62 - Vater

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Manus Sicht

"Ach komm her, Spinner", grinste meine Schwester und nahm mich in den Arm. Sofort erwiderte ich die Umarmung. Luisa war die Jenige, die ich am seltensten zu Gesicht bekam, da sie schon seit drei Jahren in Holland studierte und lebte.
"Ich hab nichts Besonderes für dich", sagte sie als wir uns lösten, "Aber ich hab dir trotzdem was Kleines aus Holland mitgebracht."
Leicht gerötet grinste sie mich an und reichte mir ein kleines Päckchen mit holländischen Waffeln. "Es.. Es ist echt nicht so besonders, aber-" "Quatsch", unterbrach ich sie, "Das ist prima! Vielen Dank!"
Auch ich gab meiner Schwester einen kleinen Umschlag, welchen sie aber erst öffnen sollte, wenn sie wieder zu Hause war.

Nachdem sie sich bedankt hatte, gab ich Sebastian sein Geschenk, worin sich ein Kalender für das nächste Jahr befand.
Seitdem ich ihm als ich noch ein Kind war einen selbstgemachten Kalender schenkte, und er sich so darüber freute, schenkte ich ihm jedes Jahr wieder Einen.
"Oh, was da nur drinne ist!", kicherte er, weshalb auch ich anfing, zu lachen. "Danke", sagte er und nahm mich in den Arm.
"Keine Ursache." Er hingegen reichte mir ein Taschenbuch von Harry Potter - auf Englisch. "Ich wusste dieses Jahr wirklich nicht, was ich dir schenken könnte, also dachte ich, dass-" "Es ist großartig", unterbrach ich ihn lächelnd, "Vielen Dank, ich freue mich wirklich"

Ein letztes Mal nahm ich alle freundlich in den Arm, um mich zu verabschieden, und schon war ich auf dem Weg zum Bahnhof, wo ich mich in den Zug setzte, welcher mich in wenigen Stunden wieder mit Palle vereinen würde.

Es war unglaublich schön, meine Familie endlich wieder zu treffen. Ich hatte sie sehr vermisst, und es war einfach unfassbar, wie groß Noah geworden war. Zu gut konnte ich mich daran erinnern, wie Noah es liebte, wenn Palle und ich mit ihm auf den Spielplatz gingen. Auch ich hatte unheimlich viel Spaß daran, zu zu sehen, wie Palle sich zum Affen machte und versuchte, sich die Rutsche herunter zu drücken. Alles nur Noah zur Liebe.

Palle wäre ein großartiger Vater geworden. Er wäre die Art Vater, der alles tun würde und seinem Kind alles zu ermöglicht, damit es glücklich wäre, aber würde dabei trotzdem vernünftig bleiben. Ich hingegen wäre die Art Vater, der alles erlaubt, was der Andere verbieten würde.
Ein leises Schmunzeln huschte über meine Lippen. Eigentlich war es schade, dass Palle schwul war. An ihm ging so ein unheimlich guter Vater verloren.

Aber wer weiß? Vielleicht würde er ja irgendwann ein Kind adoptieren und eine kleine Familie gründen. Und obwohl ich wusste, dass es ziemlich unmöglich war, dass ich der Mann sein könnte, mit dem er dieses Kind adoptieren würde, ließ mich der Gedanke nicht mehr los. Immer wieder musste ich daran denken, wie es wäre, mit Palle eine Familie zu gründen.
Ein sanftes Kribbeln durchfuhr meinen Körper, ich begann, zu grinsen. Ich wünschte mir so sehr, mit ihm alt zu werden.

Mein Blick fiel auf den Umschlag, den meine Mutter mir gegeben hatte. Neugierig machte ich ihn auf. Darin fand ich eine schöne Weihnachtskarte mit einem Hirsch vorne drauf. Lächelnd schaute ich, was in der Karte war.
Kaum hatte ich sie geöffnet, fiel mir ein Hunderteuroschein in die Hände.
"Ach Mama...", flüsterte ich und seufzte. Natürlich freute ich mich über das Geld, aber gleichzeitig hatte ich Angst, sie hätte jedem von uns so viel Geld gegeben. Denn ich wusste genau, dass meine Mutter das nicht konnte und ihr Portmonee so viel einfach nicht her gab.

"Der Zug kommt um 19:27 Uhr am Hauptbahnhof an, Gleis 5. Kannst du mich abholen? Und kommen wir nochmal nach Hause, oder fahren wir gleich weiter?", schrieb ich Palle und schickte die Nachricht ab.
Kurz darauf kam eine Antwort von ihm, welche ich sofort laß: "Klar, werde da sein :) Und ich glaube es ist besser, wenn wir gleich weiter zu meinen Eltern fahren. Wieso?"
"Wegen den Geschenken. Kannst du bitte in mein Zimmer gehen und das kleine Päckchen mit der roten Schleife mitbringen? Eine Kleinigkeit für deine Eltern :)", antwortete ich.
"WAS?", kam es von Palle, weshalb ich kicherte, "Du musst meinen Eltern doch nichts schenken! Aber okay, ich nehme es mit. Bis nachher!"

Lächelnd startete ich Spotify und hörte den Rest der Fahrt Musik, was ich schon lange nicht mehr getan hatte. Endlich war ich mit meinen Gedanken mal wieder alleine, meine Gedanken an Palle.

(...)

"Die nächste Station ist Hamburg Hauptbahnhof. Der Ausstieg befindet sich auf der rechten Seite", ertönte es im Zug.
Grinsend stand ich auf und ging zur Tür. Sofort schaute ich aus dem Fenster um zu sehen, ob Palle schon da war. Mein Lächeln verschwand, als ich sah, dass der Bahnsteig so gut wie leer war. Die wenigen Leute, die dort standen, waren gut zu überblicken und ich konnte sehen, dass Palle definitiv nicht dabei war.
Etwas enttäuscht stieg ich aus und blickte nach links und rechts um zu schauen, ob Palle nicht vielleicht doch da ist.
Und tatsächlich. In der Ferne stand ein junger Mann an der Treppe, welcher sich laufend auf mich zu bewegte. Er hatte einen Blumenstrauß in der Hand. ||

Ich werde heute Abend (ca. 22 Uhr) in meiner Oneshot Sammlung einen Silvester Oneshot veröffentlichen, den ihr natürlich gerne lesen könnt. Ich würde mich freuen :)
Aber an alle, die ich dort nicht mehr sehe: Ich wünsche einen wundervollen Rutsch ins Neue Jahr, macht das beste aus 2018. Ihr seid großartig! Ich hab euch lieb und passt auf euch auf <3

ich wünschte,... || KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt