Kapitel 42

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Ich wache wieder auf als auf dem Bildschirm unseres Fernsehers ein kleiner orangener Fisch seine Bahnen zieht. Vorsichtig hebe ich meinen Kopf, steige ganz vorsichtig vom Sofa um Roman nicht aufzuwecken und laufe in die Küche, natürlich mit der Handytaschenlampe. Ich mache mir erneut einen Tee als plötzlich jemand das Licht einschaltet. Roman steht mit verwuschelten Haaren im Türrahmen.

Ich sage nichts, nehme ihn einfach nur in den Arm. Ich glaube im Moment braucht er einfach jemanden der ihn liebt, der für ihn da ist, der ihn umarmt wenn er es braucht. Bedingungslose Liebe. Und genau das gebe ich ihm. Egal wie es ihm geht, ich bin immer für ihn da. Wieder tropft eine Träne auf mein Shirt, sie gehört nicht mir. Ich gucke zu Roman hoch, der die Augen zukneift und versucht einen Schluchzer zu unterdrücken. Sanft wische ich ihm eine Träne weg und verschränke seine Hand mit meiner, um mit der anderen Hand den Tee fertigzumachen. Ich ziehe ihn wieder aufs Sofa und drücke ihm den Tee in die Hand. Zu zweit sitzen wir einfach da und schauen stillschweigend die Kerze an, die ich vorhin auf dem Wohnzimmertisch angezündet habe.

Am nächsten Morgen ist noch immer ein schrecklich grauer Tag. Ich stehe auf und mache Frühstück, schliesslich ist Samstag. Roman hat eigentlich heute sein Bundesligaspiel gegen Gladbach, doch normalerweise steht er früher auf als heute. Vorsichtig wecke ich ihn auf. „Roman, dein Spiel. Solltest du nicht vorwärtsmachen?", frage ich leise. Roman räkelt sich und setzt sich auf. „Ich fühl mich nicht besonders. Aber ich will ihnen heute beweisen was ich wirklich draufhabe.", meint mein Freund entschlossen.

Vorsichtshalber schreibe ich Erik eine Nachricht. Er soll achtgeben dass Roman nichts zustösst, er übernimmt sich sonst. Ich habe Angst, dass er vor lauter Ehrgeiz in den Pfosten springt oder sich kopfvoran in ein Getümmel stürzt und nicht unverletzt wieder rauskommt. „Aber pass bitte auf dich auf, ja?", sage ich ihm, bevor er hochstürmt und sich umzieht. Er sieht zwar wirklich nicht gesund aus, doch mein Schweizer ist ein richtiger Sturkopf! Er zieht alles durch, was er sich vorgenommen hat.

Zum Frühstück will er nichts grossartiges, er schnappt sich einen von seinen Powershakes und einen Sportlerriegel, gibt mir einen Kuss und verschwindet. Normalerweise geht Roman immer früher zum Stadion, damit er sich mental vorbereiten kann. Und mittlerweile haben wir schon halb zwölf. Es war gestern sehr spät und ich kann mir vorstellen dass es gerade für Roman sehr viel Kraft und Mut gekostet hat, soviel von sich preiszugeben. Besorgt rufe ich noch Julian an und erkläre ihm die Situation. Er verspricht auf Roman aufzupassen und gemeinsam mit Erik nach ihm zu schauen, wenn etwas nicht gut ist. Dann gibt er mir Sarah, damit ich etwas mit ihr und Ann abmachen kann. Wir werden alle zu dritt ins Stadion fahren um anschliessend mit unseren Freunden nach Hause zu gehen. Hoffentlich mit drei Punkten in der Tasche. Wir treffen uns alle bei Weigls und Sarah nimmt dann ihr Auto.

Um zwei Uhr machen auch wir uns auf den Weg zum Signal Iduna Park. Auf der Tribüne treffen wir wie immer Lisa und Jenny, die sich auch gemeinsam hierhinbegeben haben. Leo hüpft wie verrückt auf Lisas Schoss rum und zappelt rum, es ist so schade dass wirklich nur ein Torwart spielen kann. Und trotzdem hoffe ich, dass mein Freund spielt, denn wenn Weide spielt ist was mit Roman nicht in Ordnung.

Als sich das Stadion füllt checke ich immer wieder mein Handy, in der Hoffnung eine Nachricht von Julian oder Erik draufzuhaben. Doch Fehlanzeige, in der Konzentrationsphase vor dem Spiel sind Handys natürlich tabu, ich kenne das von Roman. Und trotzdem wäre ich jetzt froh darum, Bescheid zu haben wie es meinem Freund geht. Doch als die Aufwärmphase beginnt, rennt er ganz normal mit Hendrik und Weide aufs Feld. Ich winke ihm zu, er winkt zurück und ich kann zumindest ein kleines Funkeln in seinen Augen ausmachen. Kann man das aus dieser Distanz überhaupt, oder war das nur Einbildung?

Kurze Zeit später beginnt das Spiel. Meine Hände krallen sich in Anns Jackenärmel, als Nobby die Aufstellung runterliest. Bei Romans Namen halte ich die Luft an und atme dann seufzend aus. Sarah guckt mich nur fragend an. „Weisst du, Roman geht's momentan echt schlecht. Er ist emotional und körperlich am Ende und... ich will einfach nicht dass ihm was passiert." Sie guckt mich nur traurig an. „Jule hatte das auch mal, so ein emotionales Down. Das Team hat aber auf ihn achtgegeben und ihn in dieser schweren Zeit unterstützt. Ihr schafft das schon, ihr seid beide stark, und Roman ist ein super Torwart. Wirklich, alles wird gut, glaub mir.", tröstet sie mich und grinst dann glücklich, als ihr Liebster aufgerufen wird.

Schon bald ertönt der Anpfiff und ich fokussiere Roman mit meinem Blick. Jede seiner Bewegungen sauge ich auf und ich kann regelrecht fühlen wie nervös er ist. Ich hoffe bloss er stürzt sich nicht geradewegs ins Unglück rein. Schon bald haben die Dortmunder den ersten Angriff. Yarmolenko hat den Ball und startet die Aktion, er schickt Milli mit einem steilen Pass geradewegs auf das Tor der Gladbacher zu. Yann steht im Tor und fixiert den Ball, ich springe auf und Milli schiesst-

Tooooooooor! Nobby schreit durchs Mikrofon, dass die Bänke zittern. Das Stadion tobt, Sarah neben mir kreischt laut und Ann springt wie ein Flummi auf und ab. Auch wenn das Spiel nicht sehr wichtig ist, der Nervenkitzel ist jedes Mal da und man fiebert voll mit. Yann tut mir etwas leid, ich durfte ihn im Sommer mit dem Nationalteam kennenlernen, und dabei auch seine reizende kleine Tochter, die Freundin von niemandem geringeren als Antoine Griezmann, einem der grössten Fussballer der Weltgeschichte.

Mich wundert ob sie auch gerade im Stadion ist und ihrem Papa zuguckt oder ob sie bei Antoine in Spanien ist. Ich sollte sie wieder einmal anrufen, wir haben uns bloss einmal gesehen und gleich hat es zwischen uns gepasst, inzwischen haben wir unzählige Male zusammen geschrieben, Telefoniert oder geskypt und haben fast täglich Kontakt. Vor lauter Jelsa und Yann bin ich völlig abgelenkt, Sarah reisst mich wieder aus den Gedanken. „Hey, dein Freund sollte jetzt langsam eingreifen.", schreit sie gegen die Pfiffe der Süd an. Tatsächlich, Lars Stindl rennt volle Kanne alleine auf Roman zu.


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Oh weh oh weh... was geschieht wohl? Ob Roman den halten kann!? Aber im eins gegen eins ist er ja fast unschlagbar!!!


Schönen Abend noch. Küsschen!

T.


47 degrees north (Roman Bürki FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt