Tim legte seinen Arm um seine blonde Gefährtin, von der er inzwischen erfahren hatte, dass sie Linda hieß. Und auch, wenn er keinerlei Gefühle für sie hegte, sah sie verdammt geil aus. Sie löste in ihm nicht dasselbe aus wie Anastasias Anblick, aber sie war trotzdem ein hübsches Ding. Außerdem würden Henry und Frank rasend vor Eifersucht werden, wenn Tim bei Linda landete. Es war eine gute Möglichkeit, diesen kitschigen, schwulen Ruf loszuwerden, den er in letzter Zeit bekommen hatte. Gut gelaunt öffnete er die Tür der Pizzeria neben dem Lehrerparkplatz und ließ Linda vor ihm hineingehen. Gut, es war kein schnuckes Restaurant, eher ein Imbiss. Der Boden bestand aus eidottergelben Kacheln, die Tische waren aus einfachem, weißen Holz. An der Wand hing ein Fake der Mona-Lisa und die Stühle sahen nicht gerade komfortabel aus, aber was soll's? Linda schien es nicht zu stören und Tim kam es eh nicht auf's Essen an. Flüchtig ließ er seinen Blick über die wenigen Leute gleiten, die hier saßen. Der Tisch hinten in der Ecke machte besonders viel Lärm. Eine Stimme, die Henrys Schwester Mira ähnelte beschwerte sich lautstark darüber, dass ihr Baby-Bruder anscheinend die Windeln voll hätte und eine Frau mit blonder Föhnfrisur, hob drohend das Messer. Die waren ja wie die Kreschmeyers! Tim schüttelte schmunzelnd den Kopf. Obwohl... Halt! Das waren die Kreschmeyers! Anastasia saß mit dem Rücken zu ihm, ihr abgetragener Trenchcoat hing über ihrer Lehne. Das dunkle Haar hatte sie zu einem unordentlichen Pferdeschwanz zusammengefasst und sie trug die schwarze Sweatshirtjacke von Abercrombie, an der er mal heimlich geschnüffelt hatte. Tim hielt die Luft an. Genau in dem Moment drehte Ana sich um und blickte ihm direkt in die Augen. Mit klopfendem Herzen wartete er ihre Reaktion ab - würde sie Amok laufen? Ihr Blick schweifte zu dem hübschen Blondchen an seiner Seite und sie schnappte empört nach Luft. Sie musterte Linda von Kopf bis Fuß, von den künstlichen Federohrringen, bis zu den modernen Tretern von Timberland und Tim konnte ihre Gedanken förmlich lesen, als sie Was eine Schlampe dachte. Er schabte mit den Füßen. "Wieso guckt die Inderin so?", zischelte Linda. "Sie ist Portugiesin", antwortete Tim mit zusammengebissenen Zähnen. "Sie ist die Schwester von meinem Bro." "Aha", sagte Linda knapp. Dann stolzierte sie los, direkt auf Anastasia zu. Tim schlurfte ihr hinterher. Als sie vor dem Tisch stehen blieben, hörten Mira und Susi auf zu streiten. "Tim! Was für eine Überraschung." Susi sah zu Linda und schürzte die Lippen. Sie schien dasselbe zu denken wie Anastasia. "Du stehst doch auf Ana", platzte Mira verwundert heraus. Tim lief knallrot an. "Ach ja?", sagte Linda schnippisch. "Nein, das stimmt nicht!", log Tim. Mira lachte auf. "Anscheinend versuchst du aus Verzweiflung und Wut heraus, irgendwie über Anastasia hinwegzukommen und nutzt das nächstbeste Flittchen aus, das dir über den Weg läuft", erklärte Susi sachlich. "Von wegen!", schnaubte Tim. "Ich bin kein Flittchen!", beschwerte Linda sich und griff nach Tims Hand. Er wäre am liebsten im Boden versunken. "Die Nummer ist doch lächerlich", sagte Mira kopfschüttelnd. "Hey, ich hab ein Date, okay? Das ist nicht eure Angelegenheit!", rief Tim aufgebracht. Anastasia starrte auf Lindas hautenges Kleid, das ihr gerade mal übers Höschen reichte. Der Reißverschluss an der Seite war ein Stück offen und gab den Blick auf ihren hellblauen Spitzen-BH frei. "Deine Titte hängt raus", informierte Anastasia Linda trocken, die rot anlief und den Reißverschluss zu zerrte. "Süßes Kleid", sagte Ana dann und ihre Stimme strotzte vor Sarkasmus. "Es sieht irgendwie nuttig aus, aber passt zu dir." Schließlich stand sie auf, grapschte Torben und verschwand im Klo, um seine Windeln zu wechseln. "Können wir bitte woanders essen?", fragte Linda mit piepsiger Stimme. Nur zu gern! "Klar." Tim drehte sich auf dem Absatz um und stürmte mit ihr aus dem Laden.
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Susi nahm ein dunkelblaues Kleid mit Spitzenkragen vom Ständer und sah Mira fragend an. Die drei Frauen hatten sich, nachdem sie eine Flasche Sekt gekillt hatten, zu P&C verkrochen, wo sie Kleider anprobierten, die sie für das Abendessen mit Susis Eltern kaufen wollten. Mira hickste; der Alkohol bekam ihr nicht so gut. "Hm. Gib einfach mal her." Sie nahm das Kleid und legte es über ihren Arm. "Seht mal!", rief Anastasia, die nach dem vielen Sekt recht lustig drauf war. Sie deutete auf ein weißes Kleid mit dünnen Trägern, das auf Hüfthöhe gerafft war und locker bis auf die Knöchel fiel. Susi hob den Daumen. "Nicht schlecht, Herr Specht!" Dann krallte sie ein pinkes Rosenkleid und marschierte in die Umkleiden. Mira und Ana folgten ihr kichernd und beschlossen, sich eine Kabine zu teilen. "Mein Arsch ist zu fett", murmelte Susi nebenan. "Dann nimm 'ne Nummer größer", lallte Mira zurück. Sie stand vor dem Spiegel, die Hände verzweifelt in ihren Locken vergraben. "Ich nehm doch nicht 38!", beschwerte Susi sich. "So weit kommt's noch." "Dann such' dir ein neues Kleid!", rief Anastasia, die sich in ihrem weißen Kleid drehte. Sie sah aus wie ein Engel: Die dunklen Locken hingen wirr und ungekämmt über ihre Schultern, ihre Augen funkelten und das Kleid schmeichelte ihrer Figur. "Dein Busen sieht darin kleiner aus", sagte Mira mit schief gelegtem Kopf. "Irgendwie... harmlos." "Dann ist ja alles super", strahlte Ana und fuhr durch ihr knotiges Haar. "Auf Dauer ist es nervig, angestarrt zu werden als hätte man zwei Melonen zum Preis von einer im Angebot", setzte sie leichthin hinzu, ehe sie in ihre alten Klamotten stieg. "Man kann seine Möpse auch verkleinern lassen!", rief Susi von nebenan, dann fluchte sie plötzlich. "Was ist?", wollte Mira wissen. "In dem Gelben seh ich aus wie ein Kanarienvogel. Ich hab einfach nicht die Hautfarbe für helle Kleider." Susi klang aufrichtig niedergeschlagen. Mira und Ana verdrehten die Augen - es war nicht das erste Mal, dass Susi irgendwelche Komplexe hatte. Neulich beim Stillen hatte sie sich darüber aufgeregt, dass ihr linker Busen größer war als der rechte, und dass ihre Brustwarzen wegen Torben total verkrüppelt waren. "Ich war mal jung und schön", seufzte sie in der Nachbarkabine vor sich hin. "Ich hatte einen knackigen Arsch und zwei perfekte Apfelbrüste. Jetzt seh' ich aus wie ein Christbaum, der zu gut bestückt wurde: Alles hängt durch." Mira seufzte, während sie Ana neidisch dabei beobachtete, wie sie das letzte Loch im Gürtel festschnallte. Mira musste unbedingt ihre Pfunde loswerden...! "Ich hab zu viele Kinder gekriegt. Und Torben war auch vielleicht ein Brocken, du lieber Scholli, er hat mich so ausgeleiert", fuhr Susi fort. "Sei leise und warte, ich such' dir jetzt ein Kleid", brummte Anastasia und rauschte aus der Kabine.
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"Ich hab ein Kochbuch mitgebracht!", rief Stephen, als er durch die Haustür kam. "Wozu das denn?", brüllte Susi aus der Küche. Stephen zog seine Schuhe aus, stellte seine Aktentasche ab und ging ins Wohnzimmer. Ana saß auf der Couch und sah Fernsehen, während Mira Torben verschiedene Strampler anzog, um zu sehen, was er heute Abend tragen sollte. Moritz saß summend am Tisch und rechnete sich durch seine Matheaufgaben. Stephen küsste Anastasia auf den Kopf, dann ging er zu Moritz. "Na, Großer?" Er tätschelte seine Schulter. "Wie war's in der Schule?" Moritz sah kurz auf, dann kramte er in seinem Mäppchen. "Wir haben einen Überraschungstest geschrieben." "Und?" Stephen lehnte sich vor. Moritz zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Der hat mich echt überrascht." Stephen wandte sich seufzend ab und wälzte sein Gewicht in die Küche. Susi saß auf dem Tisch und biss abwechselnd in einen Apfel und in eine Tafel Schokolade. Er stutzte. "Was wird das?" "Ich wollte Schokoäpfel machen, aber dann wäre vermutlich das Haus explodiert. So geht's auch", sagte sie schmatzend. Stephen legte das Kochbuch auf die Anrichte. "Wir haben tausende Kochbücher", mampfte Susi. "Ja, aber die meisten sind dreckig oder eingerissen oder haben Brandflecken. Oder stammen aus dem letzten Jahrhundert. Hier sind ein paar schöne Rezepte drin, die wir heute Abend kochen können, wenn deine Eltern kommen." Susi verschlang das Kerngehäuse des Apfels, dann sprang sie vom Tisch. "Gibt es da drin Rezepte mit Spinat?" Stephen runzelte die Stirn. "Spinat?" "Die Mädchen wollen Spinat", sagte Susi achselzuckend. Er sah verwundert zur Tür hinaus. "Ana!", rief er, "du magst doch keinen Spinat." Ein Schmunzeln trat in Anastasias Gesicht. "Wenn ich getrunken hab, schon." Sie zappte durch die Kanäle, bis sie bei VIVA hängen blieb, wo das Musikvideo von 'Love runs out' lief. Stephen starrte Susi entsetzt an. "Ich dachte, ihr wart shoppen?" "Waren wir auch", antwortete Susi und knallte einen Topf auf den Herd. "Ich kann ein paar Tiefkühlkroketten machen", murmelte sie dann und öffnete die Gefriertruhe. Wenig später schmorten die Kroketten im Ofen. "Du hast die Mädchen abgefüllt?", zischte Stephen. Susi gab ihm einen Kuss auf die Nasenspitze. "Ach was. Sie haben aus eigenen Stücken getrunken." Auf seinen geschockten Gesichtsausdruck hin fügte sie hinzu:"Sei doch nicht so spießig. Anastasia war echt fertig, weil Tim eine Neue hat, so eine nuttige. Die ist nuttiger als diese Paris Hilton. Jetzt geht's ihr wenigstens besser." Sie zuckte die Achseln und wandt sich wieder dem Herd zu. "Tim hat das tatsächlich durchgezogen", flüsterte Stephen, mehr zu sich selbst. Dann fragte er:"Wo ist Henry?" "Oben. Er zockt. Wenn du ihn siehst, kannst du ihm bitte sagen, dass er die Krawatten nicht mehr als Staubfänger benutzen soll. Er braucht sie nämlich heute Abend", erklärte sie augenzwinkernd. Stephen sauste aus der Küche. Tim war schon ein hinterlistiges, rachsüchtiges Biest...! Er musste ihm ausreden, Ana weiterhin zu verletzen, er musste einfach. Sonst hatte er als Vater versagt.
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Achtung Patchwork!
UmorismoGroßfamilie? Nein danke! Zumindest in den Augen der siebzehnjährigen Anastasia, die ein ganz idyllisches Leben in Köln, allein mit ihrem Vater führt. Doch von heute auf morgen findet sie sich in einem Düsseldorfer Neubaugebiet wieder und soll ab sof...