Ich sitze angeschnallt in meinem hellblauen Mini. Geschenk meiner Oma zum Achtzehnten. ,,Damit du auch mal von deinen Eltern weg kommst." hat sie mir zu geraunt und dabei verschwörerisch gezwinkert. Sie liebt die Freiheit und fährt mit meinem Opa so lange ich denken kann mit ihrem alten Campingwagen, der mit bunten Blumen bemalt ist durch die Weltgeschichte. Meine Finger liegen noch auf dem Lenkrad, der Zündschlüssel steckt noch. Das Radio dudelt leise vor sich hin, als könne es die Stille nicht ertragen, die sich im Wagen ausgebreitet hat. Ich kenne das Lied nicht, aber ich schalte es auch nicht weg. Dicke Regentropfen fallen auf die Scheibe, prasseln auf das Dach als wollten sich mich daran hindern, auszusteigen. Ich weiß nicht wie lange ich schon auf das Gebäude meiner Schule starre. Ein altes Gebäude, noch mit rotem Backstein gebaut. Man sieht, wie der Zahn der Zeit daran genagt hat. Die Fenster sind verspiegelt, es ist unmöglich, hinein zu sehen, als hätte das alte Haus ein Geheimniss, dass es nicht preis geben wolle. Die Uhr ganz oben scheint nicht zu funktionieren, sie will mir weismachen, dass es kurz vor viertel Fünf ist. Ich sehe auf meine eigene. 7:23 Uhr. Ich müsste aussteigen, aber ich kann einfach nicht. Zwei Minuten später schnalle ich mich dann doch ab, achte darauf, mit dem Gurt nicht an die Tür zu kommen. Ich sehe noch einmal nach draußen, in den Regen, der die Straße dunkel färbt und als kleine Rinnsäle am Rande des Bürgersteiges entlang fließt, nehme dann meine schwarze Tasche und ziehe den Zündschlüssel ab. Ich greife nach meinem typisch englischem Schirm, der durchsichtig ist und auch Regen von der Seite abhält, Atme nochmal durch, Und öffne die Tür. Schwüle Luft stößt mir entgegen, dazu noch starker Regen, der sofort meinen himmelblauen Rock durchnässt. Ich trage Turnschuhe und ein weißes Top, was mir heute Morgen angemessen erschien, sich jetzt aber als außerordentlich unpraktisch erweisen würde, da ich nicht mal eine Jacke dabei habe. Ohne weiter darüber nach zu denken, spanne ich den Schirm auf, verschließe mein Auto, werfe den Schlüssel in die Tasche. Okay. Let's do it! Ich sehe noch einmal nach oben, ohne zu bemerken, dass mich bereits die ganze Zeit über ein grünes Augenpaar beobachtet hat. Ich gehe mit zügigen Schritten über den Schulhof bis zum Gebäude, sehe noch einmal nach oben. Als ich endlich an der Tür meiner Schule angekommen bin, atme ich erleichtert auf. Ich musste mich noch durch die 70 neuen Fünftklässler drängeln, die mit ihren Eltern hier sind und mit bunten Regenschirmen bewaffnet versuchen, ein erstes Klassenfoto zu schießen. Ich weiß noch genau, wie klein ich mich inmitten der vielen Menschen gefühlt habe, als ich hier zum allerersten mal vor der Schule stand, nach oben gehen habe. Sie blicken dem neuen Schuljahr ganz freudig und entspannt entgegen. Anders als ich. Als ich im Forje stehe, drängeln tausend alte Erinnerungen auf mich ein. Mein erster Schultag hier. Mein Klassenlehrer. Die vielen schönen Momente, mein erster Kuss auf dem Schulhof...meine besten Freundinnen. Auf einmal will ich nur noch meinen Raum finden, um die beiden wieder in die Arme schließen zu können. Ich habe sie so vermisst. Elena, sportlich, ehrgeizig, manchmal ein wenig pessimistisch. Freya, so süß, ein kleiner Filmesuchtie, Sportmuffel. Was würde ich nur ohne sie machen. Ich werde von Schülern angerempelt, die an mir vorbei laufen. Die meisten bitten um Verzeihung, warten aber keine Reaktion meinerseits ab. Sie drängeln sich um den Vertretungsplan herum, versuchen, ihre Raumnummer auszumachen. Im Gedränge mache ich meinen alten Chemie Lehrer aus, der mit einem freundlichem Gruß auf mich zu kommt. Obwohl ich in Chemie nicht wirklich eine Leuchte wahr, bin ich ihm wohl in guter Erinnerung geblieben, einfach weil ich immer für einen Spaß zu haben bin. Er fragt nach meinem Wohlbefinden und nennt mir meine Raumnummer, wird dann von einer Schülerin unterbrochen und wendet sich ab. Und ich mache mich auf den Weg in die 2.03.
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6 Monate , 3 Tage, 7 Stunden und 30 Minuten
RomanceEigentlich denkt man, es ist alles wie immer. Die Freunde sind die gleichen. Der Ort hat sich nicht verändert. Und ich fühle mich auch wie immer. Verrückt, ironisch, optimistisch, heillos romantisch. Aber es ändern sich Dinge. Menschen ändern sich...