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Am nächsten Morgen wachte ich auf, weil mich einige Sonnenstrahlen wachkitzelten. Shawn hatte noch immer keine Jalousien in seinem Haus. Moment, was? Warum war ich in Shawns Haus? Ich blinzelte mehrmals. Ich bemerkte, dass ich an Shawns Brust gekuschelt lag und er einen Arm um mich geschlungen hat. Seine nackte Brust hob und senkte sich gleichmäßig. Bilder von letzter Nacht blitzten vor meinen Augen auf. Wie wir uns gegenseitig ausgezogen hatten. Ich hielt meinen Atem an und spähte vorsichtig unter die Decke. Shawn war nackt. Splitterfasernackt. Ich traute meinen Augen kaum. Mein Herzschlag erhöhte sich drastisch. Denn auch ich war nackt. Meine schlimmste Vermutung wurde auch noch durch die Kondome, die auf Shawns Nachttisch lagen, bestätigt. Immerhin haben wir verhütet, dachte ich kurz. „Scheiße.", fluchte ich, vielleicht etwas zu laut. Shawn regte sich. „Morgen, B.", murmelte er und streckte sich. „Shawn.", flüsterte ich, den Tränen nahe. Sofort war er wach. „Ich habe Nick betrogen.", eine Träne lief meine Wange hinab. „B.", flüsterte Shawn und wischte die Träne ab. „Ich hab meinen Freund mit meinem besten Freund betrogen, dem ich dadurch meine Jungfräulichkeit geschenkt habe." Ein Tränenschleier ließ meine Sicht verschwimmen. „Es war dein erstes Mal?", fragte er erstaunt. „Denkst du, ich bin irgendein billiges Flittchen, dass direkt mit dem nächstbesten Typen in die Kiste springt?", rief ich aufgebracht und griff nach meiner Unterwäsche, die neben dem Bett lag. „So meinte ich das nicht, B." – „War das dein Plan, Shawn?", die Tränen flossen unaufhaltsam, „Wolltest du mich betrunken machen und dann rumkriegen? Hast du mit deinen Freunden gewettet?" – „Willst du mich verarschen?", mit zusammengezogenen Augenbrauen sah der Junge mich an. „Denkst du so von mir? Hast du gedacht, ich muss erst warten bis du betrunken bist, damit ich mit dir schlafen kann? Mach dich nicht lächerlich!" Wütend sah er mich an. Kopfschüttelnd stand ich auf. „Wow, denkst du wirklich, dass du so unwiderstehlich bist, Mendes, dass jede sofort mit dir ins Bett gehen würde? Wann bist du so ein selbstverliebtes, egoistisches Arschloch geworden?", schrie ich ihn an. „Jetzt tu nicht so, als hätte ich dich dazu gezwungen!", schrie er zurück. Wütend lief ich aus seinem Schlafzimmer. „Becca!", rief er mir hinterher. Mein Kleid lag im Wohnzimmer, achtlos wurde es in die Ecke geworfen. Schnell zog ich es mir über den Kopf. „Becca!" Shawn kam mir hinterher. Er trug nur seine Boxershorts. „Nein! Ich hab mit meinem besten Freund geschlafen, der wie mein großer Bruder für mich ist. ‚Becca' mich jetzt nicht!" Mein Atem ging stoßweise. Frustriert fuhr Shawn sich durch seine dunklen Locken. „War die Nacht etwa so schlimm für dich?" – „Ach, das ist jetzt natürlich die wichtigste Frage.", schnaubte ich verächtlich, „Kratzt es jetzt an deinem Ego, dass ich es bereue?" Der Junge kniff seine Augen zusammen und kam mit schnellen Schritten auf mich zu. Ich wich zurück, bis ich mit dem Rücken an eine Wand stieß. Er stützte beide seine Arme an meinen Seiten ab. „Beantworte einfach meine Frage, Becca." Frustriert sah er mir in die Augen. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass Shawn nicht heiß aussah, wenn er wütend war. „Gott, nein Shawn, war es nicht. Auch wenn ich mir mein erstes Mal anders vorgestellt hatte, war es perfekt so wie es war. Ist es das, was du hören wolltest?" Ich sah zwischen seinen Augen hin und her. Er atmete laut aus und lehnte seine Stirn gegen meine. „Bitte sag mir, dass das unsere Freundschaft nicht zerstört hat. Ich brauche dich doch, B.", flüsterte er. Wieder stiegen mir Tränen in die Augen. „Shawn.", wisperte ich und legte meine Hand an seine Wange. „Ich weiß es leider nicht." Ich sah, wie eine Träne über seine Wange huschte. „Es tut mir so leid.", brach ich wieder in Tränen aus. Ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange und befreite mich aus seinen Armen. Ohne zurückzublicken schnappte ich meine Handtasche und Schuhe und floh aus dem Haus.

Ich fror massiv, es war ein kalter Januarmorgen in Kanada. Die Arme eng um meinen Körper geschlungen, machte ich mich auf den Weg zum Bahnhof. Mit zitternden Händen kramte ich mein Handy aus meiner Tasche. Keine Nachrichten oder Anrufe von Nick. Auf der Innenseite meiner Wange rumkauend wählte ich seine Nummer. Nach kurzem Warten meldete sich eine Frauenstimme. „Nicks Handy.", kicherte diese. „Ähm... Hier ist Becca.", druckste ich, verwundert, dass eine Frau Nicks Handy beantwortete. „Becca wer?", lachte die Stimme. Es wurde unruhig auf der anderen Seite der Leitung. „Rebecca, hi.", ertönte Nicks Stimme, „Was gibt's?" – „Wer war das?", fragte ich ihn. „Niemand, um den du dir Sorgen machen musst. Warum rufst du an?", lenkte er vom Thema. Ich biss mir heftig auf die Unterlippe. Er entschuldigte sich nicht mal, dass er mich am Silvesterabend vergessen hatte. „Ach nichts. Frohes neues Jahr.", seufzte ich. Ich bekam keine Antwort. „Nick?", fragte ich nach. „Hm? Jaja, dir auch. Bis später." Und schon hatte er aufgelegt. Perplex starrte ich auf mein Handy. War das sein Ernst? „Becca.", ertönte die melodische Stimme, die niemand anderem als Shawn gehörte, hinter mir. „Verfolgst du mich etwa?", fragte ich bissig und drehte mich zu ihm um. Er war warm in eine dicke Jacke und Schal eingepackt. Verletzt sahen mich seine brauen Augen an. „Es tut mir leid.", entschuldigte er sich. „Ich hätte dich nicht küssen sollen und schon gar nicht mit dir schlafen. Aber B, es hat sich richtig angefühlt. Ich bereue keine einzige Sekunde des gestrigen Abends." Erst jetzt bemerkte ich, wie er mir eine seiner Winterjacken entgegenhielt. Ich schüttelte den Kopf. „Shawn, ich kann das jetzt nicht. Ich kann dich nicht ansehen, ohne daran zu denken, wie deine Hände mich berühren. Wenn du mit mir sprichst, kann ich spüren, wie sich deine Lippen auf meiner Haut anfühlen. Ich sollte nicht so denken. Ich habe einen Freund.", erklärte ich mich um Kopf und Kragen. „Also wars das jetzt? Können wir keine Freunde mehr sein?", Shawns Stimme brach weg. Ich atmete tief durch. „Ich denke...", fing ich an, „Ich schätze, es ist besser, wenn wir uns eine Weile nicht sehen." – „B.", flüsterte er. „Es tut mir leid. Machs gut, Shawn." Ich unterdrückte die bereits angesammelten Tränen und ging schnellen Schrittes auf das Bahnhofsgebäude zu. Ich drehte mich nicht um. Nachdem ich mir ein Ticket Richtung Pickering gelöst hatte und in der entsprechenden Bahn saß, ließ ich meinen Tränen freien Lauf. Vermutlich hatte ich gerade meinen besten Freund verloren. Für immer.

it has always been him {Shawn Mendes} (deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt