Zehn Minuten später nimmt mich Leandro an der Hand. „Andiamo! Ich gehe in die Cafeteria. Und du kommst mit, capito? Wir müssen nachher noch schauen, dass Finns Eltern gefunden werden.", ordert er an und schleift mich mit sich an einen weissen Tisch im Café. Sofort zücke ich mein Handy. Wie so oft in den letzten eineinhalb Jahren verbringe ich den Abend in der Cafeteria vor der Notfallstation. Millis Milz wird jetzt entfernt, seine Rippenfraktur gerichtet. Zudem wird ihm die Flüssigkeit aus dem Bauchraum gepumpt, die er durch die zerrissene Milz verloren hat.
Eine Viertelstunde nach dem Spiel rufe ich Roman sofort an. „Kleines, was ist los? Wo bist du?" Ich schluchze laut ins Telefon. „Stell bitte auf laut, damit es das ganze Team hören kann.", presse ich zwischen zwei Schniefen heraus und ich höre, wie Roman den Knopf drückt und die Mannschaft anweist, den Mund zu halten. „Also, wie ihr wisst, wollte Milli sich das Spiel bei seinen Eltern angucken. Da aber sein Wagen defekt war ist er mit dem Zug gegangen. Und genau dieser Zug ist vor etwa zwei Stunden entgleist. Der Waggon in dem er sass, ist wohl umgekippt. Will, also der Sanitäter meinte, er habe einen Milzriss, gebrochene Rippen und womöglich ist das Schlüsselbein auch kaputt. Er ist gerade im OP und ich bin mit Leandro in der Cafeteria. Also wenn jemand Lust hat mit mir zu warten, ich hätte jede Menge Zeit und Platz. Und ich bräuchte es im Moment wirklich sehr.", erkläre ich dem Team traurig.
Alle wollen sich sofort auf den Weg ins Krankenhaus machen, auch Nobby macht die Durchsage im Stadion, dass mit Milli was nicht stimmt, dass er aber versorgt wird. Peter Bosz macht sich auch Sorgen um seinen Schützling, er will nachkommen.
Tatsächlich. Eine halbe Stunde später steht die ganze Dortmunder Mannschaft frisch geduscht vor mir. Ich falle Roman um den Hals, dann Jule, Nuri, Marc, Hendrik, Weide, Marco und schlussendlich auch allen anderen. Wenig später setzen wir uns um. Auf die Plastikstühle, die es auch am Flughafen vor den Gates gibt. Nur dass sie leider keine Ferienstimmung verbreiten, sondern eher Trauer und Angst.
Zwei Stunden später, also etwa gegen acht Uhr abends, ist es draussen dunkel. Finn ist von seinen Eltern abgeholt worden, er war mit seinem Patenonkel unterwegs, dieser hat den Unfall gut überstanden, liegt allerdings noch auf der Orthopädie. Ich habe meinen Kopf auf Romans Schoss abgelegt und meine Beine ruhen auf Leandros. Einige Fussballer schlafen, andere hören Musik, weitere spielen auf dem Handy oder sitzen einfach nur apathisch da und starren die Wand an. Als um neun Uhr noch immer kein Arzt da ist schlafe auch ich ein.
***1. Dezember 2018***
Erst am nächsten Morgen öffne ich die Augen wieder. Doch ich liege in Romans Bett. Er muss mich gestern nach Hause gebracht haben. „Morgen.", brummt er, als er bemerkt hat dass ich wach bin. „Morgen. Sag mal, wie bin ich nach Hause gekommen?", frage ich ihn neugierig. „Du bist zum Auto gelaufen, dann wieder eingeschlafen und dann vom Auto ins Haus wieder gelaufen. Also ich hab dich nicht getragen, soviel weiss ich sicher.", lacht er und ich stupse ihm die Nase.
Dann fällt mir wieder die harte Realität ein: Millis Zustand. „Was ist mit Milli?", frage ich plötzlich geschockt. Roman, der wohl gehofft hat, dass ich das vergesse, runzelt die Stirn und zuckt mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber wir können heute schauen gehen, wenn du möchtest.", bietet mein Freund mir an. Ich nicke, ziehe meine wärmste Jogginghose, einen Pulli von Roman und ein Paar von meinen BVB Kuschelsocken aus dem Schrank.
Eine doofe Angewohnheit von mir ist es, zuhause ständig in Schlabberklamotten rumzueiern. Oder ich klau auch gerne Romans Pullover. Oder Leandros. Oder Millis. Und manchmal leihe ich mir etwas von Sarah oder von Melissa aus. Mit schnellen Schritten eile ich in die Küche und schlittere sogleich über den glatten Fliesenboden am Kühlschrank vorbei. Hektisch laufe ich zurück, öffne den Kühlschrank und lasse meinen Blick über die vorhandenen Dinge schweifen.
Doch auf nichts habe ich Lust, ich würde gerade lieber saure Gurken gemeinsam mit Konfitüre essen als Müsli. Aber ausser Müsli und trockenem Brot hat unser lieber Fussballer leider nicht mehr zuhause. Gestern wäre ich eigentlich einkaufen gegangen, wäre da nicht die Sache mit Milli dazwischengekommen. Aber irgendwo zaubert Roman noch Eier, Mehl und so weiter hervor. Zum Schluss gibt's im Hause Bürki leckere Pfannkuchen. Doch so sehr ich mich auch anstrenge, ich muss immer wieder an Milli denken.
Nach dem Abwasch halte ich es nicht mehr aus, ich rufe Jule an. „Moin.", grüsst mich der junge Spieler freundlich durchs Telefon. „Hi du. Ju, ich hab eine Frage, es geht um Milli.", beginne ich sogleich. Betretenes Schweigen herrscht am anderen Ende der Leitung. „Jule, rück raus mit der Sprache. Ich will wissen was mit ihm ist! Wir sind auch seine Freunde. Bitte.", flehe ich. „Na gut, aber ich sage es euch persönlich. Wir treffen uns in einer halben Stunde vor dem Krankenhaus, okay? Dann kann ich euch alles erklären.", meint er ruhig und wir verabschieden uns.
Eine halbe Stunde später stehen wir bereit vor dem Krankenhaus. Jule kommt uns entgegen und nimmt uns in den Arm. „Also, hört mir gut zu. Beim Zugaufprall ist Milli wohl mit dem Bauch gegen eine Stuhllehne gekracht, anders können sie es nicht erklären. Jedenfalls hatte er eine Milzruptur, also einen Riss in der Milz. Es hat in den Bauch geblutet und daher war Millis Bauch auch so blau und so hart. Diese Blutung mussten sie operativ stillen. Ausserdem hatte er zwei gebrochene Rippen, diese sind jetzt gerichtet und fixiert, sodass sie nicht mehr kaputt gehen können. Die Gehirnerschütterung hat ihr restliches dazu beigetragen und auch die Kratzer sind zum Teil nicht ganz harmlos. Erschreckt euch bloss nicht, er ist noch sehr blass und schwach, aber ihr könnt zu ihm.", erklärt unser Freund, beinahe ohne Luft zu holen. Ich weiss nicht recht ob ich lachen oder weinen soll. Es klingt schrecklich, noch viel schlimmer als damals seine Vergiftung, die er aus Russland mitgenommen hat.
Ich atme einmal tief durch und umklammere mit meinen kalten Fingern Romans Hand. Dann führt Jule uns durch den Eingang zur Intensivstation. Da Milli eine Organentfernung hatte, muss er jetzt häufig überwacht werden. Die Milz ist nicht ein überlebenswichtiges Organ, sonst wäre es womöglich jetzt zu spät für ihn.
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Erste Nacht also überlebt. So meine Lieben, ich hab jetzt noch ein Hühnchen mit euch zu rupfen. Mit zwei von euch.
Erstens spoonymyunicorn.
Jedes Mau bringsch du mi zum lächle mit dine härzige Kommentare u de Emotione, wo aube chli mit dir düregöh😂🤔😭🔥😍❤.I bi ungloublech dankbar dii z haa. Danke für aus. ❤❤💖🔥💋
(Schaut doch mal bei ihr vorbei, sie schreibt unglaubliche Geschichten. Meine zwei liebsten Storys handeln zum einen von Yann Sommers Tochter an der WM 2018 (und selbstverständlich einem hübschen Fussballer) und zum anderen von Marc Bartra und einem besonderen Mädchen. Aber schaut selber vorbei.)
Und dann dieseborussin
Ich kann gar nicht sagen wie sehr ich mich jedes Mal über einen Kommentar oder ein Kapitel von dir freue. Es motiviert mich jedes Mal wieder, wenn du deine Meinung unter ein Kapitel schreibst (was eigentlich regelmässig geschieht😂❤). Ich freue mich auch jedes Mal, wenn du so mitfieberst und beinahe zu jedem Satz im Text einen Kommentar hinterlässt. 😂💛😏💋
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47 degrees north (Roman Bürki FF)
FanfictionDie 19jährige Sarah hat auf ihrer Russlandreise nicht mit dem Team des BVB gerechnet. Gemeinsam startet eine mehrtägige Wanderung durch das Kaukasus-Gebirge in Russland. Dass sie auf ihrer Reise besondere Menschen kennen lernt, macht die ganze Situa...