Bye

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Ich sehe Elias an. Meine Stimme klingt gebrochen und leise als ich ebenfalls ,,Hey." antworte. Er sieht mich immer noch mit diesem Blick an. Mit diesem intensiven Blick der mich auf der Stelle in diesen einen Moment zurückversetzt.

***

Ich ziehe meinen schwarzen Koffer hinter mir her. Er ist bis zum Rande mit meinen Liebsten Kleidungsstücken gefüllt. Mit Andenken an meine Liebsten. Mit den Sachen, die ich in einem halben Jahr England brauchen könnte. Ich fahre mir nervös durch das rote Haar, weswegen ich von meinen besten Freunden auch liebevoll Hexe genannt werde. ,,Mäuschen, gib mir doch deine Tasche." Ich drücke sie James in die Hand, er streicht mir beruhigend über den Arm. Elena geht schweigend neben mir her. Sie hat seid dem wir aus dem Auto meiner Mutter gestiegen sind kein Wort mehr gesagt. Sie hat sich wohl noch nicht so ganz mit dem Gedanken angefreundet, mich die nächsten sechs Monate entbehren zu müssen. Sie kickt ein loses Stück des Asphalts mit ihrem rechten Fuß weg. Ich würde gerne etwas sagen. Etwas, dass sie aufmuntert, etwas, um sie zum lachen zubringen. Ich sehe Freya hilfesuchend an. Sie lächelt und stupst Elena sanft an. ,,Mach es ihr doch nicht noch schwerer."
Wir sind am Bahngleis angekommen. Eine Zeitung fliegt über den alten Bahnsteig, bleibt an einer Bank hängen, auf der sicherlich schon lange niemand mehr saß. Auf dem Boden neben dem Mülleimer liegen die Scherben und Splitter einer Bierflasche. Der Wind zieht durch die kaputten Fenster des Bahnhofsgebäudes und verfängt sich in meinen Haaren, wirbelt sie mir ins Gesicht. Ein Graffiti mit der Botschaft ,,just smile" in den buntesten Farben ist an eine Wand gesprüht. Es passt so gar nicht in diese Umgebung, und doch gehört es irgendwie dazu. ,,Dein Zug kommt in fünfzehn Minuten." sagt Selina und sieht mich an. Ich spüre, dass ich ihrem Blick nicht Stand halten kann und sehe weg. Ich höre Schritte und jemand legt mir den Arm um die Schultern. Ohne ihn anzusehen weiß ich dass es Noah ist. ,,Na Elizabeth, aufgeregt?" Er erwartet einen bösen Blick, da ich meinen richtigen Namen nicht ausstehen kann, nicht mal im Kassenbuch stehe ich so, doch stattdessen bekommt er ein: ,,Nein, du siehst ja, mir geht es blendend." an den Kopf geworfen. Die Ironie müsste selbst er heraus hören. Er lächelt und fährt sich durch die blonden Locken. ,,Lizzy, dein Zug." Ich sehe meine besten Freundinnen an und als hätten wir es verabredet, fallen Freya, Selina, Elena und ich uns in die Arme. Mein Zug fährt ein. ,,Wir Skypen!" ,,Jeden Tag!" verspreche ich. Ich werde von James in die Arme genommen, von Noah. Elias steht daneben. Als sich der Trubel gelöst hat, lächelt er. ,,Pass auf dich auf." sagt er. Ich kann nur nicken. Sein Blick bringt mich innerlich aus dem Gleichgewicht, doch äußerlich bin ich gefasst, bis zu dem Moment,als sich die Zugtüren langsam vor meinen Augen schießen und alle gleichzeitig die Hände heben, ,,Bye!" rufen.

Ich merke einige Minuten später, dass ich noch immer regungslos im Gang stehe, mir eine Träne über die Wange läuft. Eine Freudenträne, mit ein wenig Wehmut gemischt. Ich lächle, mache mich auf die Such nach einem Abteil. London, ich komme.

***

Er macht einen Schritt auf mich zu, zieht mich in eine Umarmung, die ich total verwirrt erwidere. ,,Schön dass du wieder da bist." flüstert er.

6 Monate , 3 Tage, 7 Stunden und 30 MinutenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt