Der Sonntagabend bei den Hoppe-Kreschmeyers verlief nicht gerade goldig. Vor allem beim Abendbrot herrschte eine miese Stimmung, da jeder einen schlechten Tag hinter sich hatte. Anastasia war nach wie vor wütend auf ihren Vater, enttäuscht, dass die Sache mit Susi vollkommen nach hinten losgegangen war und genervt von Kai, weil sie ihn einfach hasste. Stephen hingegen war sauer, weil seine Tochter ihn zum einen verraten und zum anderen mit der Bibel geschlagen hatte. Henry war angepisst von Stephen, da dieser den Fernseher kaputt gemacht hatte und er eigentlich mit seinen Freunden ein Fußballspiel hatte gucken wollen. Außerdem musste Kai bei ihm im Zimmer schlafen und Tim nervte ihn mit Anastasia und dieser deprimierenden Fake-Beziehung. Mira hatte Liebeskummer wegen Jerome und Susi hatte keinen Ring gefunden. Die Tatsache, dass der nächste Tag ein Montag sein würde, besserte die allgemeine Laune auch nicht gerade. Nun gut, Anastasia freute sich, für wenige Stunden diesem Irrenhaus entfliehen zu können. Räuspernd streckte sie ihre Hand aus. "Krieg ich mal die Butter?" Mira sah von ihrem Handy auf und schob ihr die Butter hin. "Was war hier eigentlich los?", fragte Susi mit einem Blick auf den kaputten Fernseher. "Anastasia hat mal wieder gewütet", sagte Henry grimmig. Ein wenig sauer auf Ana war er natürlich auch, immerhin war es ihre Schuld, dass Stephen das Fußballprogram für den Abend zerstört hatte. "Er hat mich aufgeregt!", verteidigte sich Anastasia und zeigte anklagend auf ihren Vater. Stephen sah sie über seine Brillenränder erbost an. "Ich bitte dich! Du hast dich aufgeführt wie eine Verhaltensgestörte und mich mit dem Buch Gottes verprügelt!" Ana zuckte mit den Schultern, während Susi nach Luft schnappte. "Du hast was?", kreischte sie und sah zu Anastasia. Ella kicherte leise. Sie war die einzige, die einigermaßen guter Laune war. "Da steht eh nur Scheiß drin", sagte Anastasia. "Außerdem bin ich mir sicher, dass man den Schwachsinn noch lesen kann und -" "Du hast deinen Vater geschlagen!", fiel Susi ihr ins Wort. "Ach das meinst du." Anastasia legte den Kopf schief. "Das war schon länger fällig." Susi schüttelte verständnislos den Kopf, dann wechselte sie das Thema. "Meine Eltern kommen Mittwochabend zum Essen." Henry heulte auf. "Boa, Mama, ich schwöre! Bitte nicht! Warum sind die nicht in Monaco?" Susi schaufelte ein halbes Kilo Kartoffelsalat in sich hinein, bevor sie antwortete. "Schätzchen, da sind sie doch bloß im Winter." "Es ist Winter." "Winter, bist du dumm?", meldete sich Mira zu Wort. "Es ist Herbst, du Affe." Henry sah sie wütend an. "Halt deine Schnauze, du Opferkind!" "Hey!", rief Henry dazwischen, Susi jedoch schnitt ihm das Wort ab. "Lass sie, Liebling. Das ist Jugendsprache." Tim, Frank und Ella wechselten belustigte Blicke. Kai schwieg, aber er grinste. "Jedenfalls sind meine Eltern auf der Durchreise. Sie kommen gerade aus Mailand und fliegen in zwei Wochen zum Haareschneiden nach Chicago und wollen uns vorher besuchen. Mein Vater macht ja nicht mehr lange, also wäre es ganz schön, ihn vorher noch zu sehen", erklärte Susi. Anastasia klappte die Kinnlade runter. "Die fliegen zum Haareschneiden nach Chicago?" Susi nickte. "Ja, die haben da irgendeinen tollen Friseur gefunden, der macht das seit zehn Jahren. In Chicago machen sie auch die Fotos für die Weihnachtskarten, die sie uns jedes Jahr schicken, obwohl sie den Heiligen Abend bei uns verbringen." Sie verdrehte die Augen und Henry mischte sich wieder ein. "Mama, ich hab keinen Bock, mit Oma zu reden, ey, die hat voll den Knall, Alter, guck die dir doch mal an! Da ist doch der Föhn explodiert! Außerdem nervt die richtig mit ihren Erwartungen an mich, die Olle." Susi sah ihn liebevoll an. "Ich weiß, dass du unter großem Druck stehst, aber schau doch mal, der Opa kommt auch. Den magst du doch." Henry schnaubte auf. "Opa ist taub, fast blind und sitzt im Rollstuhl", sagte Mira schroff. "Natürlich mögen wir ihn." Anastasia verfolgte das Gespräch mit offenem Mund. "Warum haben die so viel Geld?", wollte sie wissen, aber Susi winkte ab. "Keine Ahnung, hab ich vergessen. Auf jeden Fall werden sie Mittwochabend kommen und es wird alles perfekt sein. Ella und Kai, vielleicht könntet ihr kurz so tun, als wäret ihr unsere Diener, dann wäre meine Mutter ganz stolz auf mich." Ella zeigte ihr einen Vogel. Im selben Moment kotzte Torben im hohen Bogen aus seiner Babywiege. "Shit!",brüllte Susi. "Wir hätten an diesem Abend doch besser ein Kondom benutzt", sagte Stephen und verdrehte die Augen. "Gibt's die überhaupt in deiner Größe?", scherzte Ana unwirsch und zog die Lacher auf ihre Seite, während Susi und Mira die Sauerei aufwischten.
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"Tim, wir müssen reden", sagte Anastasia, als ihr 'Freund' das Zimmer betrat. Sie lag bereits im Bett und lernte Latein für die bevorstehende Klausur. Tim zog die Augenbrauen hoch. "Willst du das wirklich?" Sie schüttelte den Kopf. "Nein, eigentlich nicht. Ich sagte ja: müssen." Seufzend ließ er sich auf ihrer Bettkante nieder. "Wir können das nicht durchziehen", begann Anastasia. "Du liebst mich und ich liebe dich nicht und wir sind zusammen und keiner nimmt es wirklich ernst." Tim zuckte die Schultern. "Ja, ist scheiße gelaufen, aber ich dachte.. ich dachte, du verliebst dich jetzt in mich, wo ich mehr bin als nur Kumpel." Sie schnaubte und sah zum Fenster. "Du bist eher weniger als das, seit wir zusammen sind." Sie wollte noch etwas sagen, aber da tauchte Mira im Türrahmen auf und Tim presste seine Lippen auf Ana's. Zögerlich schloss sie die Augen und legte ihre Hände um seinen Nacken. Seine Lippen fühlten sich weich an, aber irgendwie kalt. Und sie schmeckten nach Kartoffelsalat. Sie grinste. Es gab echt schlechtere Küsse, das musste sie zugeben. Aus der anderen Zimmerhälfte tönte Mira's Seufzen, vom Türrahmen aus räusperte sich Kai. Ana und Tim lösten sich voneinander. "Tschüss, bis morgen", lächelte sie und drückte seine Hand. Tim drückte zurück, dann ging er zur Tür hinaus. Fast gleichzeitig blafften Mira und Anastasia Kai an. "Raus!" Kai lachte sein kehliges Lachen. "Anastasia?" Sein Blick wurde ernst und das Lachen verschwand. "Ja?" Er lehnte sich an den Türrahmen und sah sie durchdringend an, ohne dabei Mira zu beachten, die neben ihm stand. "Ich will mich bei dir entschuldigen. Es tut mir wirklich leid, dass ich damals so ein Arsch war und... eigentlich war die Zeit mit dir echt toll." Anastasia blinzelte. Auf einmal fühlte sie sich wie damals, in Köln, als sie zusammen waren. Da hatte er sie stets mit seinem Motorrad mit zur Schule genommen und ihr in Mathe geholfen, das einzige Fach, das er konnte. Sie hatten sich gegenseitig mit den kitschigsten SMS überschüttet und sich jeden Freitag beim Italiener den Eisberg mit acht Kugeln bestellt. Und das beste: Sie hatten viel gekuschelt. Mehr als andere Paare. Aber das waren nur die guten Sachen. Und von den schlechten gab es zu viel, sonst wären sie wohl noch zusammen. Immerhin hatte er sie betrogen und das war das schlimmste, was er tun konnte. Außerdem war er wütend gewesen, als er erfahren hatte, dass Ana noch Jungfrau war. Wie sollte sie seine Entschuldigung dann annehmen? "Die Betonung liegt auf war, Kai", sagte Anastasia. "Unsere Zeit ist vorbei. Verarschen kann ich mich inzwischen selber." Sie schaute wieder in ihr Lateinbuch und Mira kuschelte sich mit einem Kopfschütteln in ihr Bett. "Ihr seid echt bescheuert", grinste sie. "Anstatt es noch mal zu versuchen, lebt ihr aneinander vorbei. Dabei seh ich doch, wie gut ihr zusammenpasst." Ana funkelte sie wütend an. "Siehst du auch, wie gut meine Faust und dein Auge zusammenpassen, du Zwerg?", blaffte sie. Mira stopfte sich das Winnepookissen unter den Kopf und stöpselte ihr Handy an die Ladestation. "Ich meine es wirklich ernst, Leute. Probiert es doch nochmal." "Ich bin mit Tim zusammen", entgegnete Ana, woraufhin Mira laut losprustete. "Und ich bin die Kaiserin von China." Kai legte seine Hand auf den Türknauf. "Ich find ihre Idee echt gut", sagte er leise, dann schloss er die Tür und verschwand im Flur. Kurz darauf platzte Ella hinein und legte sich neben Anastasia. "Kai ist hübscher als Tim", sagte sie gedankenverloren. "Mensch, ihr nervt, alle beide", erwiderte Ana gereizt. "Wer auch immer euer Dealer ist: man sollte ihn verklagen!"
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Stephen legte sein Buch beiseite und beobachtete Susi, die, inzwischen wieder fröhlich, vor sich hinstrickte. "Glaubst du... glaubst du, deine Eltern werden mich mögen?", fragte er schüchtern. Susi streichelte lächelnd über seine roten Locken. "Ach Schatz. Mein Vater kann dich eh nicht sehen oder hören und meine Mutter... die wird's toll finden, dass du so einen gut bezahlten Beruf hast. Mach dir keine Sorge, ich regel das. Nach ein paar Schnäpsen lockert sich die Stimmung meistens wieder." Sie legte ihr Strickzeig beiseite und lächelte ihn an. "Außerdem solltest du ihr nicht erzählen, dass du mir einen Antrag machen willst. Den mach ich nämlich." "Vergiss es!", empörte sich Stephen. "Ich bin der Mann!" Susi zeigte ihm einen Vogel. "Herzblatt, wir leben im 21. Jahrhundert. Was diese Mann-Frau-Sache angeht, bin ich gerne etwas flexibel. Ich würde übrigens gerne wieder arbeiten. Mit Torben ist es auf Dauer doch sehr anstrengend." Stephen starrte sie geschockt an. "Und nun? Willst du ihn zur Adoption freigeben, oder was?", fragte er entrüstet. Susi lachte auf. "Quatsch! Wir holen uns eine Haushälterin. Bei diesem Bauernhaufen brauchen wir eh eine, sonst spring ich hier noch im Dreieck oder bestell einen, der Feng Shui macht."
"Bitte kein Feng Shui!", sagte Stephen flehend. Das letzte Mal, dass er Opfer von Feng Shui geworden war, hatte er Durchfall und Ohrenschmerzen bekommen. Aber die Idee mit der Haushälterin war ganz gut. Es kam eben auf die Haushälterin an.
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I ♥ Kommis!
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Achtung Patchwork!
ComédieGroßfamilie? Nein danke! Zumindest in den Augen der siebzehnjährigen Anastasia, die ein ganz idyllisches Leben in Köln, allein mit ihrem Vater führt. Doch von heute auf morgen findet sie sich in einem Düsseldorfer Neubaugebiet wieder und soll ab sof...