Angriff

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Die hervorschießende Hand, welche mich am Hals packte und hochzog, schockte mich sehr. Ohne große Mühe hob mich Jareth hoch, während sein finsterer Blick mich regelrecht durchbohrte. Erstarrt sah ich seine kalten Augen an, während er schwieg. Er ließ sich viel Zeit und auch, als ich vor ihm auf wackeligen Beinen stand, antwortete er zunächst nicht. Doch ich ahnte, dass diese Frage mehr wie unpassend gewesen war. Ich hätte sie niemals stellen sollen, doch es war mir einfach so herausgerutscht. Unsanft schubste er mich in Richtung Wand, welche kalt in meinem Rücken lag. Dicht gedrängt an dem harten Material, fühlte ich mich noch mehr in die Enge getrieben.

„Du fragst, wofür?", begann der Blonde ruhig und kramte in seiner Tasche, ehe er eine Zigarette auspackte und diese langsam anzündete. Tief sog er den Rauch ein und stieß ihn mir ins Gesicht, sodass ich husten musste. Der Rauch blieb mir in den Lungen stecken und ließ mich ersticken.

„Ich sag dir wofür. Für die verschwendete Zeit, die ich aufbringen musste um dich zu finden. Dafür, dass ich mich mit dir beschäftigen musste, auch wenn es hinterher gesehen, äußerst interessant ist", gab er amüsiert wieder. Verwirrt blickte ich ihn an, was war denn an meinem Leben so interessant? Doch diese Frage wurde mir schnell beantwortet, als hätte Jareth nur darauf gewartet.

„Ich dachte schon", begann er und leckte sich genüsslich über seine Lippen, ehe er mich von oben herab ansah, so wie er es eigentlich immer tat, „... ich hätte ein beschissenes Leben gehabt, doch du bist ja echt miserabler dran. Deine dreckigen Eltern, welche in einem mickrigen Autounfall ums Leben kamen. Dein Vater, welcher hohe Schulden besaß und euer Haus nicht mehr abbezahlen konnte. Deine Mutter, welche mit Nebenjobs euch retten wollte, dagegen waren meine Eltern ehrlicher. Immerhin hatten sie eingesehen, dass sie mich hätten niemals aufziehen können, somit wurde ich verkauft. Und im Nachhinein gesehen, war es das Beste. Ich bin weg von ihnen gekommen und hinein in eine Welt, in der man viel Geld machen konnte." Kurz lachte er auf, während ich den Kopf gesenkt hielt.

Wütend, woher dieses Gefühl kam wusste ich nicht, ballte ich meine Hände zu Fäusten. Es tat weh, zu hören, was er sagte. Ich wusste das Meiste davon nicht mehr, mir hatte man ja so etwas verschwiegen und als kleines Kind verstand man eben Solches auch nicht sofort. Ich wusste nicht oder hatte es verdrängt, dass meine Eltern hohe Schulden gehabt hatten. Und es war gruselig, dass ein völlig Fremder an diese Informationen so einfach herankommen konnte. Doch andererseits zeigte es mir auch, dass er sich sehr mit mir und meinem Leben auseinandergesetzt hatte. Daher konnte ich ihn ein wenig verstehen und doch würde ich mich niemals entschuldigen. Dies konnte dieser aufgeblasene Kerl vergessen, doch ihn schien etwas anderes zu interessieren. Jetzt, wo er sich in Rage geredet hatte, hörte er nicht mehr auf.

„Kein Wunder, dass dich niemals jemand haben wollte und du stets alleine war", sprach er das aus, was ich eigentlich schon längst wusste. Sein Gesicht war meinem sehr nahe, während er die Worte mir entgegenwarf. Noch immer die Hand an meinem Hals, fuhr er fort: „Bei solch dreckigen Eltern, die nicht einmal mit Geld umgehen konnten und mehr in ihrer Fantasiewelt lebten wie sonst kein anderer, ist es auch kein Wunder."

Er sollte aufhören so über sie zu reden. Dass er sich hier ein Urteil über sie bildete, machte mich rasend

„Deswegen haben sie es auch nicht anders verdient, es war nur eine Frage der Zeit, ehe sie starben. Ein Glück sind solche nichtsnutzige Menschen nun fort."

Ein Stich in meinem Herzen, ließ mich zusammenzucken. Wieso er sich über sie aufregte, war mir ein Rätsel. Ich wusste noch nicht einmal, was ihn genau aufregte. War es die Tatsache, dass meine Eltern nicht seinem Ideal entsprachen? War dies der Grund? Und doch, neben der Trauer darüber, breitete sich immer mehr die Wut in meinem Körper aus. Er hatte nicht so über meine Eltern zu reden, welche er nicht kannte und welche nichts mit dieser Situation zu tun hatten. Es war eine Sache zwischen mir und ihm, verstand er das denn nicht? Jareth stellte sich aufrecht hin und atmete tief ein. Wahrscheinlich wartete er auf eine Reaktion von meiner Seite aus, doch die blieb zunächst aus. Ich konnte nicht mehr reden. Mein Mund war wie versteinert, stattdessen bekam ich einen anderen Drang. Purer Hass verspürte ich gegenüber dem Blonden, den das Ganze zu amüsieren schien. Für ihn war das alles hier nur Spaß und eine Nebenbeschäftigung, mehr war ich nicht für ihn wert. Doch, so verrückt es auch klang, er hatte mich ernst zu nehmen. Und genau dies ließ ich ihn spüren und zwar in diesem Moment. Vergessen war meine Hilflosigkeit, vergessen war meine Schwäche. Ich bekam einen Tunnelblick, welcher mich nur auf den jungen Mann konzentrieren ließ. Das Ganze hatte ich lange genug ertragen müssen, doch nun war es vorbei. Denn auch ein Jareth sollte wissen, dass er sich nicht alles erlauben konnte und schon gar nicht sich ein Urteil über jemanden zu bilden, den er gar nicht kannte. Somit drückte ich mich von der Wand ab und krallte meine Finger, so gut es eben nur ging, in sein Gesicht hinein. Der Blonde schrie laut auf, sodass die Zigarette auf den Boden fiel. Zum Glück fing nichts Feuer, sie rauchte nur dort weiter.

Streets  #Wattys2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt