Kapitel 10

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Kapitel 10

Ich sehe auf und blicke in blaugraue Augen. Ich verliere mich darin. "Willst du wissen warum ich hier bin?", flüstern mir diese wundervoll geschwungenen Lippen zu. Ich nicke langsam und sehe wieder dem Sonnenaufgang zu.

"Meine Mutter hat mich allein großgezogen. Früher habe ich sehr oft nach meinem Vater gefragt, doch sie wich immer aus. Als ich dann zwölf war starb sie bei einem Autounfall. Ich hatte.. habe niemanden außer ihr. Ich kam dann ins Heim, doch dort randalierte ich nur. Baute die ganze Zeit scheiße und sowas. Meine Mutter war alles für mich. Ich habe mich ständig mit anderen geprügelt und war quasi Stammgast im Krankenhaus. Nach ca zwei Jahr bin ich dann abgehauen. Ich lernte Felix kennen. Er war Drogendealer und nahm mich unter seine Fittiche. Ich half ihm wo ich konnte. Ein Jahr ging das ganz gut und ich fand in ihm sowas wie einen großen Bruder. Irgendwann wurden wir dann jedoch erwischt. Felix kam in Knast und ich wurde hier hin abgeschoben in der Hoffnung, das ich mich ändern könnte. Wenn dieses Jahr vorbei ist, werde ich wieder auf der Straße landen. Ich weiß nicht was ich tun soll. Ich werd mich einfach irgendwie durchboxen... Ich hab das noch niemandem hier erzählt." Er sieht dem Sonnenaufgang zu und lächelt gedankenverloren vor sich hin.

Ich lege meine Arme um ihn und drücke ihn an mich.

Eine kleine Ewigkeit später, lasse ich ihn los und forme mit den Lippen 'warum'. Die Sonne steht längst oben und scheint auf uns herab. "Warum ich es dir erzähl habe?" Ich nicke. "Ich weiß es nicht. Ich will einfach, dass du alles von mir weißt. Ich will keine Geheimnisse vor dir haben. Ich meine wir verstehen uns sogar perfekt, obwohl du nicht sprichst." Ich grinse bei dem Gedanken. "Ich mag dich sehr, Ska. Ich meine wir kennen uns erst eine Woche, doch ich habe das Gefühl dir mehr vertrauen zu können als sonst jemanden hier." Ich schüttel den Kopf und entferne mich von ihm. Mir rollen schon wieder Tränen übers Gesicht.

Ich reiße schnell einen kleinen Zettel aus dem Block und schreibe 'Wie kannst du mir vertrauen? Du erzählst mir deine Geschichte, wobei ich nichtmal in der Lage bin ein Wort zu dir zu sagen. Ich bin schwach. Verschwende deine zeit nicht mit mir. Ich habe dich nicht verdient.'

Er liest den Zettel noch während ich ihn schreibe. Er nimmt mein Kinn in seine Hand und zieht es sanft hoch, damit ich ihm in die Augen sehe. Er wischt mir schnell die Tränen weg und flüstert: "Du bist ein wunderbarer Mensch. Du bist schön, süß, talentiert. Du bist verdammt stark. Ich könnte keine Stunde aushalten mit schweigen. Ich verstehe, dass du mir deine Geschichte nicht erzählen kannst.. willst. Und wenn jemand etwas nicht verdient hat, dann bin ich das. Ich habe soviel scheiße gebaut und oft mein Leben riskiert nur um zu sehen ob ich sterbe. Ich frage mich wer dir eingetrichtert hat, dass du es nicht verdienst geliebt zu werden. Und ich weiß einfach das ich dir vertrauen kann. Frag mich nicht wieso."

Mein Herz schlägt viel zu schnell in meiner Brust.

Ich stehe auf und gehe ins Gebäude. Chris ruft mich, doch ich ignoriere ihn. In irgendeinem Gang halte ich an und lasse mich an der Wand herunter gleiten. Ich betrachte meine Hände. Mist! Ich habe meinen Block vergessen. Enttäuscht von mir selbst lasse ich den Kopf hängen und gehe zu meinem Zimmer. Ich bin ein schlechter Mensch.

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