"Tut mir sehr leid, dass du so lange warten musstest.", das war eindeutig die Stimme des Rattenmanns, die mich zusammenschrecken ließ.
"Müssen sie mich so erschrecken?!", fauchte ich ihn an und drehte mich zu ihm. "Das war nicht meine Absicht. Setze dich doch hin, dann können wir in Ruhe reden.", er deutete auf den Stuhl, der auf der gegenüberliegenden Seite des Spiegels stand.
Er wollte also, dass die Leute, die sicher hinter dem Spiegel standen, mich ebenfalls beobachten konnten. Mir sollte es recht sein.
Nachdem wir uns gesetzt hatten, sah mir der Rattenmann nur in die Augen. Er hatte seine Arme auf den Tisch gelegt und seine Finger ineinander verschränkt. Ich hingegen lehnte mich auf dem Stuhl zurück und verschränkte die Arme. Mein Instinkt sagte mir, das es besser war etwas auf Distanz zu bleiben.
Etwa eine Minute lang hielt ich dem eindringlichen Blickkontakt stand, bis der Rattenmann ihn schließlich unterbrach und in seine Unterlagen sah. Ein komisches Gefühl des Triumpfs durchflutete mich.
"Na dann. Als erstes möchte ich mit etwas Einfachem beginnen. Ich zeige dir ein Bild einer Person und du sagst mir, was dir zu ihr einfällt, in Ordnung?", sagte er ruhig und sah mich an.
"Wenn es weiter nichts ist.", antwortete ich trocken. Ich verstand immernoch nicht, auf was er hinaus wollte.
"Gut, hier. Das erste Bild.", er hielt einen Stapel Papier in seinen Händen, sodass ich nicht sehen konnte, was darauf war.
Jetzt drehte er den Stapel um. Ich erkannte ein Bild von Brenda. "Ich kenne sie nicht gut, aber ich vertraue ihr. Sie scheint mir, eine gute Seele zu haben.", ich hoffte, der Rattenmann war zufrieden mit meiner Antwort.
Er nickte langsam und murmelte ein 'interessant'. Dann zog er das Bild von Brenda zur Seite und schob es wieder nach hinten.
Jetzt sah ich ein Bild von Sonya. "Sie ist -mit Harriet - meine beste Freundin. Eine sehr gute Zuhörerin."
Wieder bekam ich ein neues Bild gezeigt. Minho. Ich lehnte mich nach vorne und spannte mich an. Was sollte das?
"Minho ist direkt, aber ein guter Kerl - mein bester Freund.", sagte ich tonlos. Auf dem nächsten Bild war Alby. "Er war ein guter Anführer. Ihr habt ihn umgebracht.", ich musste mich zusammenreißen um nicht aufgebracht zu klingen.
Meine Hände hatten sich zu Fäusten geballt. Das nächste Bild zeigte Thomas. "Er ist mein Zwillingsbruder. Ich wüsste gerne wo er ist und wie es ihm geht.", zischte ich dem Rattenmann entgegen.
Dieser nickte wieder: "Das ist deine Belohnung. Wenn du dich hier benimmst, darfst du ihn sehen." Mittlerweile konnte ich meine Anspannung, die gemischt mit Wut war, nichtmehr verbergen. Böse funkelte ich den schmierigen Kerl vor mir an.
Ohne etwas zu sagen schob er Thomas' Bild hinter den Stapel, sodass ich ein Bild von Gally sehen konnte. Nicht. Sein. Ernst. Bevor ich antwortete starrte ich den Rattenmann nochmal zornig an: "Er ist ebenfalls tot und war ein guter Freund von mir."
Das nächste Bild verschlug mir die Sprache. Alle Gesichtszüge entwichen mir und eine Träne löste sich aus meinem Auge. Chuck - der kleine Chucky, wie er fröhlich grinste. Unbewusst streckte ich meinen Arm zitternd aus und strich über das Foto.
"Was soll das? Ist das ein Psychotest? Eine weitere Variable, die Sie sich schön sorgfältig ausgedacht haben?", knurrte ich, nachdem ich mich wieder gefangen hatte.
"Du kombinierst schnell, Lilian. Das ist gut. Und ja, das alles hier sind Variablen. Was dachtest du denn? Du befindest dich mitten in Phase drei, aber jetzt wollen wir doch lieber zurück zum Thema, bevor du deinen Bruder doch nicht sehen darfst.", seine Stimme klang ruhig, hatte aber einen befehlerischen Unterton an sich.
Ich nickte, versuchte die Informationen zu ignorieren und sah mir das nächste Bild an. Darauf erkannte ich mich selbst.
Verwirrt runzelte ich die Stirn: "Das bin ich." "Und weiter?", meinte der Rattenmann. "I-ich sehe glücklich aus. Es sieht so aus, als würde ich jemanden ansehen, aber ich kann mich nicht erinnern.", ich wusste nicht recht, was er von mir erwartete.
"Gut, auf dem nächsten Bild siehst du, wen du ansiehst.", meinte er und meine Vermutung bestätigte sich, als ich Newt erblickte. "Was denkst du über ihn?"
"Ich denke dass Sie wissen, was ich denke. Aber da das vermutlich nicht die Antwort ist, die Sie erwarten, werde ich es Ihnen nochmal extra sagen.", plapperte ich tonlos. Meine Hände, nein, mein ganzer Körper spannte sich nochmehr an: "Also, Newt ist der tollste Mensch, den ich kenne. Er ist selbstlos, immer freundlich, er hört mir zu, wenn ich jemanden zum reden brauche, er zeigt es nie, wenn er schlecht drauf ist und er passt immer auf mich auf. Zufrieden?"
"Um ehrlich zu sein hätte ich nicht erwartet, dass du sofort so ehrlich bist. Aber eine Sache fehlt mir noch. Ich denke, du weißt was ich meine.", jetzt klang er wieder fies und hinterlistig wie eine Schlange.
"Ich mag ihn. Sehr sogar.", funkelte ich ihn herausfordernd an. "Ich verstehe nicht ganz.", stellte sich Rattenmann dumm. "Gut, das ist mir zu blöd. Wir sind ein Paar, ok?", genervt rollte ich mit den Augen und schnaubte.
"Na gut. Ich habe noch ein paar Bilder. Danach sind wir für heute fertig.", meinte er zufrieden grinsend. Ein weiteres Bild zeigte Aris.
"Ich kenne ihn nicht wirklich gut. Ich weiß nur, das er mir sympathisch ist. Aber was er meinem Bruder zusammen mit Teresa angetan hat, kann ich nicht vergessen.", ich spuckte dem Rattenmann die Worte ins Gesicht. Dieser schob mir das nächste Bild unter die Nase. Es war der Rattenmann selbst.
Ungläubig lachte ich kurz auf und schüttelte den Kopf. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass mich die grauen Augen des Rattenmanns gespannt beobachteten.
"Ich mag diesen Mann nicht. Er ist schleimig und herzlos. Mitgefühl ist ihm ein Fremdwort und vertrauen würde ich ihm niemals. Aber er ist ein guter Lügner. Zumindest bei hoffnungsvollen Jugendlichen.", die ganze Zeit starrte ich ihm in die Augen. Seine Mundwinkel zuckten immer wieder leicht nach oben.
Er verkniff sich eine Bemerkung und zeigte mir das nächste Foto. Es war die Frau, die von unseren vermeintlichen Rettern erschossen wurde, die ich aber bei unseren Ankunft hier wiedergesehen hatte - lebendig.
"Sie kommt mir bekannt vor, allerdings weiß ich nicht warum. Sie wurde von unseren 'Rettern' bei der Flucht aus dem Labyrinth erschossen.", dass ich sie nocheinmal gesehen hatte, ließ ich aus.
Der Rattenmann sah mich prüfend an, bevor er seufzend seine Unterlagen zusammenräumte: "Gut, jetzt komm. Es ist an der Zeit, dass du deinen Bruder siehst."
DU LIEST GERADE
Worst Zone [Newt FF]
Fanfiction[Teil 1: Worst Case] [Teil 2: Worst Lie] Teil 3: Worst Zone; 42.191 Wörter Ein Schicksalsschlag nach dem anderen trifft Lilly, die Lichter und Gruppe B, während sie immernoch gegen ANGST kämpfen müssen. Doch endlich ist die Freiheit in Sicht, die Fr...