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Annie zuckt vor Schmerz zusammen, als ich ein feines Metallblatt aus der Wunde zog. Sie war noch genauso schreckhaft wie früher. Schreckhaft und schüchtern, aber nicht mehr so belebt. Das hatte ihr der Krieg genommen.

Ich holte einen dreckigen Stofffetzen aus der blutenden Stelle unter Annies linker Brust und legte ihn in das Schälchen, in dem schon ein paar Splitter und Stoffreste lagen.

Keine von uns hatte in der letzten Stunde, in der ich die kleinen Wunden an Annies Körper reinigte und verband, ein Wort gesagt.
Dabei weinte Annie, seit sie mich gesehen hatte. Stumm rannen Tränen über ihre nassen Wangen.

Ich klebte ein schützendes Pflaster auf die frische Schramme, nachdem ich sie gereinigt hatte, und strich die Ränder glatt. Annies Haut war seidenweich. Das kannte ich gar nicht, so viele Narben zierten meinen Körper.
Vorsichtig zog ich den Träger des blütenweißen Kleides, das ich meiner alten Freundin ausgesucht hatte, über ihre wohlgeformte Brust und zupfte es zurecht.

"Deine Wunden sind sauber. Alles ist gut."

Mit einem Schluchzen warf sich Annie in meine Arme. Ich drückte ihren warmen Körper. Es machte mich irgendwie zufrieden.

"Ich hatte so große Angst. Du bist einfach verschwunden und dann habe ich dich im Lager gesehen, du warst so voller Blut. Ich hatte so Angst, du wärst tot."

"Aber das bin ich nicht. Ich bin hier, Annie, hier bei dir; und ich lasse nicht zu, dass man dir wehtut."

Ich löste mich von meiner Freundin und sah ihr in die türkisen Augen.

"Lass uns erst mal rausgehen, dann kannst du dich etwas beruhigen."

Sanft griff ich Annies Hand, um sie zum Garten auf dem Dach zu führen. Auf dem Weg dorthin konnte ich die Blicke auf meiner Freundin spüren. Sie war wirklich hübsch, hatte nicht nur wohlgeforte Brüste, sondern war auch an ihrem restlichen Körper wunderbar proportioniert und einfach hinreißend. Es gefiel mir nicht, wie die Blicke der vorbeigehenden nächtlichen Arbeiter sich an sie klebten wie Rotz.

Als wir endlich in dem voll bewachsenen Freiluftgarten waren, konnte ich wieder durchatmen und meine Faust, die, wie ich merkte, geballt war, lockern. Verzückt von den bunten Pflanzen verschiedenster Welten begann Annie, zwischen den Blumentöpfen umher zu wandern.
Ich sah sie noch an einer hellblauen Blüte schnuppern, dann war sie lächelnd um eine Ecke verschwunden. Das konnte jetzt etwas dauern.

Ich lies mich auf der Bank neben der Tür nieder, zog die Beine an die Brust und dachte an die Frau, nach der ich mich so gesehnt hatte, wie mir langsam klar wurde. Dabei hatte ich sie kaum mehr als ein Jahr gekannt. Eigentlich ist der erste Tag, an den ich mich erinnern kann, der Tag, an dem ich sie kennengelernt hatte.

Das Vibrieren meines Armbandes riss mich aus den glückseligen Gedanken. Ich sah Maruhns Namen auf dem kleinen Bildschirm aufleuchten. Komisch. Bei unserem letzten Treffen, das lag einige Monate zurück, hatte ich ihm klar gesagt, dass mich diese Treffen nicht mehr interessieren würden, es war einfach bedeutungsloser Sex gewesen und das immer wieder hatte mich irgendwann einfach nicht mehr sehr gereizt.
Verwundert nahm ich den Anruf an und Marks Stimme erklang in dem Chip, der in meinem Ohr hing:

"Jodia?!"

Marks Stimme klang aufgeregt, als hätte er etwas schlimmes gesegen.

"Was ist los? Ich hatte das mit uns beendet!"

"Jodia, das solltest du dir selbst ansehen. Komm in meine Wohnung!"

Etwas sagte mir, dass das ernst war.

"Beeil dich, das Zeug pulverisiert sich, seit ich die Kiste geöffnet habe!"

Ich wägte kurz ab und stand dann auf, um zu gehen. Das, was auch immer es war, sollte nicht allzulange dauern. Annie würde nicht mal merken, dass ich weg war. Das mit Makuhn hatte jetzt Vorrang.

Gerade wollte ich die Tür hinter mir schließen, da tauchte die Sonne hinter dem Balkon am anderen Ende des Gartens auf und umhüllte Annies Körper, die die Stadt betrachtete, mit Licht. Der Himmel strahlte in immer hellerem blau, der Horizont leuchtete gelb und die Wolken funkelten pink. Annie war in das Farbspiel eingetaucht, ihr Kleid schimmerte rosa.
Ich fing diesen Augenblick ein, versuchte all die Farben und Reize festzuhalten, wollte die Frau vor mir in meinen Erinnerung behalten und nie vergessen.

Dann viel die Tür zu, unterbrach das Bild und holte mich zurück in die Wirklichkeit. Ich musste schnell bei Mark sein.

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Schon beim ersten Klopfen öffnete Makuhn die Tür. Der Matchoblick war aus seinem Gesicht gewichen, in dem jetzt purer Ernst lag. Ich konnte mir patu nicht vorstellen, was es denn war, das ihn so in Aufregung versetzte.

"Komm rein! Beeil dich!"

Schnellen Schrittes durchquerten wir die unordentliche Junggesellenbude, bis wir zu einer Tür im Wohnzimmer kamen, die sich hinter einem eilig weggeschobenen Regal befand. Eine Blutspur führte von der Mitte des Raumes hinein.

"Mark-"

"Das Zeug löst sich auf, ich erklär es dir später."

Zögernd streckte ich meine Hand zum Türknauf, wobei zu spüren war, wie die Angst in Makuhn größer wurde. Als ich die Tür öffnete, sah ich den Grund dafür.

Auf dem Boden liegen mindestens drei Körper in einem Blutbett. Ihre Gesichter sind zu einem Schreien verzogen. Aus den Augen, die vor Schreck aufgerissen sind, dem Mund aus sämtlichen Rissen auf den Körper fließt Blut. Auf der Brust des Körpers vor meinen Füßen ist ein Einschussloch zu sehen.

Mit zitternden Fingern schließe ich die Augen des Babys.

An Marks Händen klebt Blut.

Ich gehe einfach weiter in den Raum hinein und unterdrücke den Brechreiz, den mir die Leichen bieten. In einer neutralen Kiste, deren Deckel aufgebrochen worden ist, liegen Akten. Einfach Akten, die vor sich hin schmoren, sodass immer mehr von der Schrift unlesbar wird. Während alle anderen Mappen eingepackt sind, liegt ein Ordner oben auf. Langsam nähere ich mich der Kiste. Sie gibt mir Antworten, das kann ich spüren. Es kostet mich große überwindung, die raue Akte vor meine Augen zu heben und den Namen darauf zu lesen. Meinen Namen...!

Ich reiße die Mappe auf. Eine Staubwolke kommt mir entgegen. Ich bin zu spät! Kein bisschen Weiß ist mehr da, so verkohlt sind die Blätter schon. Achtlos lasse ich sie fallen und beginne mit dem Durchsehen der anderen Ordner. Ich brauche sie nicht zu öffnen, ziehe sie einfach nur heraus und schon fällt der Blätterstaub heraus. Beim Lesen der Bamen, die auf den Ordnern prangen, breiten immer mehr Schmerzen in meinem Kopf aus. Und dann halte ich inne. Es ist schon fast die letzte Mappe, die ich in der Hand halte, genause schlicht und mit verkohlten Blättern gefüllt, wie die anderen. Und trotzdem ist sie etwas besonderes. Ich lese den Namen ein zweites Mal und dann ein drittes. Er ist noch immer derselbe. Erst die Schmerzen, die meinen Kopf befallen haben, mich nach hinten kippen lassen, machen es mir klar, obwohl ich nicht mal eibe Ahnung habe, warum dieser Name so besonders ist. In schwarzen Lettern strahlt er von den Mappe. Nelihon Kalinem

1138 Wörter

Tränenkind (Star Wars ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt