》einunddreißig《

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Die ganze weitere Fahrt über lagen Thomas und ich uns trauernd in den Armen.

Es war, als würde ein riesiger Teil von mir fehlen. Ich fühlte mich leer und taub. Weder Mary noch Lawrence sagten ein Wort.

Erst als wir hielten verkündete Lawrence, dass wir da waren.

Thomas und ich standen auf und öffneten die Seitentür. Keine Sekunde später wurden wir aus dem Transporter gezerrt, auf die Kniee gedrückt und unsere Hände auf unseren Rücken verdreht, was mich aufkeuchen ließ.

"Lasst sie los.", sagte Lawrence streng, als er um das Auto herumkam. "Warum sollten wir? Das sind Gefangene. Gibt es einen speziellen Grund, warum ihr Gefangene ins Hauptquartier bringt?! Und dann auch noch ohne Augenbinde!", keifte ein Mann, der mit einem Granatwerfer auf uns zielte.

"Lass es gut sein, Mike. Das sind unsere Quellen.", mischte sich jetzt Mary ein. Ein Raunen ging durch die Leute, die um uns herumstanden.

Gleichzeitig wurden meine Arme losgelassen, sodass ich mich wieder bewegen konnte.

Ich hatte einen gleichgültigen Blick aufgesetzt. Meine Tränen hatte ich so gut es ging schon weggewischt.

Als auch Thomas losgelassen worden war, stellte er sich sofort wieder dicht zu mir.

"Na los, lasst uns zu Vince gehen.", sagte Lawrence mit fester Stimme. Er ging vor uns und viele der Männer folgten uns. Auch Mary.

Ich nahm das alles nur am Rand wahr. Mein klarer Verstand hatte sich verabschiedet. Alles war, als stände ich unter Betäubungsmitteln.

Lawrence führte uns in einen geräumigen Raum, indem die Tische wie ein 'U' aufgestellt waren.

In der Mitte saß ein Mann, der schätzungsweise um die fünfzig Jahre alt war. Er hatte kinnlanges, strähniges Haar und einen Bart.

Er musterte uns mit zusammengekniffenen Augen. "Wer seit ihr?", fragte er, als Lawrence uns deutete, stehen zu bleiben.

Thomas wusste wohl, dass ich kein Wort herausbringen würde, denn er antwortete für uns beide, während ich mich umsah: "Ich heiße Thomas. Das ist meine Schwester Lilian. Wir waren Mitglieder von ANGST, bevor die unser Gedächtnis gelöscht haben und uns mit den anderen ins Labyrinth geschickt haben. Warum wissen wir auch nicht."

Erst nach zweifachen hinschauen, erkannte ich Gally, der an der rechten Seite des Tisch-U's saß und uns ungläubig ansah.

"Sind das die beiden, vondenen du uns erzählt hast, Gally?", fragte Vince misstrauisch.

"Ja. Das sind die beiden Lieblinge von Ava Paige.", bestätigte der Angesprochene.

"Vertraust du ihnen?"

"Ja. Ich würde ihnen mein Leben anvertrauen.", Gally senkte reumütig den Kopf.

"Gut. Es sieht so aus, dass wir euch für unseren Plan, ANGST endgültig unschädlich zu machen, brauchen. Und zwar dringend.", wandte sich Vince wieder an Thomas und mich.

"Dann schießen Sie mal los.", ich konnte die Ironie in der Stimme meines Bruders hören. Ich wusste, dass Thomas bei diesem Plan mitmachen würde, egal was Vince von uns verlangte.

Er wollte Rache. Vermutlich vor allem für Chuck. Auch ich hatte ANGST unbewusst Rache geschworen.

***

Während Vince uns den Plan erklärt und uns über jedes Detail informiert hatte, war ich aus meinem tranceartigen Zustand aufgewacht.

Ich hatte Newt versprochen zu kämpfen. Und das konnte ich jetzt tun.

Jetzt lag ich in einer Hängematte, die sich in einem kühlen Kellerraum befand. Mein Bruder lag neben mir, allerdings auf einer Matratze, die auf dem Boden lag.

Das ganze Hauptquartier des Rechten Arms war eher sporadisch eingerichtet. Überall standen Kisten mit mehreren Duzend Waffen, Munition und Lebensmitteln. Gally hatte uns in diesen Schlafraum gebracht, wo schon viele der verschwundenen Immunen untergebracht waren.

Er hatte uns erzählt, dass fast alle freiwillig bei dem Sturz von ANGST mitmachen wollten, was mich sehr wunderte.

Nie hätte ich gedacht, dass es so viele Menschen interessierte, was mit uns, den immunen Jugendlichen, geschah.

Außerdem erstaunte es mich, dass ANGST Thomas und mich wirklich so besonders fand. Vince hatte uns erzählt, dass Ava Paige, die Kanzlerin, höchstpersönlich, dazu aufgerufen hatte, uns zu suchen.

Er meinte, es wäre ein Wunder, dass sie uns noch nicht geschnappt hatten.

Wieder dachte ich an Newt. Alles in mir schrie nach ihm, doch nichts und niemand konnte ihn mir zurückbringen. Das Einzige, was ich noch von ihm hatte, waren die beiden Fußbänder.

Ich versuchte nur an unsere schönen Momente zu denken, was mir auch einigermaßen gelang. Zumindest bis ich an den Tag dachte, andem wir miteinander geschlafen hatten.

Eine Folge davon war das Treffen mit der Kanzlerin, das mit einem schönen Schlag in den Magen geendet hatte. 'Dafür, dass ihr die Kanzlerin angelogen habt.', hatte der Rattenmann - Janson - gesagt.

Wenn ich nur an sein schleimig grinsendes Gesicht dachte, wurde ich wütend. Ihm schwor ich in diesem Moment mehr als Rache.

Meine Müdigkeit übermannte mich wenig später, sodass ich in - zum Glück - traumlosen Schlaf fiel.

***

Am nächsten Tag in der Früh ging es los, wobei Thomas und ich davon nichtmehr viel mitbekamen, da wir zusammen mit Lawrence und Mary den Auftrag hatten, zu ANGST zurückzukehren.

Unsere beiden ehemaligen Entführer sollten uns auf dem Weg zurück zu Minho und den anderen absetzen. Als Beweis, dass Thomas und ich das aus freien Stücken taten, gab ich Mary eines meiner Fußbänder, die ich von Newt bekommen hatte mit. Nur Minho wusste, außer mir, was es für eine Bedeutung hatte.

"Dann lass uns gehen.", drängte mein Bruder. Ich nickte nur und lächelte Lawrence und Mary zum Abschied an.

Zu zweit machten wir uns auf den langen weg zurück zu ANGST. Wir kamen durch einen Wald, der unheimlich ruhig zu sein schien.

Die Luft wurde kälter und der Wind stärker. Zum Glück hatten wir vom Rechten Arm dicke Jacken bekommen, die wir jetzt eng um unsere Körper zogen.

"Was meinst du, wie lange wir noch brauchen?", fragte ich nach unendlich vielen Schritten. "Keine Ahnung. Vince hat gesagt, dass es hinter dem Wald nichtmehr weit ist.", Thomas hatte sich zu mir umgedreht und sah mich kurz an.

Seinen Blick wusste ich nicht zu deuten: "Was ist?" Ohne zu antworten kam er einen Schritt zurück, nahm meine Hand und zog mich dann weiter.

Sofort fühlte ich mich nichtmehr so einsam. Jetzt fiel mir das Laufen gleich leichter. Als wir aus dem Wald herauskamen fühlte ich mich, als wäre ich in einer anderen Welt.

Eine riesige, endlos scheinende Fläche lag vor uns. Nur ein mit Scheinwerfern beleuchtetes Gebäude stand da.

Tausende weiße Eiskristalle fielen auf uns hinab und auch die gesamte Wiese vor uns war schon weiß.

Thomas' Hand zog mich sanft weiter. Dadurch, dass wir jetzt ein Ziel vor Augen hatten, verging der Weg schneller, als zufor.

Als wir noch etwa zweihundert Meter von dem Gebäude entfernt waren, ertönte plötzlich die bekannte Stimme des Rattenmanns.

Worst Zone [Newt FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt