in den nächsten Kapiteln kurz erwähnt. Wenn ihr trotzdem Fragen habt, meldet euch einfach. Ich konnte mir die Geschichte einfach logischer vorstellen mit dieser Lücke, ich hoffe euch geht's auch so. Wie ihr vielleicht bemerkt habt, stimmen die Spieler schon lange nicht mehr mit der Geschichte überein. Marc Bartra, der leider den Verein im Winter verlassen hat, bleibt in meiner Geschichte noch immer recht zentral (was ihr später mehr bemerken werdet) und auch die Spiele stimmen nicht mit den originalen Partien überein. Hoffentlich stört es euch nicht. Jetzt viel Spass beim Lesen. Hab euch lieb!!

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***Zeitsprung ein Jahr*** (17. September 2018)

Ich bin nun mitten in meiner Ausbildung zur Krankenschwester, der krasse Berufswechsel hat mir sehr gutgetan. Roman ist mit dem BVB richtig durchgestartet und wir sind noch immer ein glückliches Paar. Natürlich gibt es auch ab und zu einen kleinen Streit oder eine Meinungsverschiedenheit, doch im Grunde genommen sind wir so glücklich wie nie zuvor. Die Tage in den Bergen haben wir gut verarbeitet, es ist mittlerweile mehr als ein Jahr her, wir haben also wieder Herbst, genauer gesagt Ende September.

Auch Leandro hat sich in seiner WG mit Julian und Erik gut eingelebt, sie sind alle beste Freunde geworden und man trifft sie nur noch im Dreierpack an. Julians Freundin findet das manchmal echt ätzend, doch sie hat sich daran gewöhnt, dass sie nicht jeden Tag etwas mit ihrem Liebsten unternehmen kann. Ich komme sehr gut mit Sarah aus, wir haben uns beim ersten Treffen stundenlang darüber lustig gemacht, dass wir gleich heissen. Auch Romans Familie ist wundervoll, sie haben mich unglaublich herzlich aufgenommen, bereits beim ersten gemeinsamen Abendessen gehörte ich zur Familie.

Seit einigen Tagen planen wir gerade unsere Weihnachtsferien. Da wir sonst kaum gemeinsam in den Urlaub fahren können, wollen wir dieses Jahr verreisen. Schnell sind wir uns einig geworden, dass wir zu Romans Familie in die Schweiz fahren. Wir würden gerne in die Berge fahren und auch noch einige seiner Natikollegen in der Schweiz treffen.

Gemütlich sitze ich auf dem Sofa, trinke eine heisse Schokolade und lese ein Buch. So geniesse ich meine freien Tage jeweils, dies kommt unter der Woche sehr selten vor. Als ich um fünf Uhr bereits eine Türe knallen höre, horche ich auf. „Roman, bist du's?", frage ich erstaunt und gucke auf die Uhr. Was zur Hölle macht er hier? Das Training sollte doch erst in einer halben Stunde zu Ende sein. „Ja, ich bin's bloss.", kommt es genervt aus dem Flur. So habe ich ihn noch nie erlebt.

Schnell haste ich zur Tür und stehe vor Roman, der mit triefenden Klamotten auf dem Teppich steht. „Mensch, was machst du denn schon hier? Ich dachte ihr hättet Training!", frage ich besorgt. „Heute ist einfach ein Scheisstag.", winkt mein Freund ab und pfeffert die Jacke wütend auf den Boden. „Hey, was ist passiert? Komm sag schon.", meine ich besorgt und greife seine Hand, doch er winkt nur ab.

Ich ziehe ihn an der Hand ins Wohnzimmer und drücke ihn aufs Sofa. Dann laufe ich hoch ins Schlafzimmer, hole ihm frische Klamotten, bringe sie ihm und mache in der Küche einen Tee. Zu zweit sitzen wir unter einer Wolldecke und ich wische ihm mit dem Daumen einen Wassertropfen aus dem Gesicht. Oder sind es Tränen?

„Komm, jetzt erzähl, was ist passiert?" „Ach, vor zwei Wochen diese fiese Erkältung, ich durfte zehn ganze Tage nicht trainieren. Und jetzt komme ich zurück und erfahre, dass sie sich einen anderen Torwart holen wollen. Eine neue Nummer eins. Die Fans sind richtig wütend auf mich, weil ich im Spiel gegen Schalke dieses Tor verschuldet habe. Ich musste die Kommentare auf Instagram wieder ausschalten, wie vor zwei Jahre schon! Sarah, ich bin bei denen auf dem Abstellgleis! Gegen den neuen Torwart hab ich doch keine Chance und Dominik und Hendrik werden auch von Tag zu Tag besser. Und ich älter! Ich habe einfach schreckliche Angst, dieser Club ist mein ein und alles. Meine Freunde sind hier, meine Lieblingsplätze und... Ach einfach alles.", schluchzt er leise und die Tränen laufen ihm die Wangen runter.

Vor zwei Wochen hat's ihn wirklich schlimm erwischt, er lag drei Tage im Bett und konnte sich kaum rühren. In dieser Zeit habe ich mir frei genommen aber es war trotzdem alles schrecklich, gerade jetzt wo die Champions League bald ansteht. Ich nehme ihn einfach tröstend in den Arm. Denn ändern kann ich die Situation nicht, auch wenn ich nachher mit Peter noch ein ernstes Wörtchen reden muss. Er ist für die Jungs sowas wie ein Onkel oder ein guter Freund, und doch respektieren sie ihn und befolgen alle seine Anweisungen brav.

Komischerweise hat das Kader kaum geändert, einige sind seit letztem Jahr dazugekommen, wenige sind gegangen. Roman hat schreckliche Angst, verdrängt zu werden und das obwohl er weiss, dass er nicht mehr viele Jahre Fussball spielen kann. Mit 28 Jahren ist er leider nicht mehr der Jüngste auf dem Gebiet, viele junge und gute Spieler eifern ihm fleissig nach und bemühen sich, einst seinen Platz einzunehmen und mit der gelben Wand im Rücken zu spielen. „Roman, du musst dich beruhigen. Versuch ruhig zu atmen, das wird alles schon wieder.", tröste ich ihn und gebe ihm seine Tasse Tee.

„Wir machen es uns jetzt gemütlich auf der Couch und dann kannst du mir alles erzählen was in der letzten Zeit vorgefallen ist. Ich habe nämlich das Gefühl du trägst noch mehr mit dir rum.", meine ich fürsorglich und lege meine Hand in seine. Und dann erzählt er mir alles. Dass sein kleiner Bruder im Mai einen Autounfall hatte lässt ihn noch immer nicht los. Marco ist wieder kerngesund, es geht ihm gut und er hatte damals nur einige gequetschte Rippen und ein gebrochenes Handgelenk. Aber er hatte riesiges Glück, wäre sein Auto wenige Meter weiter vorne in die Leitplanke geprallt wäre, wäre es womöglich mit der Fahrerseite in einen Notfallpfosten eingeschlagen. Roman belastet das noch immer und er hat auf der Strasse nun mehr Angst, als dass er sich sicher fühlt.

Er schüttet mir sein Herz aus und erzählt mir alles. Über die Geschichte mit seiner Ex-Freundin, die ihn so mitgenommen hat und über seine Familie in der Schweiz, die er so vermisst. Den ganzen Abend weint er, ich weine manchmal mit ihm oder ich halte ihn einfach nur fest. Alle Erlebnisse, die sich über Wochen, sogar Monate in ihm angestaut haben, sind ihm zu viel geworden. Man kann beinahe die Erleichterung spüren, die Steine, die ihm vom Herzen gefallen sind. Dann schläft er in meinen Armen ein und ich schalte den Fernseher ein.

Obwohl Greys Anatomy läuft habe ich keine Konzentration dafür, ich denke ständig darüber nach was in Roman vorgeht. Warum das gerade jetzt alles aus ihm herausbricht. Klar, dass sie ihn ersetzen wollen ist ganz und gar nicht schön. Aber selbst bei Marcos Unfall im Mai hat er mir die anderen Geschichten nie erzählt. Er wirkt auf einmal so verletzlich und zerbrechlich, wie er in meinen Armen liegt und schläft. Seufzend lehne ich den Kopf zurück und schliesse meine Augen.

47 degrees north (Roman Bürki FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt