Kapitel 39

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Kapitel 39

"Danke für das Essen, Aya."

"Gerne Kleines, komm jeder Zeit wieder vorbei."

Ich nicke Mays Mutter dankend zu und stehe auf.

Sie sehen sich unglaublich ähnlich.

Nur die Lippen..

Ich helfe noch beim abräumen und verabschiede mich dann.

Ich gehe aus der Wohnung in die Kälte.

Es wird bereits dunkel.

Ich ziehe Kiras Mantel enger um mich und laufe los.

Meine Füße tragen mich irgendwohin, doch ich achte nicht darauf.

Irgendwann lande ich dann in einem Park und ich setze mich auf eine Bank.

Eine einzelne Träne rollt über meine Wange.

Es ist ok.

Ich darf weinen.

Gebrochene Menschen dürfen sowas.

Ich wünschte nur jemand wäre hier.

Mich nicht fragen, was los ist.

Sondern meinen Schmerz erkennen und mich einfach halten.

Doch heutzutage läuft es so nicht ab.

Ich atme ein paarmal tief ein und aus, um nicht laut los zu schluchzen.

Ich stehe von der Bank auf und mache mich auf den Weg in die Wohnung.

Ich ziehe meinen Schlüssel aus meiner Hosentasche und schließe auf.

Meine drei Mitbewohner sitzen vor dem Fernseher, nehmen mich kaum war.

"Bin zurück", rufe ich gespielt fröhlich.

Sie grüßen mich einfach nur schnell und ich gehe in mein Zimmer.

Ich ziehe den Mantel aus und betrachte mich in dem Ganzkörperpiegel, der an den Schrank angebracht ist.

Ich sehe schrecklich aus.

Eingefallene Wangen.

Ringe unter den Augen.

Ich ziehe mich bisauf die Unterwäsche aus und betrachte mich weiter.

Ich sehe aus, als ob ich magersüchtig wäre.

Oder bin ich das bereits?

Ich sehe meinen Körper an und denke an all die Stellen, an denen mich mein Vater berührt hat.

An all die Stellen, an denen er mit seinem Mund war.

Ich sehe die Narben, die ich durch ihn habe.

Ich sehe die Trostlosigkeit, Traurigkeit und den Schmerz ind dieser Gestalt die da im Spiegel lebt.

All ihre verlorene Hoffnung, all ihr verlorener Lebenswille.

Wo ist er nur hin?

Ich schließe meine Augen und versuche alles auszublenden.

Besonders den Schmerz, der sich in meinem Körper breit macht.

Ich fange an zu zittern.

Meinen Bauch haltend krümme ich mich nach vorne.

Ich spüre wie langsam das Essen, von vorhin wieder hochkommt.

Doch dann sind da zwei starke Arme, die sich auf meine legen.

Ein Körper, der sich von hinten an mich drückt.

Ein warmer Atem, der sich an meine Wange schmiegt.

Ich werde umgedreht und an seine Brust gedrückt.

Er hält mich.

Er ist da.

Sein Geruch löst in mir Gefühle auf, die mir unangenehm und doch so wertvoll sind.

Er streicht mir sanft und behutsam übers Haar.

Seine Hände liegen da, wo auch schon die von meinem Vater lagen, doch das stört mich nicht.

Er ist schließlich nicht mein Vater.

Er zieht mich ein bisschen und dann liege ich auf meinem Bett.

Sein Körper ist weg.

Was soll ich jetzt tun?

Er darf nicht weg sein.

Ich wage es nur nicht meine Augen zu öffnen.

Als neben mir, sich etwas auf der Matratze bewegt atme ich ehrleichtert auf.

Ich spüre wie sich die Decke über mich legt.

Doch wo ist sein Körper?

Ich greife mit den Armen nach ihm.

Klammere mich an ihn.

Klammere mich an meinen einzigsten Halt.

Klammer mich an das Hier und Jetzt.

Er streicht mir, so als wäre ich zerbrechlich über die Wange und zieht mich näher zu sich.

Ich fasse unter sein Shirt und taste über seine muskulöse Brust, auf der Suche nach seinem Herzen.

Dort angekommen, lege ich meine Hand darauf und passe meine Atmung seinem Herzschlag an.

Endlich öffne ich meine Augen.

Er beobachtet mich mit seinen wunderschönen Augen.

Das würde niemals mit uns klappen flüstert es in mir.

Du bist dir doch gar nicht sicher über deine Gefühle.

Lass ihn los, stürz ihn nicht mit dir ins verderben.

Und doch kann ich ihn nicht los lassen.

Ich kann ihn nicht gehen lassen.

"Ich liebe dich, Chris", murmel ich, so leise, dass er es kaum hören kann.

Vielleicht hat er es ja auch nicht gehört und ich habe Glück?

Glück.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt