Schnee

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Schweigen war im Auto zu vernehmen. Nichts als die Stille umgab uns, während der Motor des Autos alles einnahm. Tief in Gedanken versunken blickte ich nach draußen und ließ die Gebäude an mir vorbeifliegen.

Ich sah also mitgenommen aus? Es wunderte mich, dass es Yuki erwähnt hatte. Meine Wenigkeit konnte es nicht so wirklich einschätzen, da ich bisher keine Zeit gefunden hatte mich im Spiegel zu betrachten. Natürlich war mir meine emotionale Lage vollends bewusst. Immerhin hatte ich einiges miterlebt, aber das man es mir ansah, verwunderte mich doch. Obwohl, nein, es war nur ungewohnt. Bestimmt sah ich sonst besser aus und deswegen hatte es der Braunhaarige erwähnt. Also, besser für meine Verhältnisse um das klarzustellen. Ich war keine Schönheit, dass wusste ich, aber doch sah ich recht normal aus. Ich hatte alles, was ein Mensch brauchte. Zwei Arme, zwei Beine und das Gesicht sah auch normal aus. Nur jetzt besaß ich noch zusätzlich einige seelische Wunden, die man mir nicht ansehen konnte und eben Verletzungen im Gesicht. Diese sah man mir an. Es würde lange dauern, ehe ich das Ganze verarbeitet hatte, das wusste ich jetzt schon. Mein Fahrer schien dahingegen ziemlich entspannt zu sein. Kurz blickte ich ihn aus dem Augenwinkel an. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht – warum auch immer – lenkte er uns durch die Stadt. Er hielt sich sogar an die Geschwindigkeit. Hatte er denn keine Sorge um seinen Vorgesetzten? Immerhin verfolgte dieser Jareth und wie mir bewusst war, war dieser ein wahrer Sadist. Was wäre, wenn er doch im Nachteil war und in diesem Moment in Lebensgefahr steckte? Was würde Yuki dann tun? Mir blieb bei diesem Gedanken der Atem weg. Ihm durfte nichts geschehen, weil es dann meine Schuld wäre. Denn ich hatte ihn dort hineingezogen, auch wenn er freiwillig gekommen war um mich zu retten. Aber egal wie ich es drehte und wendete, ich war der Auslöser für das Ganze und das machte mich innerlich fertig. Wie konnte man nur so viel Pech haben? Das war nicht fair und nun war es auch so weit, dass ich jemand anderes mit hineingezogen hatte.

Wütend über mich selber biss mir auf die Unterlippe und blickte auf meinen Schoß. Es war alles nur meine Schuld!

„Mach dich nicht fertig. Eine depressive Tora hat mir gerade noch gefehlt. Wir werden schon rechtzeitig ankommen, vertrau mir", erwiderte der Assistent, der mich beobachtet haben musste. Von der Seite her schenkte er mir ein aufmunterndes und nettes Lächeln, sobald ich aufsah. Er hatte zwar recht, aber trotzdem war es nicht ganz einfach eben nicht daran zu denken. So antwortete ich zunächst nicht, da mir darauf auch nichts einfiel. Stattdessen wollte ich nach einiger Zeit etwas anderes wissen, nachdem wir vor einer roten Ampel standen.

„Yuki?"

„Hm?", machte dieser nur und tippte leicht mit seinen beiden Zeigefingern auf das Lenkrad. Es war ein rhythmisches Tippen, als würde er eine Musik in seinem Kopf abspielen, denn das Radio lief nicht.

„Weißt du überhaupt wo wir lang müssen? Also... weißt du wo Akaya sich befindet?"

Nicht, dass ich ihm traute, aber irgendwie fand ich es doch recht komisch. Einerseits schien er zu wissen wohin wir mussten, andererseits fragte ich mich wie dies sein konnte.

„Natürlich oder für wie beschränkt hältst du mich. Als Assistent eines anspruchsvollen Chefs, der tagtäglich sein Leben aufs Spiel setzt, sollte ich schon in der Lage sein ihn stets aufzufinden. Deswegen...", er kramte in seiner rechten Hosentasche, während er bei dem grünen Ampelsignal losfuhr und reichte mir sein Handy. Ich vermutete, dass es seines war, denn etwas anderes erschien mir nicht logisch. Vorsichtig nahm ich es und hielt es verwirrt in der Hand fest.

„Wenn du nichts zu tun hast..."

So meinte ich meine Frage doch gar nicht. Ich wollte lediglich wissen, ob er wusste, wohin er musste. Aber natürlich sagte ich dies nicht, ich wollte es mir mit diesem Mann nicht verscherzen. Keine Ahnung wieso, vielleicht, weil seine freundliche Ausstrahlung auch ganz anders sein konnte.

Streets  #Wattys2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt