Stephen zog den Reißverschluss von Susis rotem Etuikleid hoch. "Ich verstehe nicht, wie ein gesunder Junge meiner Tochter so etwas antun kann", murmelte er kopfschüttelnd. In Gedanken war er immer noch bei Tim und Linda. "Das ist die Pubertät, Schatzi." Susi seufzte, dann ging sie zum Spiegel und drehte sich davor. "Er ist enttäuscht, weil sie mit Kai verkehrt hat und nun... will er sie per Eifersucht zurück. Es ist nicht gerade sehr reif, aber doch in den meisten Fällen sehr wirkungsvoll." Schwungvoll drehte sie sich zu Stephen um und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. "Wie seh' ich aus?" "Gut", murmelte Stephen abgelenkt. Unbewusst fuhr er über seine sauber geknotete Krawatte. "Meinst du, ich kann ihn irgendwie davon abhalten?" "Schatz, das sind Teenager", sagte Susi mit einer wegwerfenden Handbewegung. "Misch dich nicht in deren Angelegenheiten ein. Außerdem sollte Anastasia jede mögliche Erfahrung mitnehmen - auch die schmerzhaften. Wenn du sie vor allem beschützt, kann sie sich nicht entwickeln. Es wäre doch sehr schade für so ein kluges Mädchen, wenn sie nicht erwachsen werden könnte." Sie schritt durch den Raum, um Stephen einen langen, leidenschaftlichen Kuss zu geben. Er zuckte zusammen, entspannte sich aber wieder. "Meinst du nicht, dass ich als Vater einschreiten sollte?" Susi sah ihm tief in die Augen, dann schüttelte sie den Kopf. "Nein. Auch, wenn es uns das Herz zerreißt, müssen wir unsere Kinder irgendwann ihren eigenen Weg gehen lassen." "Sagte die Frau, die mit ihrer minderjährigen Tochter gesoffen hat", säuselte Stephen, ehe er sich abwandte. Susi verdrehte die blauen Augen. "Du bist so ein Spießer, Schatz, jetzt echt!" Sie warf ihr geföhntes Haar zurück, nahm ihre schwarzen Pumps vom Boden und rauschte aus dem Raum. Erhobenen Hauptes stolzierte sie ins Bad, um sich zu schminken. Und - O, welch Zufall - sie fand Anastasia dort vor. Das Mädchen saß auf der zugeklappten Klobrille und hatte schwarz unterlaufene Augen vom Weinen. Susi kickte die Tür mit dem Fuß zu und nebelte sich in ihr Hugo-Boss-Femme-Parfüm ein. "Was ist los, Mäuschen?" "Ella ist weg", schniefte Ana, ehe sie ein weiteres Taschentuch aus der Packung riss. Sie trug zwar ihr weißes Kleid, aber sie hatte sich weder um ihre Haare gekümmert, noch sah ihr Gesicht passabel aus. Susi runzelte die Stirn - ihre Eltern würden in zwanzig Minuten da sein. "Schatzi, sie ist doch schon heute Morgen gefahren. Warum weinst du jetzt deswegen?", sagte sie sanft, während sie sich Deo unter die Achseln sprühte. Ihre Mutter hatte eine sehr empfindliche Nase. Der Geruch von Schweiß ging gar nicht. "Na ja, aber jetzt fehlt sie mir am meisten", sagte Ana schulterzuckend. "Wer soll denn mit mir über Tim reden, diesen Wichser, und mir helfen, ihm Feuer unterm Arsch zu machen? Und dann ist da auch noch Rosa, bei der ich mich rächen muss und Linda... diese... blöde Tusnelda! Ich bin völlig überfordert! Hab ich irgendwas an mir, das Arschlöcher anzieht? Bin ich ein Magnet, oder was?" Anastasia war während des Redens aufgesprungen und tigerte im Raum auf und ab. Susi betrachtete sie durch den Spiegel, als sie ihre kurzen Wimpern tuschte. "Ich glaub, du redest dir die Welt schlechter als sie ist", sagte sie mitfühlend. Draußen plätscherte der Regen in die Dachrinne und aus Miras Zimmer dröhnte Jay-Z. "Was soll das denn jetzt heißen?", fragte Anastasia irritiert. Susi stöhnte auf, als sie verrutschte und sich Mascara ans Nasenbein schmierte. "Du wirkst ziemlich pessimistisch", sagte sie schließlich. Sie träufelte Make Up-Entferner auf ein Wattepad und rubbelte über ihre Nase. "Ich glaube, das liegt daran, dass du in der Pubertät bist. Du bist geistig etwas verwirrt und gereizt, dabei sind die Dinge gar nicht so furchtbar, wie du denkst, hm? Was sagst du?" Anastasia starrte Susi fassungslos an. "Nee, Susi, jetzt mal im Ernst! Ich sage, dass du keine Ahnung hast, was ich im Moment durch mache! Und ich sage, dass das Hauptproblem nicht einfach mit einer Tasse Tee gelöst ist, so wie du denkst! Und angesichts der Tatsache, dass ich siebzehn bin, ist das auch kein pubertäres Gerede mehr, sondern Liebeskummer. So!" Ana stampfte mit dem Fuß auf. Susi ließ die Hand sinken, mit der sie gerade Eyeliner aufgetragen hatte. "Ich komme grade nicht mit. Hast du Liebeskummer gesagt?", hakte sie verdattert nach. Ihr Geruch von Parfüm und exotischem Rexona-Deo stieg in Ana's Nase. Sie hob sie Schultern an und ließ sich auf den Wannenrand sinken. Mit der Haarbürste fuhr sie beinah aggressiv durch ihre Knoten. "Ja, Liebeskummer! Soll ich es vielleicht noch buchstabieren?", fuhr sie Susi an. Susi schüttelte verwirrt den Kopf. "Moment mal... ich dachte, du hättest keine Gefühle für Tim?" Anastasia bürstete jetzt leichter. "Meinst du, sonst würde ich den ganzen Terror machen? Natürlich habe ich irgendwie Gefühle für ihn, wir waren immerhin eine Woche für 'n Arsch zusammen und haben uns befummelt und geküsst und... da kommt man schon irgendwie in eine Verliebtheit. Nur gerade, wo ich ernsthaft überlege, was mit ihm anzufangen, kommt er mit dieser Schlampe daher!" Ihre Stimme klang immer verzweifelter. Susi setzte ein mitfühlendes Lächeln auf und berührte sanft Anastasias Schulter. "Ach, an der hat er nicht lange zu knabbern. Das ist eine Nacht, rein, raus, Katzenschmaus. Mehr wird da nicht laufen. Und dann hast du ihn für dich allein." Anastasia lächelte gequält. "Klingt echt schön", sagte sie leise, "aber wir sind hier nicht bei GZSZ." In dem Moment schwang die Tür auf und Mira kam ins Bad. Sie hatte ihre Krauselocken mit ein paar Klammern gebändigt und trug das dunkelblaue Kleid mit dem Spitzenkragen. Ihre Füße steckten ihn Tommy-Hilfiger-Ballerinas und mit der richtigen Schminke würde sie umwerfend aussehen. Anastasia versuchte ein Lächeln. "Oh Gott, was ist denn hier los?", fragte Mira entsetzt und zog ihr Stupsnäschen kraus. Sie eilte durch das Bad, um das Fenster aufzureißen. "Sind die Duftkugeln aus der Badewanne explodiert, oder was rieche ich?" Sie wedelte sich mit der Hand Luft zu, ehe sie nach ihrer Wimperntusche griff. "Das ist Susi", sagte Ana trocken. Sie stand inzwischen vor dem Spiegel und versuchte, ihre Augen zu retten. Mira warf ihr einen verwirrten Seitenblick zu - hatte sie etwa geweint? Susi trat grinsend an ihre Seite. "Riech ich nicht gut?", zwitscherte sie. Mira hielt die Luft an. "Mama, du riechst wie ein Candyshop!", beschwerte sie sich. "Nicht gut?" Susi betastete den Medaillon ihrer Halskette, dann zuckte sie mit den Schultern. "Egal, Mutter wird's gefallen." Mit den Worten hüpfte sie aus dem Raum. "Was hat sie dir angetan?" Mira griff nach Anas Schultern und rüttelte daran. "Hat sie mit dir über das Leben geredet?" Sie japste auf. "Über die Liebe", korrigierte Anastasia mit zusammen gebissenen Zähnen. "Vergiss alles, was sie gesagt hat!", sagte Mira schrill. "Wieso?" "Weil sie dich damit viel zu sehr verletzt! Das, was sie sagt ist so realistisch und so... wahr, dass es dich niedermacht. Spürst du das? Wie dein Herz zersplittert? Das liegt an ihr." Aus Henrys Zimmer drangen Jungenstimmen, ein klatschendes Geräusch, etwas flog um. Wie es aussah, waren Henry und seine Freunde aneinander geraten. Anastasia holte tief Luft. "Mira, ich glaube, du leidest an Wahnvorstellungen. Ehrlich gesagt hat Susi mir schon ein bisschen geholfen..-" "Was?", schrie Mira. Anastasia hielt sich erschrocken die Ohren zu. "Schrei doch nicht so." "Und ich dachte, du wärst auf meiner Seite." Mira knallte ihren Mascara auf die Ablage aus Glas und wischte sich über die Stirn. "Du bist ein bisschen neurotisch, kann das sein?", sagte Ana kopfschüttelnd, ehe sie sich umdrehte und aus dem Raum schritt. Neurotisch, naiv und verträumt - das war Mira.
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"Du bist doch nur neidisch, du Arsch!", rief Tim, als Henry ihn im Schwitzkasten hatte. Frank saß neben ihnen und filmte sie kichernd. "Das hättest du wohl gern!" Henry rubbelte mit der geballten Faust über Tim's Kopf. "Ahhh, du Wichser!" Mit einem Ruck befreite Tim sich aus seinem Griff und verpasste ihm eine Ohrfeige. Henry schäumte vor Wut. "Anastasia ist meine Schwester -" "Stiefschwester", unterbrach Frank. "Stiefschwester, meine Fresse. Sie ist meine Stiefschwester, und wenn du ihre Gefühle verletzen willst, musst du erst an mir vorbei, Penner!" Er verpasste Tim solch einen Hieb, dass dieser vom Bett flog. Henry setzte noch einen oben drauf und trat seinem Kumpel in den Rücken. "Du Hurensohn, Alter!", japste Tim. Henry lief vor Wut rot an. "Lass' meine Mutter aus dem Spiel, kapito?" Er riss Tim hoch, nur um ihm wenig später eine Kopfnuss zu geben. Tim nahm ihn in den Schwitzkasten und drehte den Spieß um. "Du hältst dich aus meinem Leben raus, okay, du Pisser? Ich tue und lasse, was ich will!" Mit einem Klatschen landete seine flache Hand in Henrys Nacken. Er jaulte auf. "Du Missgeburt, Mann!" "Ach, halt die Fresse!" Henry richtete sich auf und blitzte Tim an. In dem Moment, als Moritz die Tür auf machte und in seinem Anzug hineinspaziert kam, schlug Henry Tim in den Magen, sodass dieser nach hinten flog und den kleinen Moritz kräftig in den Flur zurück stieß. Dieser knallte gegen Susi, die gerade vorbei lief. Die beiden fielen in einen unförmigen Haufen übereinander. Tim rappelte sich auf und stürzte ohne weiteres aus dem Haus. "Was war das denn?", fragte Susi entsetzt und fasste sich am Kopf. Stephen kam aus dem Zimmer gestürmt, um zu helfen, und Mira, die ihren Kopf aus dem Bad steckte, brüllte vor Lachen. Moritz brach in Tränen aus. "Alles in Ordnung, Spatz?", fragte Susi und betastete den Gips an seinem Arm. Er schien heil. Moritz schnappte nach Luft und schlang schluchzend seine Arme um ihren Hals. "Das ist der Schock", murmelte Stephen, der daneben stand und über Susis Kopf streichelte. "Welche Bombe hat denn jetzt eingeschlagen?", schrie Anastasia aus ihrem Zimmer. "Tim", antworteten Susi und Henry aus einem Mund. "Er sollte weggesperrt werden!", motzte Ana. Ihre Stimme klang jetzt näher. Wenig später stand auch sie im Flur und starrte auf das Szenario. "Nee, oder?" "Ich hab ihn geschubst", gestand Henry kleinlaut. Anastasia seufzte. "Jungs." "Allerdings", schnaubte Susi und stand energisch auf. "Frank, du verlässt augenblicklich das Haus und du Freundchen" - Sie deutete mit dem Finger anklagend auf Henry, während Frank davon schlich - "du bezahlst den Schaden." "Welchen Schaden?" Henry fuhr sich durch die Haare, als Susi an ihm vorbei stolzierte. "Hier." Sie deutete auf die zerbrochene Gardinenstange, dann auf eine zerschellte Kaffeetasse von p.t.-Post. "Diese Prügeleien will ich nicht mehr!" Susi schob sich zur Tür hinaus. Es klingelte an der Tür. "Das sind Mareike und Jochen mit Annabell", schniefte Moritz nach einem Blick auf seine Uhr. "Dann mal los." Susi nickte und stapfte die Treppe hinunter. Wenn ihre Cousine da war, fühlte sie sich automatisch sicherer.
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Kommis? ♥
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Achtung Patchwork!
HumorGroßfamilie? Nein danke! Zumindest in den Augen der siebzehnjährigen Anastasia, die ein ganz idyllisches Leben in Köln, allein mit ihrem Vater führt. Doch von heute auf morgen findet sie sich in einem Düsseldorfer Neubaugebiet wieder und soll ab sof...