Schweigegeld

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Es gab Vieles was ich nicht verstand, was ein Rätsel für mich war. Und das gehörte definitiv dazu. Erstaunt und verwirrt zugleich blickte ich ihn einfach nur an und ließ mir dieses Wort, Lockvogel, durch den Kopf gehen. Ein Lockvogel ließ die Feinde auf sich aufmerksam werden. Hatte ich das jemals getan? Ich konnte mich nicht daran erinnern, außer ein paar kuriose Vorfälle, mit denen ich aber nichts zu tun gehabt hatte. Also, was meinte dieser Akaya genau? Vielleicht wurde mir diese Frage aber bald beantwortet, denn mein Gegenüber konnte ja nicht ewig schweigen, zudem merkte er doch meine Verwirrtheit.

Entspannt beugte er sich ein wenig vor und faltete die Hände ineinander, ehe er kurz den Mund öffnete. Seine Dokumente, welche er zuvor noch intensiv studiert hatte, schien er schon längst vergessen zu haben. Seine gesamte Aufmerksamkeit galt mir.

„Aus deinem Gesicht heraus, kann ich ganz genau ablesen, dass du nicht sonderlich zu verstehen scheinst was genau ich meine. Nicht wahr?", begann er. Stumm nickend antwortete ich. Er hatte mir eine Frage gestellt und somit wollte ich ihn nicht lange warten lassen, denn dieser Akaya wirkte auf mich, als sei er kein sonderlich geduldiger Mensch. Ich musste alles richtig machen und doch konnte ich meine Angst nicht unterdrücken. Ja, ich hatte Angst. Mir gefiel diese gesamte Situation nicht und ich fühlte mich in die Enge getrieben. Als würde mir jemand eine Schlinge um den Hals legen und diese langsam enger ziehen. Es war kein sonderlich gutes Gefühl.  

„Wenn ich eine Frage stelle, darfst du ruhig antworten. Also ... willst du wissen, was genau ich mit Lockvogel meine?"

„J-Ja..." Herrgott meine Stimme zitterte nicht nur, sondern sie brach vollkommen zusammen. Ich brachte einfach keinen normalen Satz mehr hervor. Mein Gehirn bestand nur noch aus Vakuum, zumindest fühlte es sich so an. Ich war keine Person, die offen sagen konnte, was sie dachte. Hätte ich es getan, wäre ich mit Sicherheit sofort umgebracht worden und daher war ich mir selber dankbar, dass ich zu nichts mehr fähig war, außer zu starren. Akaya faszinierte mich ungemein, er zog mich an. Auf einer gewissen Art war er sehr attraktiv, nur machte seine arrogante Art diesen außergewöhnlichen Prinzen zunichte. Er war kein Held, der gegen das Böse kämpfte und die heimliche Liebe praktisch geschenkt bekam, während sie glücklich bis an ihr Lebensende zusammen lebten. Nein, das Leben war kein Märchen.

Vielmehr war er der Böse. Der gefährliche schwarze Magier, Bösewicht und Krimineller, welcher meinen Heldinnen das Leben schwer machte. Zwar gewannen diese immer, egal wie, aber hier befand sich die Realität. Ich war keine Heldin und er war nicht der Bösewicht, vielmehr erinnerte er mich an etwas Geheimnisvolles. Was dachte er? Wie würde er reagieren? Es waren Fragen, welche ich nicht beantworten konnte, denn sein Ausdruck verriet nichts. Es schien fast so, als sei er geübt darin die Gedanken hinter einer Türe zu verschließen, sodass ihn niemand lesen konnte.

Aus dem Augenwinkel konnte ich eine Bewegung erkennen und bemerkte, dass sich der Grauhaarige interessiert zurücklehnte, ehe er mich genau zu studieren schien. Ein verschmitztes Lächeln umspielte seinen Mund, ehe er kurz mit der Zunge schnalzte. „Hast du dich jetzt satt an mich gesehen?"

Geschockt riss ich die Augen auf. Es stimmte und es war mir sofort peinlich, sodass ich im nächsten Moment den Kopf senkte. Er sollte mein rotes Gesicht nicht sehen. Ja, ich hatte ihn lange, sehr lange angesehen, ohne, dass ich es selber wirklich mitbekommen hatte. Mir war es so peinlich, aber was sollte ich anderes machen? Er war eine Person, welche aus einer anderen Welt kam, in der ich niemals meinen Platz finden würde. Ich konnte nur hoffen, dass er es mir verzieh und es nicht allzu übel nahm. Aber, wenn ich ihn mir genau betrachtete – vorsichtig hob ich den Kopf, um ihn noch einmal ansehen zu können – so wirkte es eher auf mich, als würde er es genießen. Akaya wusste wahrscheinlich welchen Eindruck er auf andere auswirken tat und hatte sich schon längst daran gewöhnt. Vielmehr stellte er es nur fest, sodass sein Gegenüber sich nur ertappt fühlen konnte.

Streets  #Wattys2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt